Ingolstadt
Noch am Steuer?

Führerschein im Rentenalter: Fahreignung für Senioren sorgt für Diskussion

08.02.2019 | Stand 23.09.2023, 5:54 Uhr
Mit dem toten Winkel hätten Senioren Probleme, meint Edgar Staniszewski, Verkehrsexperte der Ingolstädter Polizeiinspektion. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Ob Senioren mit voranschreitendem Alter noch Auto fahren sollten, wird seit Jahren immer wieder thematisiert. Mit dem Alter können Sehvermögen und Reaktionsgeschwindigkeit nachlassen, bestätigt die Ingolstädter Verkehrswacht. Spezielle Regelungen für Rentner hinter dem Lenkrad gibt es bisher nicht. Von gut 136000 Ingolstädtern sind immerhin etwa 25000 Bewohner 65 Jahre und älter, die auch auf Mobilität angewiesen sind.

"Mich betrifft das ja nicht", sei die Antwort vieler Senioren, wenn die Verkehrswacht Vorträge über die Fahreignung im höheren Alter hält, erklärt Geschäftsführer Edgar Staniszewski. Dabei missachten Fahrer im Alter besonders häufig den toten Winkel und reagieren langsamer. "Es sind noch recht viele Rentner im Straßenverkehr unterwegs", so Staniszewski. Es könne schon mit 55 Jahren beginnen, dass die Fahrer schlechter sehen, hören oder wegen Medikamenteneinwirkung weniger aufmerksam am Verkehr teilnehmen. Deshalb überlege die Verkehrswacht, ein Fahrsicherheitstraining für Senioren anzubieten.

"Es ist nicht signifikant, dass Senioren mehr Unfälle bauen als jüngere Autofahrer", ist Hauptkommissar Franz Bäumler, Verkehrsexperte der Ingolstädter Polizeiinspektion, überzeugt. Allerdings sei anhand der Zahlen dennoch eine leichte Tendenz im Stadtgebiet zu erkennen: Im Jahr 2017 waren ältere Verkehrsteilnehmer ab 65 Jahren 441 Mal an Unfällen beteiligt, das entspreche zehn Prozent der Gesamtunfälle. Im Jahr 2016 waren es vergleichsweise lediglich 403 (8,5 Prozent). Anzumerken ist hier aber, dass es die Fahranfänger sind, die mit 12,6 Prozent mehr Unfälle verursachen als Senioren. Problematischer als das Auto- ist für Senioren das Fahrradfahren: Bei den Radunfällen waren 69 Unfallbeteiligte 65 Jahre und älter, das macht einen Anteil von 16,5 Prozent aus.

Die meisten Unfallursachen bei den älteren Verkehrsteilnehmern sind laut Bäumler - wie auch bei den übrigen Verkehrsteilnehmern - Fehler beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren, gefolgt von Vorfahrtsverletzungen, nicht ausreichendem Sicherheitsabstand und Fehler beim Fahrstreifenwechsel.

Doch voranschreitendes Alter und Fahrsicherheit schließen einander nicht aus, findet der Ingolstädter Rudolf Vierheilig. Der 88-Jährige besitzt seit 1947 seinen Führerschein, ist in seinem Leben nach eigenen Aussagen über zwei Millionen Kilometer gefahren und hat nie einen Punkt in Flensburg erhalten. Er erzählt: "Über 40 Jahre habe ich bei der Feuerwehr gearbeitet und dabei die schlimmsten Unfälle gesehen." Deshalb fahre er eh vorsichtig. Auf das Auto sei er täglich angewiesen, zum Beispiel beim Einkaufen. "Ich fühle mich einfach wohl in meinem Wagen", meint er. Von einem erneuten Fahr-eignungstest für Senioren, der in der Politik immer wieder diskutiert wird, hält er wenig: "Da sollte jeder eigenverantwortlich entscheiden, ob er noch fahren kann." Er selbst habe auch sein Auto mit zusätzlichen technischen Hilfen ausgestattet, wie etwa einem automatischen Bremssystem in Gefahrensituationen. "Ich werde später, wenn ich nicht mehr fahren kann, auch verantwortungsbewusst meinen Führerschein abgeben", sagt Vierheilig.

Er hätte dann wie alle Senioren die Möglichkeit, ein Jahr lang umsonst Bus zu fahren. Denn die Ingolstädter Verkehrsgesellschaft (INVG) bietet mit der Abgabe des Führerscheins eine kostenlose Jahreskarte für alle Linien und Strecken an. "Beim Straßenverkehrsamt müssen die Senioren schriftlich erklären, dass sie dauerhaft und unwiderruflich auf ihren Führerschein verzichten", erklärt Hans-Jürgen Binner, Leiter der INVG-Geschäftsstelle: Die Aktion hat die INVG vor einigen Jahren auf Wunsch des Stadtrats umgesetzt. Im vergangenen Jahr haben 113 Senioren ihren Führerschein abgegeben, im Jahr zuvor 222.
 

Auch ein 76-Jähriger Ingolstädter hat sich für das Angebot der INVG entschieden. Sein Auto hat er im Dezember verkauft, seit diesem Monat ist er ausschließlich mit dem Bus unterwegs. "Die Linie 11 fährt direkt vor meiner Haustür - das ist praktisch für mich, ich hab nämlich starke Kniebeschwerden", erklärt der Mann, der an dieser Stelle nicht mit Namen genannt werden möchte.

Es scheint immer noch ein kleines Tabu zu sein, mit der Abgabe des Führerscheins die Freiheit des eigenen Fahrens aufzugeben. Das bestätigt auch Fahrschulinhaber Gert Dehler: "Das Thema möchte jeder wegschieben. Wir merken das bei den Auffrischungsstunden für Senioren - die Teilnehmer kann man an einer Hand abzählen." In solchen Stunden, die sein Kollege Peter Amann anbietet, beurteilt der Fahrlehrer das Verkehrsverhalten und gibt Tipps. Gert Dehler ist sich sicher: "Am besten wäre es, wenn jeder Fahrer - egal welchen Alters - alle fünf Jahre einen Sehtest und einen Erste-Hilfe-Kurs machen würde."

 

Anna Hausmann