Ingolstadt
Wenn der Duden in Quarantäne muss

Abitur in Bayern startet heute inmitten der Corona-Krise mit Deutsch - Ingolstädter Schüler erzählen, wie es ihnen damit geht

19.05.2020 | Stand 23.09.2023, 12:05 Uhr
Mehr Abstand als sonst zwischen den Tischen, der Duden frisch desinfiziert. Das ist derzeit der normale Schulalltag. −Foto: Hammer, privat

Ingolstadt - Leere Tische nebeneinander aufgereiht mit großzügigem Abstand - das ist erst einmal kein ungewöhnliches Bild zum Start der Abiturprüfungen.

 

Heute, wenn bayerische Schüler ihr Abitur im Fach Deutsch ablegen, wird trotzdem einiges anders sein als sonst. Der Abstand zwischen den Tischen wird mehr als großzügig ausfallen, mindestens 1,5 Meter sollen es sein. Und das ist nicht die einzige Schutzmaßnahme, um Schüler und Lehrer vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus zu schützen.

Schon vor einiger Zeit haben Schüler des diesjährigen Abiturjahrgangs unserer Zeitung erzählt, wie sie sich in den Zeiten des digitalen Unterrichts vorbereiten und ob sie sich vorstellen können, in diesem Jahr überhaupt Abitur zu schreiben. Nach mühsamen, bundesweiten Diskussionen kam die Entscheidung: das Abitur in Bayern findet statt. Heute ist es soweit.

 

Michael Brandstetter vom Reuchlin-Gymnasium sagte dem DK damals, dass er lieber eine verschobene Abi-Prüfung hätte als gar keine. Jetzt unmittelbar davor steige zwar die Anspannung. "Aber ich bin soweit noch ganz gelassen. " Man sei nun an einem Punkt angelangt, an dem man die Prüfungen hinter sich bringen wolle. Das sieht auch Selina Bock aus der Q12 des Apian-Gymnasiums so: "Noch bin ich nicht aufgeregt, eher froh, dass es endlich losgeht und ich mein Abitur schreiben kann. "

Seit 27. April sind die Abschlussklassen der weiterführenden Schulen wieder zurück in ihren Klassenzimmern gewesen - Zeit, noch einmal den Stoff zu wiederholen und gemeinsam mit ihren Lehrern Unklarheiten aus dem Weg zu räumen. "Es hat auf jeden Fall geholfen, in den Fächern, in denen wir schriftliches Abitur machen, Wichtiges mit unseren Lehrern zu besprechen", sagt Michael Brandstetter. Dass er nochmal alle Mitschüler, Freunde und Lehrer gesehen hat, freut den 18-Jährigen: "Das finde ich persönlich gerade in dieser Zeit sehr wichtig. " So geht es auch seiner Mitschülerin Mona Vasiu, die ebenfalls die Q12 des Reuchlin-Gymnasiums besucht. "Es tat gut, seine Freunde mal wieder in ,real life' zu sehen, wenn auch mit Sicherheitsabstand. " Katharina Streller vom Katharinen-Gymnasium sagt, sie sei dankbar, dass sie vor den Prüfungen noch einmal in die Schule zurückkehren konnte. "Wir waren ausschließlich in kleinen Kursen, wo wir viele Fragen stellen konnten. Das hat sehr geholfen. "

 

Inhaltlich fehlt den Abiturienten nichts - trotz der Ausnahmesituation der vergangenen Wochen - da sind sie sich einig. Die drei Wochen in der Schule seien genutzt worden, um Lücken zu schließen. "Und unsere Lehrer haben versucht, uns über E-Mail so gut es ging vorzubereiten, sodass ich mich nun ziemlich sicher fühle", sagt Selina Bock. Dass man sich aber trotzdem noch einmal persönlich mit den Lehrern austauschen konnte, sei dennoch wichtig gewesen. Das meint auch Mona Vasiu: "Fragen noch einmal persönlich zu stellen, ist besser als nur per Mail. "

Die vergangenen Wochen waren nicht einfach für die angehenden Abiturienten: "Während der Vorbereitungszeit gab es schon auch mal Tiefpunkte", sagt Katharina Streller. Selina Bock meint:"Es gab Zeiten, während denen ich aufgrund der ganzen Ungewissheit gar keine Motivation hatte zu lernen. Immerhin wussten wir nie, wann und wie es weiter geht. " Aber sie habe die Zeit trotzdem genutzt und fühle sich gut vorbereitet.

 

An ihrer Schule, glaubt Selina Bock, werde es heute tatsächlich etwas anders laufen als all die Jahre zuvor: "Am Apian-Gymnasium wurden die Prüfungen sonst immer in den Klassenzimmern geschrieben, dieses Jahr finden sie in der Turnhalle statt. " Für die Prüfungssituation werde das aber wohl keinen großen Unterschied machen.

Die anderen glauben, dass die Umstände nicht groß anders sein werden. "Und wenn, kann man vermutlich problemlos damit umgehen", meint Michael Brandstetter. Die Leiterin seiner Schule, Edith Philipp-Rasch, erklärt, welche Vorkehrungen am Reuchlin-Gymnasium getroffen wurden: Die 88 Schüler werden in diesem Jahr nicht auf zwei, sondern auf fünf Räume verteilt Abitur schreiben. Wer während der Prüfung die Toilette nutzt, muss seine Unterlagen nicht wie sonst an den Lehrer übergeben, sondern legt sie selbst auf einen dafür vorgesehenen Tisch und holt sie dort wieder ab.

 

"Und unsere Duden, die wir für die Deutschprüfung bereitstellen, sind vorher desinfiziert worden und waren in Quarantäne", sagt Philipp-Rasch.

Für die Deutsch-Prüfung steht also alles bereit. Es wird allerdings neue Aufgaben geben, denn in einem Bamberger Gymnasium sind am Montag die Prüfungsunterlagen gestohlen worden. Jetzt mussten sie im ganzen Freistaat ersetzt werden. "Die Prüfung kann durch so einen Diebstahl auf jeden Fall nicht verhindert werden", meint Philipp-Rasch zu dem Vorfall. Am Dienstag, 26. Mai, folgt das Mathe-Abitur, und Ende Juni werden die Abiturienten auch das Kolloquium hinter sich haben.

Bei den Feierlichkeiten werden die Auswirkungen der Corona-Pandemie sicherlich auch zu spüren sein, glaubt Michael Brandstetter: "Einen herkömmlichen Abischerz werden wir wohl nicht machen können, das ist schon ein wenig traurig. "

DK

 

Laura Csapó