DER INTENDANT

24.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:21 Uhr
Schätzt Mary Shelley: Knut Weber, Intendant des Stadttheaters. −Foto: Foto: Hammer

Knut Weber ist seit 2011 Intendant am Stadttheater Ingolstadt.

Nach seinem Studium der Theaterwissenschaft, Germanistik und Philosophie war er unter anderem Schauspieldirektor am Staatstheater Karlsruhe.



Herr Weber, Sie sind seit 2011 Intendant unseres Stadttheaters. Wussten Sie, dass Ingolstadt etwas mit Frankenstein zu tun hat, bevor Sie sich am Stadttheater beworben haben?
Knut Weber: Ja das wusste ich. Wenn man sich um eine Intendanz bewirbt, dann setzt man sich auch mit der Stadt auseinander, in die man geht. Dass Mary Shelley in ihrem Roman von Ingolstadt geschrieben hat, war mir bekannt, da ich damals auch den Roman gelesen habe.

Wir haben bei einer Umfrage festgestellt, dass viele Leute nicht wissen, dass Ingolstadt etwas mit Frankenstein zu tun hat. Nutzt die Stadt das Potenzial, Ingolstadt als "Frankenstein-Stadt" zu etablieren, ausreichend?
Weber: Das kann man nicht erzwingen. Die Stadt macht ja etwas, indem sie das Jubiläum "200 Jahre Frankenstein" begeht. Ich finde die Umsetzung der Stadt gut, da sich viele Kulturinstitutionen aus Ingolstadt mit dem Thema beschäftigen. Ansonsten ist es, wenn man ehrlich ist, eine Erfindung, ein Roman, eine literarische Geschichte, und da kann man nicht erwarten, dass jeder das Buch und die Handlung kennt. Aber die Filme kennen viele Menschen.

Wie setzt das Stadttheater das Thema Frankenstein um?
Weber: Wir machen vom 14. bis zum 16. Juni einen sogenannten Futurologischen Kongress. Dieser Begriff stammt von Stanislaw Lem, einem sehr berühmten polnischen Science-Fiction Autor aus dem letzten Jahrhundert. Sein Buch "Der futurologische Kongress" handelt unter anderem von künstlicher Intelligenz und um die Frage "Wie wollen wir in Zukunft leben? " Da diese Frage sehr präsent ist, haben wir sie uns auch im Stadttheater gestellt. Frankensteins Kreatur ist ja eine literarische Figur, hat eine künstliche Intelligenz und ist ein künstliches, von Menschen erschaffenes Wesen. Insofern ist das für uns eine gute Ausgangssituation, da wir uns anhand einer Figur wie Frankenstein mit dieser Frage beschäftigen können. Das machen wir an dem Ort, an dem heute über künstliche Intelligenz geforscht wird, also in der Hochschule. Wir machen da einen Tag lang Theater, zeigen Filme, hören Vorträge, diskutieren, spielen Szenen, lesen aus Büchern und Texten, hören Musik und veranstalten eine Techno-Party. Wir veranstalten ganz viel, was sich mit dem Thema Zukunft, künstliche Intelligenz und Robotik beschäftigt.

Die Zielgruppe richtet sich dann eher an junge Leute, zum Beispiel mit der Techno-Party?
Weber: Definitiv. Hört Ihr Techno? Vielleicht könnt Ihr uns ja einen Tipp für einen DJ geben.

Das Stadttheater hat, wie Sie schon erwähnten, das Spielzeitmotto "Wie wollen wir leben? ". Finden Sie es moralisch vertretbar, dass durch die Wissenschaft die Grenzen zwischen Leben und Tod verschmelzen und Menschen Gott spielen - auch im Hinblick auf die Erschaffung von Leben?
Weber: Das ist eine schwierige Frage, aber ich fürchte alles, was technisch möglich ist, wird auch in die Tat umgesetzt. Vieles von dem, was ich nicht so gut finde, wird trotzdem realisiert. Es stimmt, der Mensch tritt zunehmend an die Stelle des Schöpfers und macht die Dinge, weil er sie machen kann. Ich glaube, das Einzige, was wir tun können und müssen, ist, dass wir eine moralische Gegeninstanz bilden und sagen: "Passt auf, es ist nicht alles gut, was möglich ist! " Soweit man kann, muss auch die Wissenschaft in die Pflicht genommen werden. Unsere Aufgabe im Theater und in der Kunst ist es außerdem, dass man über die Folgen solcher Forschung nachdenkt. Früher war das die Erfindung der Atomenergie. Da hat das Theater auch Stücke über die Verantwortung der Wissenschaft erarbeitet. Wir als Theaterschaffende verstehen uns sozusagen auch als eine Einspruchsinstanz. Wir wollen solche Themen immer wieder offen zur Diskussion stellen, wir können zum Gespräch auffordern und das Nachdenken fördern. Leider ergreift oft die Wissenschaft nicht selbst die Initiative, da die Forschung und die Eigeninteressen überwiegen.

Würden Sie den Roman "Frankenstein" eher als Trivialliteratur oder als Weltliteratur einstufen? Und weshalb?
Weber: Definitiv als Trivialliteratur. Das Buch ist vom literarischen Anspruch nicht so hoch, trotzdem ist es eine super Erfindung! Dieses Buch liest man gerne, und Shelleys Figur hat Weltrang. Ich lese zum Beispiel sehr gerne Science-Fiction-Romane. Man kann nicht immer nur Literaturnobelpreisträger lesen.

Das Gespräch führten Luca Ernst, Iwen Kropmeier, Ricarda Reuß und Juliana Teltsch.