Ingolstadt
Kampf gegen die Fluten

Die Aufarbeitung des Fronleichnam-Starkregens zeigt: Hausbesitzer müssen selbst vorsorgen

13.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:43 Uhr
Der Schaden durch das Wasser ist groß: Viermal wurde Ingolstadt in denvergangenen sieben Jahren massiv von Starkregen getroffen ? zweimal im Süden, einmal im Osten, zuletzt im Norden. −Foto: Foto: Hauser/Grafik: INKB

Ingolstadt (DK) Von traumatischen Erlebnissen berichten viele Betroffene, über deren Wohneigentum sich an Fronleichnam die Schleusen öffneten und ein Starkregen niederging. Der Kanal war schnell voll, die Keller auch. Der bereits vierte Vorfall in den vergangenen sieben Jahren verdeutlichte einmal mehr, wie dringend Privatleute selbst vorsorgen müssen. Das betonen die Ingolstädter Kommunalbetriebe und die Lokalpolitiker intensiv.

Zweimal hat es den kompletten Süden böse erwischt. 2011 und 2016. Einmal, 2014, den Südosten und Nordosten. Vor sechs Wochen war dann der Norden Ingolstadts inklusive der Altstadt massiv betroffen, während jenseits der Donau kaum etwas passierte. Fast 50 Liter pro Quadratmeter in einer Stunde kamen an der Messstation der Ingolstädter Kommunalbetriebe (INKB) am Klinikum runter, unglaubliche 13,3 Liter innerhalb von fünf Minuten wurden gemessen. "Wir reden hier von statistisch 50-jährigen Ereignissen", sagt Thomas Schwaiger, der INKB-Vorstand. "Und wir sprechen von höherer Gewalt." Der Kanal ist laut Schwaiger so ausgelegt, dass er Starkregen aufnehmen kann, wie er statistisch alle fünf Jahre vorkommt, die Straßenoberflächen bewältigen immerhin ein 20-Jahres-Ereignis.

Doch die Zeiten haben sich auch geändert. Ein "Jahrhundertregen" mit - je nach Definition - mehr als 15 oder 17 Millimeter pro Stunde, wie er 1996 in Deutschland noch kaum vorgekommen ist, gehört inzwischen zu wiederkehrenden Erscheinungen. Das zeigt sich eben auch an Ingolstadt zwischen 2011 und 2018 (als jeweils zwischen 44 und 53 Liter pro m² fielen). Die Tücke und Gefahr wird an der örtlichen Verteilung klar: Starkregen kommt nicht nur häufiger, er ist auch völlig lokal, teils auf Straßenzüge verteilt und sprengt dort jedes Maß. Der Kanal ist voll. Das Wasser läuft ohne entsprechende Sicherung in Keller und Treppenhäuser. "Rückstau ist kein Planungsfehler", fassen die INKB in ihrer Abwasserbroschüre zusammen. "Es ist ein Abwägen zwischen einer wirtschaftlich vertretbaren Abwasserentsorgung und der Häufigkeit auftretender Niederschlagsereignisse." Nur weil der Kanal bei diesen Extremlagen in völlig unterschiedlichen Stadtvierteln überläuft, müsse und könne man nicht die gesamte Kanalisation erweitern.

Zumal der Schutz vor Rückstau in der Verpflichtung des Grundstückeigentümers (beziehungsweise des Anschlussnehmers) liegt. Das betonten auch die Stadträte, die sich jetzt im Verwaltungsrat der INKB zum wiederholten Mal mit dem Thema beschäftigten. Die Kommunalbetriebe wollen weiter intensiv beraten und aufklären. Sie müssen es wohl auch noch, wie die Rückmeldungen nach dem Starkregen vom 31. Mai zeigen. Nach 268 Feuerwehreinsätzen meldeten sich 112 Bürger bei der Stadttochter: Fast ein Drittel hatte keine Rückstausicherung, bei einem Viertel war sie defekt oder nicht abgesperrt, ein weiteres Drittel hatte keine Infos zur Sicherung. "86 Prozent der Fälle wären von den Bewohnern vermeidbar gewesen", fasst INKB-Vorstand Schwaiger zusammen.

Prävention ist das Gebot der Stunde - nicht nur bei der Aufklärung der Bürger, sondern auch darüber hinaus: Die Arbeitsgruppe "Überflutung" mit verschiedenen städtischen Stellen entwirft zum Beispiel bei der Planung von Neubaugebieten einen Abflussplan, "wenn die Infrastruktur nicht mehr hält", so Schwaiger. Am Ortsausgang von Oberhaunstadt (Kreuzäcker)etwa soll der Rückstau im Fall der Fälle in den bekannten Heindlschen Rosengarten laufen. "Man ist umfassend tätig", versichert Bürgermeister Albert Wittmann, der Vorsitzende des INKB-Verwaltungsrates.

Und selbst bei der größten Unwägbarkeit will man anpacken: Wann und wie ist bei einer Unwetterwarnung der offiziellen Stellen für die Region wirklich Ingolstadt massiv betroffen? "Bei neun von zehn Meldungen passiert hier dann doch nichts", sagt Schwaiger, der mit der INKB am Aufbau eines eigenen Niederschlagsradars arbeitet. Der Deutsche Wetterdienst misst dazu an einem bestimmten Punkt in Haunwöhr in Höhen zwischen 1000 und 12000 Metern die Niederschlagswahrscheinlichkeit mit einem Vorlauf von einer Stunde und könnte warnen. Falls das System verlässliche Daten liefert, könnten die Kommunalbetriebe irgendwann eigene Warnhinweise an die Ingolstädter Bürger herausgeben.

Doch diese helfen dann natürlich auch nur, wenn alle ihr Haus ode Anwesen inzwischen entsprechend ertüchtigt haben.

Christian Rehberger