Ingolstadt
Abschied am Viktualienmarkt

Das "Räucherkammerl" von Karin und Heinz Brunner schließt zum Monatsende

18.02.2019 | Stand 23.09.2023, 5:59 Uhr
Montags-Stammtisch am Stand des "Räucherkammerls": Es ist einer der letzten vor der Schließung. 1978 haben Karin und Heinz Brunner den Stand eröffnet (Foto unten links). Jedes Jahr gibts für den Narrwalla-Senator Brunner einen Faschingsorden. −Foto: Hauser/Privat/DK-Archiv

Ingolstadt (DK) Es ist eine Institution am Ingolstädter Viktualienmarkt: Das "Räucherkammerl" von Karin und Heinz Brunner. Über 40 Jahre hat das Ehepaar ihr gemeinsames Standl mit fränkischen Spezialitäten betrieben. Weil der 82-jährige Brunner gesundheitlich schwer angeschlagen ist und seine 77-jährige Frau Karin es alleine nicht mehr schafft, macht das "Räucherkammerl" zum Monatsende zu.

Als der Stand mit fränkischen Spezialitäten 1978 eröffnete, war der Viktualienmarkt noch ein Markt, an dem man Viktualien, also Lebensmittel, kaufen konnte. Das "Räucherkammerl" war damals in erster Linie Verkaufsstand. Unter den Betreibern der elf Holzbuden waren auch Gisela Caravita, die bis 2002 das Standl gegenüber der Brunners betrieb, und die kürzlich verstorbene Anni Daufratshofer. Den Caravita-Stand, an dem früher regelmäßig Schauspieler des Stadttheaters anzutreffen waren, übernahm Silvia Beck. Als 2007 der "neue" Viktualienmarkt seine Pforten öffnete, waren von den Standbetreibern der ersten Stunde nur noch die Brunners und Anni Daufratshofer dabei. Der Imbissstand Daufratshofers soll familienintern weiterbetrieben werden, teilte die für den Viktualienmarkt zuständige Stadttochter IFG auf Nachfrage mit. Auch für das "Räucherkammerl" sei bereits ein Nachfolger gefunden.

Am 27. Februar hat der Brunner-Stand den letzten Tag geöffnet. Einige werden traurig sein, lautet die einhellige Meinung der Stammgäste, die zum Teil seit Jahrzehnten in mehr oder weniger loser Regelmäßigkeit kommen. Jeden Montagmittag beispielsweise trifft sich seit Jahren eine Gruppe von Rentnern. Früher, als einige von ihnen noch in der Innenstadt gearbeitet haben, verbrachten sie hier ihre Mittagspause. Seit einigen Jahren ist aus dem Mittagstreff ein Rentnerstammtisch geworden. Reiner Geller - er wohnt in Böhmfeld - kommt schon seit 40 Jahren hierher. Auch Wolfgang Pilz, Werner Förstl, Gerhard Kunze und Werner Freund aus Ingolstadt gehören zum Stammtisch, genau wie "der Radlfahrer" Hans Schweiger. Der Manchinger fährt selbst im Winter stets mit Rennrad im Fahrrad-Outfit vor, um sich mit den Freunden zu treffen. Thomas Schwarzer war früher, als er Dramaturg am Stadttheater war, regelmäßig am Caravita-Stand, seit Caravita zumachte, ist er Mittags-Stammgast beim Brunner. Heute leitet er die Ingolstädter Geschäftsstelle des Deutschen Bühnenvereins. Den Plausch am Viktualienmarkt in der Mittagspause lässt er sich nicht nehmen. Wo er hingeht, wenn es den Brunner-Stand nicht mehr gibt? "Man wird sehen."

Auch Joachim Kasüschke ist Stammgast im "Räucherkammerl". "Wir haben die Brunners vor Jahren zufällig mal im Urlaub im selben Hotel auf Teneriffa getroffen", erzählt er. Wilfried Krupp berichtet von seinem Schwiegervater Toni Bierlinger, der zusammen mit Heinz Brunner bei der Marine war. "Wir sind jetzt quasi in dritter Generation beim Brunner-Stand." Der Wirt, Heinz Brunner selbst, kann aus Gesundheitsgründen nicht mehr zu seinem Stand kommen. "Es ist schwer für mich, aufzuhören", sagte er gestern am Telefon. "Es reißt mir das Herz raus. Aber es muss halt sein."

Er und seine Frau Karin denken gerne an die zwar arbeitsreichen Jahre, aber dennoch viele schönen Stunden im "Räucherkammerl" zurück, etwa an die legendären Beaujolais-Donnerstage im November. Auch Hans Amler und der damalige OB Peter Schnell waren m unter den Gästen.

Brunner, ein gebürtiger Fürther, kam 1960 als Weinhändler nach Ingolstadt. Der Bundeswehrstandort Ingolstadt hatte dazu den Ausschlag gegeben. Weil er als junger Mann bei der Marine war, hatte sich Brunner vorgenommen, die Bundeswehrkantine mit Weinen aus Franken und der Pfalz zu versorgen. Als die Stadt den Viktualienmarkt ausgeschrieben hatte, hatte sich Brunners spätere Frau Karin beworben. Die Zeitschrift "Freundin" hatte damals über die 39-jährige Standbetreiberin Karin Hinhammer berichtet.

Zur Deko im "Räucherkammerl" gehören rund 40 Faschingsorden, die Heinz Brunner als Senator der Narrwalla Jahr für Jahr überreicht wurden. Auch heuer machte das aktuelle Prinzenpaar Sabina I. und Stefan I. am Krönungstag nach der Schlüsselübergabe am Standl seine Aufwartung. Auch, wenn der Chef selbst schon nicht mehr da sein konnte.

Ruth Stückle