Ingolstadt
"Eine Baustelle ist eine Baustelle"

Sanierung der Fußgängerzone verlangt Geschäftsleuten und Anwohnern einiges ab

13.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:47 Uhr
Der Optiker Sichtbetont ist derzeit nur über einen Seiteneingang zugänglich. Der Inhaber sieht den Geschäftsbetrieb "massiv gestört". Andere Geschäfte und Gassen erreichen Passanten zum Teil über Fußgängerbrücken . −Foto: Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Der Lärm ist mitunter ohrenbetäubend. Und das ist erst der Anfang. Denn bis die Ingolstädter Fußgängerzone komplett saniert sein wird, werden noch gut und gerne fünf Jahre ins Land ziehen. Die gute Nachricht: Die lärmintensivsten Arbeiten für die ersten zwei Bauabschnitte sollen voraussichtlich Ende Juli abgeschlossen sein. Schwere Zeiten für Geschäftsleute und Anwohner.

"Die Baustelle ist ein Irrsinn", klagt Gerd Christiansen. Der Zahnarzt hat seine Praxis in der Ludwigstraße, oberhalb des Schuhgeschäfts Sutor. Mitte Mai blickte er vom Fenster im ersten Stock aus auf eine riesige Baustelle. Damals waren die Leitungen für Gas, Wasser und Strom verlegt worden. Dieser Abschnitt ist wieder geteert. Doch jetzt steht ein paar Meter weiter ein neuer Bauzaun. Ein Bagger mittendrin lässt Übles erahnen.

Gleich nebenan, in der Georg-Oberhäußer-Straße, können Passanten auf der Musterfläche den künftigen Belag der Fußgängerzone als hellem, fußgängerfreundlichen Granitstein in Augenschein nehmen. "Wie das Pflaster wird, ist mir egal", sagt Christiansen. "Ich fürchte, wenn das fertig ist, wird niemand mehr da sein, der die Fußgängerzone betritt."

Christiansen findet die Bauarbeiten, die mit den Vorbereitungen schon über ein Jahr dauern, für die Menschen, die hier leben oder arbeiten, eine Zumutung. "Man wird wahnsinnig bei dem Lärm", sagt er. Es wundert ihn deshalb nicht, wenn immer weniger Leute in die Innenstadt kommen. Und sich immer mehr Geschäfte aus ihr verabschieden. "Wenn es keine Geschäfte mehr gibt, dann macht die Sanierung keinen Sinn."

Einzelne Abschnitte würden aufgebaggert, dann wieder zugeschüttet und geteert, um später erneut aufgerissen zu werden - und das nicht nur einmal, hat Christiansen beobachtet. "Es geht leider nicht anders", sagt Tiefbauamtsleiter Walter Hoferer. Weil die Fußgängerzone für den Lieferverkehr und die Rettungswege frei sein müsse, würden immer nur kleine Abschnitte in Angriff genommen. "Mir persönlich wäre es am liebsten, wenn man die Fußgängerzone zusperren und alles auf einmal machen könnte. Aber das geht natürlich nicht", weiß Hoferer. Die Geschäfte müssten während der Sanierung offen bleiben. Die Baufirmen versuchten, die Belästigungen so gering wie möglich zu halten. "Aber eine Baustelle ist eben eine Baustelle." Am lärmintensivsten sei der Saugbagger, ohne den wiederum die Arbeiten noch länger dauern würden. Bis Ende Juli sei zumindest dieser in den ersten zwei Bauabschnitten fertig. Die dann folgenden Hauptarbeiten seien "nicht mehr ganz so laut".

"Die Arbeiten sind von vielen Faktoren abhängig", betonen Peter Walter, Sachgebietsleiter Straßenbau, und Projektleiter Werner Sollfrank. Weil der Belag samt Konstruktion im Untergrund auch 40-Tonner-Lkw aushalten müsse, müsse er eine entsprechende Festigkeit haben - und dazu 28 Tage aushärten. Bei der kleinen Musterfläche in der Georg-Oberhäußer-Straße ist diese Zeit in zehn Tagen abgelaufen. "Dann werden Bohrkerne gezogen und die Festigkeit im Labor geprüft", erklärt Walter. Erst danach wird die Musterfläche freigegeben.

Nicht nur bei der Musterfläche heißt es, nachdem das Pflaster über der Teerdecke aufgebracht und verfugt ist, 28 Tage warten. Und erst danach könne der nächste Abschnitt in Angriff genommen werden. Dementsprechend disponierten die Baufirmen ihr Personal. Auch die Witterung spielt eine Rolle. So können die Materialien nur bei einer Temperatur von zwischen 10 und 30 Grad verarbeitet werden, erklärt Sollfrank. Auch starker Regen schränke die Arbeiten ein. Weitere Unwägbarkeiten seien die Archäologie und mögliche Bomben im Boden.

So muss der Zeitplan für die fünf Bauabschnitte der Gesamtmaßnahme freilich ein vorläufiger sein. Die ersten beiden Bauabschnitte - vom Paradeplatz bis zur Einmündung Mauthstraße - sollen bis Herbst 2019 abgeschlossen sein. 2023 ist als Datum für die Fertigstellung der kompletten Sanierung der Fußgängerzone anvisiert. Allerdings werden 2020, im Jahr der Landesgartenschau, die Arbeiten ruhen. Schließlich sollen die Besucher auch in die Innenstadt kommen - und nicht von Baumaschinen abgeschreckt werden. Die Kosten für die Gesamtsanierung liegen laut Hoferer bei rund 7,4 Millionen Euro.

Bis die Fußgängerzone in neuem Glanz erstrahlt, wird den Geschäftsleuten noch einiges abverlangt. "Die Geschäfte", betonen Walter und Sollfrank, "sind alle erreichbar". Für einige habe man Fußgängerbrücken gebaut. Die Kunden des Optikers Sichtbetont müssen sich gegenwärtig mit dem Seiteneingang zufriedengeben. "Im Moment ist es sehr ärgerlich, weil wir von der Außenwelt fast abgeschnitten sind und Stunden kein Arbeiter zu sehen ist", sagt Inhaber Stefan Lahme. Wenn dann nachmittags "so langsam Arbeiter auftauchen", machten diese so viel Lärm, dass der Geschäftsbetrieb massiv gestört werde. "Zum Glück sind wir kaum von der Frequenz abhängig, da wir überwiegend nach Termin arbeiten", so Lahme. Ansonsten "wären wir in unserer Lage längst nicht mehr existent".

Eine zurückgehende Frequenz hat auch Paula Soneriu, Filialleiterin bei Christ, bemerkt. "Wenn jemand reinkommt und die Tür geht auf, kann man sich im Laden gar nicht mehr unterhalten", sagt sie. Es sei laut und unangenehm, dennoch habe man Verständnis dafür, "dass etwas gemacht werden muss". Auch Soneriu sieht die Gefahr, "dass die Kunden ausbleiben". Viele hätten die Innenstadt schon jetzt nicht mehr "auf dem Schirm".

Dass gegenwärtig "einige Kunden die Innenstadt meiden", hat auch Gerhard Vogl, Filialleiter des Drogeriemarktes Müller, beobachtet. Dennoch nehme man die Unannehmlichkeiten durch die Baustelle in Kauf. "Für das Ziel, in absehbarer Zeit eine tolle Fußgängerzone zu haben."
 

Ruth Stückle