Ingolstadt
Aus dem Gerichtssaal ins Krankenhaus

Prozess wegen angeblichen sexuellen Übergriffs gegen 55-jährigen Ukrainer nimmt mehrere Wendungen

03.09.2018 | Stand 23.09.2023, 3:58 Uhr
Die Asylunterkunft an der Manchinger Straße war Ende Juli einmal mehr der Schauplatz für einen Tumult. Mehrfach in den vergangenen Monaten eilten zahlreiche Polizeistreifen dorthin. Im betreffenden Fall soll ein Flüchtling aus der Ukraine eine Landsfrau sexuell genötigt haben und bei anderer Gelegenheit mit mehr als 3,2 Promille mit dem Messer auf einen Landsmann losgegangen sein. −Foto: Hauer/Archiv

Ingolstadt (DK) Manchmal kommt es anders, und zweitens als man denkt. Das gilt besonders für einen Amtsgerichtsprozess über mehrere Übergriffe in der Asylunterkunft an der Manchinger Straße, der gestern nach unerwarteten Wendungen letztlich sogar ausgesetzt werden musste. Denn der Angeklagte kam direkt aus dem Gerichtssaal ins Krankenhaus.

Alles begann schon einmal damit, dass nichts beginnen konnte. Auf eine der beiden ursprünglich eingeteilten Schöffinnen wartete Richter Michael Fein vergeblich, sodass die Geschäftsstelle des Amtsgerichts schnell einen Ersatzschöffen organisieren musste, was bei den pflichtbewussten Laienrichtern relativ selten vorkommt. In diesem Fall lag es offenbar daran, dass der gestrige Prozess kurzfristig und noch in der Ferienzeit auf den Sitzungsplan des Schöffengerichts gerutscht war. Immerhin spielten sich die betreffenden Vorfälle erst Ende Juli im Ingolstädter Außenlager des Transitzentrums an der Manchinger Straße ab. Polizei und Justiz gingen bei den Ermittlungen zügig voran, da immer mit einer zwischenzeitlichen Abschiebung eines der Tatbeteiligten zu rechnen ist.

Doch als der Ersatzschöffe herbeigeeilt war, konnte es gestern nicht losgehen. Nun waren Sanitäter gefragt, denn der Angeklagte hatte mittlerweilen angeblich hohen Blutdruck und saß zusammengekauert auf der Anklagebank. Seine Medikamente, die er im Untersuchungsgefängnis nach eigenen Auskunft dreimal täglich gegen die körperlichen Leiden bekommt, hatte er nicht dabei. Nun eilten alarmierte Sanitäter herbei, die tatsächlich einen alarmierend hohen Blutdruck bei dem 55-Jährigen feststellten und eine Notärztin hinzu riefen. Als diese nun auf dem Weg war, waren die Prozessbeteiligten schon zur Überzeugung und dem Entschluss gekommen, dass es an diesem Tag gar nicht weitergehen sollte und könne. Der Mann sollte ins Krankenhaus transportiert werden, was die Notärztin ebenso sah und dann auch mit den beiden Vorführbeamten der Polizei ausführte.

Seit Ende Juli sitzt der Ukrainer in Untersuchungshaft, da ihm nicht nur ein mutmaßlich schwerer sexueller Übergriff auf eine Landsfrau in der Ingolstädter Unterkunft vorgeworfen wird, sondern auch noch zwei Fälle von Bedrohung dort. Dieser Zwischenfall rief am Abend des 23. Juli ein größeres Aufgebot der Ingolstädter Polizei auf den Plan, das zur Containersiedlung beim Fußballstadion eilte und den 55-Jährigen festnahm. Wie sich beim Schnelltest der Polizei herausstellte, hatte der Alkoholiker satte 3,2 Promille im Blut und war mit einem Landsmann aus einem anderen Zimmer in Streit geraten, dem er - nach dessen Angaben gegenüber der Polizei - mit einem Küchenmesser in den Bauch stechen wollte. Seinen eigenen Zimmerkollegen und noch einen weiteren Asylbewerber soll der angeklagte Ukrainer im weiteren Verlauf dieses Tumults noch verbal mit dem Tode bedroht haben. Wohl so: "Ich bring' dich um."

Letztlich gelang es dem Sicherheitsdienst der Asylunterkunft, den schwer alkoholisierten Randalierer zu fixieren. Die Polizei erledigte den Rest und stieß bei der Durchsuchung der Sachen des Ukrainers auf mutmaßlichches Diebesgut von geschätzt 2000 Euro und einen vierstelligen Geldbetrag in bar. Auch diese Fundstücke dürften zur Anklage beigetragen haben, die von der Staatsanwaltschaft gestern aber gar nicht erst verlesen wurde. Der Prozess wurde ja ausgesetzt.

Die Schöffen wurden nach Hause geschickt. Richter Fein vernahm danach in seiner Funktion als Ermittlungsrichter das mutmaßliche Opfer (unter Ausschluss der Öffentlichkeit). Die Frau hatte bis dahin während der gesamten Wartezeiten und der medizinischen Untersuchung ganz ruhig im Gerichtssaal gesessen - immer mit Blick auf ihren mutmaßlichen Peiniger.

Dessen Blutdruck soll, wie der Angeklagte dem Gericht über die Dolmetscherin mitteilte, wegen der Aufregung vor dem gestern anstehenden Gerichtsverfahren in die Höhe geschnellt sein. Den Übergriff auf die Frau hat er nach DK-Informationen bis zuletzt abgestritten.

Christian Rehberger