Ingolstadt
Zwischen Mammut und Mondsteinallee

Ruhiger Kulturgenuss: Wochenende der Museen zieht Besucher auch ohne Unterhaltungsprogramm an

13.09.2020 | Stand 23.09.2023, 14:06 Uhr
  −Foto: Brandl

Ingolstadt - Dieses Jahr ist alles anders: Ein ganzes Wochenende lang, statt nur eine Nacht, sind die Ingolstädter Museen geöffnet.

Aus der "Nacht der Museen" wird das "Wochenende der Museen". Der Eintritt ist kostenlos. Musik, Führungen und Unterhaltung fallen aber wegen des Infektionsschutzes aus. Stattdessen gibt es in den Museen nichts als Kunst und Geschichte zu sehen. Corona hält heuer die großen Besuchermassen aus der Museumswelt fern. Dafür genießen diejenigen, die kommen, ihren Aufenthalt in den Tempeln der Kultur in aller Ruhe.

Warteschlangen gibt es wegen der Einlassbeschränkung dennoch vereinzelt. Etwa im Deutschen Medizinhistorischen Museum, wo die Ausstellung "scheintot" letztmals zu sehen ist. Auffällig viele junge Leute wollen ab dem frühen Abend die Schau besuchen - und müssen auf der Treppe nach oben warten, bis sie hinein können.

Im Museumscafé halten sich bei Weitem nicht so viele Gäste auf wie im Jahr zuvor. Die Hygienemaßnahmen lassen das gar nicht erst zu. Renate Habiger hat sich mit ihren Töchtern Clara und Regina an einem Tisch niedergelassen. Sie sind zu einem "Mädels-Kulturabend" aufgebrochen, erzählen sie. In der Kunst- und Kulturbastei waren sie schon. Das Stadtmuseum und das Museum für Konkrete Kunst sollen folgen. "Es ist ein schöner lauer Abend und eine wunderbare Location", sagt Renate Habiger. "Ich habe auch schon Freunde getroffen", berichtet Regina. Clara, die Kunst studiert, interessiere sich vor allem für die Konzipierung der Schau, wie sie sagt. Sie habe schon viele bekannte Museen wie etwa den Louvre besucht. "Die Menge an Kunstwerken dort ist beeindruckend. Die Masse an Besuchern oft erschreckend", findet sie. Diese Nacht bietet freilich ausreichend Gelegenheit, sich jedem einzelnen Exponat gelassen zu widmen. "Der entzerrte Abend kommt gelegen", ist die Familie sich einig. Und auch die Stadt wird dafür gelobt, dass sie trotz Corona ein Programm aufbietet. "Hier bemüht sich Ingolstadt wirklich", sagt Clara.

Mehr als hundert Besucher dürften es kurz nach 21 Uhr im Stadtmuseum gewesen sein. Hier lockt die Sonderausstellung "Eiszeit" gerade Familien mit Kindern an. Die lebensgroße Rekonstruktion eines Mammuts ist freilich auch ein Blickfang für kleine und große Besucher. Der stumme Riese mit seinen gewaltigen Hauern wird ausgiebig bestaunt. In der Harderbastei ist der Künstler Max Biller vor Ort, um mit den Besuchern seiner Bilderausstellung ins Gespräch zu kommen. "Es waren schon fast 100 Leute hier", berichtet er gegen 22 Uhr. Dass das Rahmenprogramm entfällt, stört ihn wenig. "Es ist ganz angenehm, wenn es mal ruhiger zugeht und man sich auf das Wesentliche beschränkt", sagt er.

Nebenan lädt die junge Künstlergruppe der Kunst- und Kulturbastei zu einem Ausflug in die Mondsteinallee ein. Die Besucher wandern durch das dunkle Gewölbe, in dem moderne Skulpturen mit Schwarzlicht illuminiert sind. Tatsächlich fühlt man sich wie auf einen anderen Stern versetzt. Fast wirkt es, als sei man in der Kulisse eines Fantasy-Films gelandet. "Das ist phänomenal", schwärmen Esther und Edith. Die beiden Frauen interessieren sich auch sehr für die Spuren der Frühgeschichte in Ingolstadt, weshalb sie zuvor das Stadtmuseum besucht haben, um Funde aus der Keltenzeit zu entdecken.

Das Team der Bastei nimmt an diesem Wochenende Spenden für die Betroffenen der Brandkatastrophe im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos entgegen. Auch am späten Samstagabend kommen noch Leute vorbei, um Schlafsäcke und Hygieneartikel abzugeben. "Die Spendenaktion läuft sehr gut. Ein Transporter ist schon voll", sagt Organisatorin Beate Diao. Am Sonntagabend gehe es mit zwei Fahrzeugen nach Regensburg, wo die Spenden für den Transport nach Griechenland übergeben würden, berichtet sie.

Im Museum für Konkrete Kunst (MKK) an der Tränktorstraße dreht sich alles um die kürzlich eröffnete Ausstellung "Mind the Gap". Hier haben sich zwölf internationale Künstler mit ihren raumgreifenden, teils begehbaren Installationen eingebracht. Museumsleiterin Simone Schimpf ist zufrieden mit der Resonanz. "Zwischen 21 und 22 Uhr hatten wir eine Warteschlange. Jetzt ist es ein angenehmes Kommen und Gehen", beschreibt sie den Abend. Insgesamt, so schätzt sie, seien es bisher zwischen 300 und 400 Besucher gewesen. "Es war die richtige Entscheidung, und es ist toll, dass es das ganze Wochenende dauert und kostenfrei ist", findet Simone Schimpf.

Das sehen auch Samiha und Alexander Schum so, die spätabends mit ihren Töchtern Johanna und Madeleine das MKK besuchen. Die Mädchen entwerfen an einem Tisch eigene konkrete Kunstwerke mit Malstiften auf Papier. Den Eltern sei wichtig, dass ihre Kinder einen Bezug zur Kunst aufbauen, erzählen sie . Die älteste Tochter, die als Kind die Kunst- und Kulturbastei besucht habe, mache derzeit ihren Master in Design und Kommunikationsstrategie.

Brotlose Kunst sei das für sie nicht, betont Samiha Schum. "Kunst ist ein Gut, das definitiv zu würdigen ist", sagt Alexander Schum.

DK

Michael Brandl