Ingolstadt
Krank durch Schimmel?

Carmen F. und ihre Tochter haben chronische Atemwegserkrankungen - und ihre Wohnung ist feucht

03.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:52 Uhr
Im Bad sieht man von dem Schimmelbefall nichts mehr. Die schwarzen Flecken wurden mit einem Schimmelspray entfernt und mit Spezialfarbe überstrichen. Carmen F. zeigt, wo sie waren. In der Küche und im Zimmer ihrer Tochter sind Schimmelflecken zu sehen (Fotos unten). Die Mieterin und ihre Tochter leiden an Atemwegserkrankungen. Die Familie sucht dringend eine andere Wohnung. −Foto: Fotos: Hammer

Ingolstadt (DK) Es ist ein Problem, das viele Mieter haben: Schimmel in der Wohnung. Doch im Fall von Carmen F. ist das Problem noch verschärft. Die 43-Jährige leidet an einer chronischen Atemwegserkrankung, ihre 20 Monate alte Tochter hat Pseudokrupp, der Sohn eine seltene Genmutation. Verzweifelt sucht die Familie in Ingolstadt nach einer anderen Wohnung.

Die alleinerziehende Mutter lebt seit drei Jahren mit ihrem 17-jährigen, an einer extrem seltenen Krankheit leidenden Sohn, der 13-jährigen Tochter und ihrer Jüngsten, 20 Monate alt, im ersten Stock eines älteren Dreifamilienhauses in Unsernherrn. Im Bad hat die Vermieterin vor Kurzem eine größere Schimmelfläche rund ums Fenster mit einem handelsüblichen Schimmelspray entfernen und die Fläche anschließend mit Schimmelfarbe, die den Neubefall vermeiden soll, streichen lassen. Er sei vor etwa einem Jahr schon einmal gerufen worden, um die stark verschimmelten Wände im Bad zu behandeln, erzählt der Handwerker, ein Maurermeister im Ruhestand. Doch der Schimmel sei wiedergekommen. Auch im Zimmer der 13-Jährigen waren größere Schimmelflecken, die die Mutter habe entfernen lassen. In der Heizkörpernische kommen die schwarzen Flecken allerdings schon wieder durch. Schimmel gibt es auch in einer Ecke der Küche. Auch hier an der Außenwand. "Es ist einfach immer feucht und klamm hier", klagt die Mieterin.

Die Ursache für den Schimmelbefall ist, wie so oft, strittig: Sie würde zu wenig Lüften, behauptet die Vermieterin. Carmen F. weist das zurück. "Meine Fenster", sagt sie, "sind fast den ganzen Tag gekippt." Außerdem würde sie die Fenster mehrmals täglich komplett öffnen. In der Wohnung gibt es auch Silberfischchen, was von Experten ebenfalls als Hinweis für zu feuchte Raumluft und Schimmelbefall gewertet wird. Die beiden älteren Kinder wollen aus Angst, in der Schule gehänselt zu werden, nicht mit Bild und Namen in der Zeitung sein. Aus diesem Grund nennen wir den vollen Namen der Familie nicht.

Die Krankheit des jetzt 17-Jährige Sohnes der Ingolstädterin hat ursächlich nichts mit dem Schimmelbefall in der Wohnung zu tun. Er leidet an einer extrem seltenen Genmutation, dem sogenannten Gata MonoMAC Syndrom, einer genetischen Mutation, die nach Aussage der Mutter weltweit bei nur 350 Menschen nachgewiesen ist. Ihr Sohn ist taub und ihm fehlen die roten Blutkörperchen. Viele Jahre verbrachte sie mit ihm in Unikliniken und verschiedenen Therapieeinrichtungen. Schon deshalb habe die Frau, die früher im Verkauf tätig war, nicht mehr arbeiten können.

Auch, wenn der Schimmel nicht direkt mit der Krankheit des Sohnes etwas zu tun hat, dieser förderlich sind Schimmelpilzsporen, die nachweislich gesundheitsschädlich sind, nicht. "Ich habe Asthma, seit ich in dieser Wohnung lebe", sagt Carmen F. Im Herbst 2015 stellte ein Lungenfacharzt bei ihr ein "funktionelles Atemnotsyndrom" fest. Sie ist noch immer in der Praxis in Behandlung, wie Arztberichte, die der Redaktion vorliegen, belegen. Medizinische Diagnose: Hyperreagibles Bronchialsystem. Die Bronchien reagieren dabei überempfindlich auf die Atemluft. In dem medizinischen Bericht wird auch auf den "Schimmelbefall in der Wohnung" hingewiesen. Der Allgemeinzustand der Patientin (sie ist Nichtraucherin) habe sich durch diesen verschlechtert. Auch ihr 20 Monate altes Töchterchen hat Probleme mit den Atemwegen: Pseudokrupp. Ein Attest der Hausärztin bestätigt, dass es auch an einer spastischen Bronchitis leidet. Selbst das Gesundheitsamt habe Carmen F. in einem Schreiben die Notwendigkeit, dass die Familie eine andere Wohnung benötige, bescheinigt.

"Dass Schimmelpilzsporen Krankheiten auslösen können, ist unbestritten", sagt der Ingolstädter Lungenfacharzt Carsten Helbig. Für Menschen mit vorgeschädigter Lunge oder Bronchien sind diese besonders gefährlich. "Wenn jemand eine Erkrankung der Atemwege hat und dauernd in Kontakt mit Schimmelpilzsporen ist, kann das die Krankheit massiv verschlechtern." Allerdings gebe es unterschiedliche Formen von Schimmelpilzsporen, manche seien weniger giftig, manche mehr, betont der Mediziner. Um welche Sporen es sich in der Wohnung handele, könne nur eine Untersuchung der Sporen im Labor zeigen. Die jedoch sei mit Kosten verbunden sei. Geld, das Carmen F. - sie ist Hartz-IV-Empfängerin - nicht hat.

"Die Beweispflicht liegt beim Mieter", betont Rechtsanwalt Gerhard Wagner, der den Ingolstädter Mieterverein in Rechtsangelegenheiten berät und auch den Fall Carmen F. genau kennt. Letztlich könne nur ein Gutachten klären, wo die Ursache für die Schimmelbildung zu suchen sei. Ein Gutachten, das die Mieterin auf eigene Kosten in Auftrag geben müsste. Carmen F. hatte auf Anraten des Mietervereins die Miete gemindert. Mittlerweile zahlt sie wieder den vollen Preis, 850 Euro warm. Während sie als Verursacher des Schimmelproblems vor einiger Zeit neu eingebaute Fenster in Verdacht hat, sieht die Vermieterin für den Befall ausschließlich Carmen F. in der Verantwortung. "Weil die nicht lüftet." Früher habe es nie Schimmel in dieser oder den anderen beiden Wohnungen des Hauses gegeben, sagte die 82-Jährige auf DK-Anfrage. Nachdem ihr Mann gestorben ist, soll das Haus nun verkauft werden.

Carmen F. und ihre drei Kinder brauchen also schon aus diesem Grund dringend eine neue Bleibe. Die Ingolstädterin hat einen Berechtigungsschein und steht bei der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft und beim Gundekarwerk auf der Warteliste. Doch bis sie da nach oben rückt, das kann dauern, so die Erfahrung des Mietervereins. Erst, wenn das Urteil einer Räumungsklage vorliege, würde sie auf der Dringlichkeitsliste, nach der die Sozialwohnungen vergeben werden, nach oben rutschen. Ansonsten stünden ihre Chancen schlecht.

Ruth Stückle