Ingolstadt
Ouzo floss wohl etwas mehr als anderswo

Der nächste Wirt vor dem Amtsgericht: Grieche soll Steuern von mehr als einer halben Million Euro hinterzogen haben

04.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:25 Uhr

Ingolstadt (DK) Auch wenn die Steuerfahnder und die Finanzämter es auf Nachfrage gar nicht mal selbst so sehen.

Aber in den vergangenen Monaten fanden sich im Raum Ingolstadt schon auffällig viele Gastronomen vor dem hiesigen Amtsgericht, die sich allesamt wegen Steuerhinterziehung zu verantworten hatten. Entsprechend umfassend nehmen die Behörden die Wirte und deren Geschäfte offenbar unter die Lupe. Das musste auch der Chef eines griechischen Lokals in der Region erkennen, bei dem eine Betriebsprüfung vor einiger Zeit ein für ihn mehr als unangenehmes Ergebnis lieferte: Der 39-Jährige soll zwischen 2009 bis 2013 in seinen Steuererklärungen mehr als eine Million Euro an Bruttoumsätzen verschwiegen haben und entsprechend Umsatz-, Einkommens- und Gewerbesteuer von insgesamt gut 540000 Euro zu wenig gezahlt haben. In dieser Dimension sind Freiheitsstrafen (für Ersttäter in der Regel zur Bewährung) zu erwarten. So auch bei dem 39-Jährigen, der sich gestern vor dem Schöffengericht auf Anraten seines Anwaltes nicht zu den Vorwürfen äußern wollte.

Die Taktik der Verteidigung in dem Fall sieht so aus: Der Anwalt wollte Richter Michael Fein und den Anklagevertreter zu einer Einstellung des Verfahrens bewegen. Sein Mandant habe schon im sechsstelligen Euro-Bereich an das Finanzamt zurücküberwiesen. Es sei an der Zeit, für alle eine vernünftige Lösung zu finden. Der Wirt sei durch die Sache, die nun schon fast vier Jahre schwelt, sehr belastet. "Es geht an die Substanz. " Er müsse sich zum Beispiel jeden Montag persönlich bei der Polizei melden.

Doch so einfach machte da das Gericht nicht mit. "Das ist nach außen schon schwierig zu vermitteln, dass wenn jemand keine Steuern zahlt, er dann doch zahlt, und alles vorbei sein soll", sagte Richter Fein. Auch der Anklagevertreter wollte sich auf dieser Basis nicht zu einer Einstellung bewegen lassen. Auch wenn der Anwalt von weiteren Zahlungen sprach, über deren Höhe man eben noch sprechen müsse.

Tatsächlich sind - wie eine Finanzamtsmitarbeiterin gestern bestätigte - bereits fast 200000 Euro von dem Wirt zurück an die Staatskasse geflossen; auch wenn damit keinerlei Schuldeingeständnis verbunden sei, wie der Steuerberater des Angeklagten betonte. Schließlich sei man in der Sache vor dem Finanzgericht aktiv und klage noch gegen die Steuerbescheide.

Das ist auch einer der Gründe, warum das Strafverfahren erst jetzt über die Bühne geht, obwohl die Anklage mit dem Vorwurf der Steuerhinterziehung schon drei Jahre alt ist. Ein erster Verhandlungsstart war vor längerer Zeit in Ingolstadt bald wieder ausgesetzt worden, weil die Seite des Angeklagten auf eine schnelle Entscheidung vor dem Finanzgericht in München verwies. Mit den dann dort festgesetzten Zahlen zur Steuerschuld hätte die Ingolstädter Justiz zügig arbeiten können. Doch die von der Verteidigung in Aussicht gestellte Einigung in der Finanzsache kam nie.

Staatsanwalt Steffen Kill sieht deshalb trotz der vier Jahre keine überlange Verfahrensdauer, für die der Rechtsstaat verantwortlich wäre - was einen zwingenden Strafrabatt zur Folge gehabt hätte. Er wundert sich vielmehr über die neue Taktik des Beschuldigten. Denn dessen früherer Anwalt habe sogar schriftlich im Namen des Mandanten eine Steuerschuld zugegeben: Rund 325000 Euro habe der Wirt abgezweigt, um eine angebliche Spielsucht zu befriedigen. "Dadurch, dass er jetzt nichts sagt, fangen wir nicht bei null an", betonte Richter Fein in Bezug auf das mutmaßliche Schuldeingeständnis.

Die Beweise müssen aber erst in die laufende Verhandlung eingeführt werden. Bei der Betriebsprüfung waren die Finanzexperten auf mehrere Besonderheiten bei dem griechischen Lokal gestoßen. Gleich 140 Tage mit "negativen Einnahmen" (also Verlust) seien verrechnet gewesen. "Das war auffällig. Also irgendwann stellt man sich darauf ein und ändert etwas oder hört mit dem Betrieb auf", fasste der Richter zusammen. Zudem sei "übermäßig" Ouzo ausgegeben worden, nicht nur an Essensgäste. Fein: "Es ist ja nicht das einzige griechische Lokal in der Gegend, aber das ist hier wohl etwas anders gehandhabt worden. "

Christian Rehberger