Ingolstadt
Jede Menge Zukunftsaussichten

Futurologischer Kongress begeistert am zweiten Tag mit facettenreichem Programm in der THI

15.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:48 Uhr
Ein wild gewordener Roboterarm und ein waghalsiger Trommler zogen auf dem Campus der THI die Blicke auf sich. Am heutigen Samstag endet der Futurologische Kongress mit einem Familientag im Stadttheater. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) "Spielerisch und mit dem gebotenen Ernst", so versprachen es die Macher des Futurologischen Kongresses, werden sie sich den "drängenden Themen der Zukunft" nähern. Das ist ihnen zweifellos gelungen, wie ein Rundgang über das Gelände der THI am Freitag beweist.

Den Direktor des Bayerischen Armeemuseums mag man nicht unbedingt als erstes auf einem Kongress erwarten, der die Zukunft verhandelt. Doch Ansgar Reiß überzeugt die Zuhörer im Vorlesungssaal G011 der Technischen Hochschule schnell: "Das Militär war immer ein Vorreiter der technischen Entwicklung", erklärt er. "In diesen Räumen wird normalerweise über das autonome Fahren gesprochen. Wir sprechen heute über das autonome Töten." Drohneneinsätze und andere Formen moderner Kriegstechnik sind Gegenstand der Gesprächsrunde, die den Futurologischen Kongress am Freitag mit eher düsteren Zukunftsaussichten eröffnet.

Zwei Stockwerke darüber verspricht die theatrale Szene "Sex mit Robotern" vielleicht optimistischere Visionen. Aber das kurze Stück - Marisa Akeny begeistert in ihrer Rolle als Android - zeigt, dass eine Maschine auch nach dem neuesten Update kaum auf Dauer menschliche Einsamkeit vertreiben kann. Vor allem, wenn auch noch der Sprachassistent versagt. Und so sitzt Donald Berkenhoff am Ende des Stückes wieder alleine in seinem Ohrensessel wie er es am Anfang der Szene tat.

Unter den Zuschauern ist auch Franziska Gohlke. Sie arbeitet in einem technischen Beruf und hat schon jetzt mit Künstlicher Intelligenz zu tun, berichtet sie. "Ich finde das alles deswegen gar nicht so befremdlich", sagt sie. Und trotz aller Herausforderungen, die die Technologie mit sich bringt, stellt sie klar: "Ich freue mich auf die Zukunft."

Vielleicht gilt das auch für den Roboter, der in der Aula der Technischen Hochschule aufgebaut ist. Menschen haben ihm das Schreiben beigebracht. Jetzt fügt er Begriffe aus der Ethik, Rechtswissenschaft und Technik zusammen. Er formuliert selbstständig ein Manifest für eine zukünftige Mensch-Roboter-Gesellschaft. "Jeder Roboter hat das Recht auf Geschichte, Gesundheit und Hoffnung", schreibt die Maschine. "Kein Automat darf willkürlich seines Irrtums beraubt werden."

Mag sein, dass diese Sätze auch Stanis?aw Lem (1921 - 2006) gefallen hätten. Der polnische Autor hat mit seinem Werk "Der Futurologische Kongress" den Titel für die dreitägige Veranstaltung geliefert. In mehreren Veranstaltungen wird der Visionär an diesem Abend gewürdigt. So lesen in Raum G204 Renate Knollmann, Marc Simon Delfs und Jan Gebauer "Der getreue Roboter". Freilich nur so lange drei Zuhörer aus dem Publikum an Generatoren mit Handkurbeln die nötige Energie für die Beleuchtung liefern.

Derweil tanzen in der Carissmahalle Menschen mit Robotern, immer wieder starten Schauspieler inmitten der zahlreichen Zuschauer kleine Szenen, in Raum G006 wird virtuelles Gemüse zersäbelt während das Konfuzius-Institut davor ganz realen Jasmin-Tee ausschenkt. Im Foyer spuckt der "Baum der Erkenntis" - ein Kunstwerk von Jürgen Uedelhoven - kleine Zettel aus, die flatternd auf den Boden sinken. Auf ihnen sind die Kosten von modernen medizinischen Maßnahmen vermerkt: "Lungentransplantation 53400 Euro", "Arthroskopie am Kniegelenk 2300 Euro", steht da zum Beispiel. In zahlreichen Vorträgen und Diskussionsrunden werden zukunftsträchtige Themen beleuchtet. Datenschutz etwa oder ethische und gesellschaftliche Aspekte beim autonomen Fahren. Der ehemalige Staatsminister Julian Nida-Rümelin verhandelt unter anderem mit dem Robotik-Wissenschaftler Sami Haddadin, Ansgar Reiß vom Armeemuseum und dem Vorstand des Zentrums für Kunst und Medien, Peter Weibel, die grundsätzliche Frage: "Wie wollen wir leben?"

"Es ist wirklich wahnsinnig viel geboten", sagt Josef Fackelmann, der eher zufällig auf den Futurologischen Kongress gestoßen ist. "Manchmal glaube ich, dass die ganze Technik mich überholt hat", sagt der 65-jährige Besucher. So manche Neuerung, die künstliche Intelligenz etwa, werde das Leben der Menschen sicher erleichtern, ist er überzeugt. "Vielleicht ist sie irgendwann intelligenter als wir und korrigiert unsere Fehler. Das hat natürlich schon auch etwas Erschreckendes." In der Carissmahalle setzen das Ensemble SETanztheater und Schauspieler Benjamin Dami diese Vision in einer eindrücklichen Inszenierung um. Zunächst liegen die künstlichen Wesen, die ein genial-verrückter Wissenschaftler geschaffen hat, noch recht passiv und unscheinbar zwischen den Zuschauern. Dann entwickeln sie Selbstbewusstsein, werden stärker, schöner und mächtiger als sie sich ihr Schöpfer je gedacht hat. Sie sind nicht aggressiv, aber dennoch bedrohlich. Mit einer Not-Abschaltung macht der Wissenschaftler dem technischen Spuk schließlich ein abruptes Ende.

Die 16-jährige Antonia und ihre 14-jährige Freundin Florentine, die eigens aus Schrobenhausen zum Futurologischen Kongress angereist sind, können verstehen, dass moderne Technik den Menschen auch Angst machen kann. "Ich bin zum Beispiel gegen die ständige Überwachung", sagt Antonia. Florentine ist froh, dass etwa das Thema Datenschutz immer wieder in der Schule angesprochen wird. Apropos: "Es wird in der Zukunft sicher auch vieles besser. Cool wäre es, einen Roboter zu haben, den man in die Schule schicken kann, und man selber bleibt daheim", überlegt Florentine. Noch gibt es den zwar nicht, aber wer weiß schon, was die Zukunft bringen wird.
 

Johannes Hauser