Per Rad durch den Lockdown

IN-City hat für lokale Gastronomen einen Lieferservice organisiert

15.11.2020 | Stand 23.09.2023, 15:27 Uhr
Prompte Lieferung: Elisa Merkel ist die Projektmanagerin von Order Local bei IN-City. Sie hat einen Kurierservice für die lokale Gastronomie organisiert. Den nutzen unter anderem Philipp Tröger und sein Team vom Saftladen in der Theresienstraße. −Foto: Hauser

Ingolstadt - Die Gastronomiebranche ist - neben der Kulturszene - vom zweiten Corona-Lockdown zweifellos besonders getroffen: Gäste dürfen nicht im Lokal bewirtet werden, Gerichte nur zum Abholen angeboten oder geliefert werden. Nicht jeder Gastronom hat freilich die Kapazität, Speisen und Getränke quer durch die Stadt zu fahren.

 

Der Innenstadtverein IN-City bietet mit seiner Plattform Order Local deswegen seit dem 5. November einen Fahrrad-Lieferservice an. Er ist als Lockdown-Soforthilfe für die lokale Gastronomie zu verstehen, teilt IN-City mit.

Projekt-Managerin bei Order Local ist Elisa Merkel, die seit einigen Tagen auch selbst als Rad-Kurierin in der Stadt unterwegs ist. Jedes Restaurant, das sich beteiligen will, bekommt einen Radler zugeteilt, der Bestellungen im Umkreis von fünf Kilometern Luftlinie ausfährt. Ein Service, den das Team von Order Local den Wirten derzeit noch kostenlos anbietet. "Es ist ja auch eine Notsituation im Augenblick", sagt Merkel. Gerade arbeitet man bei Order Local an einem Konzept, um auch dem Einzelhandel einen Lieferservice anbieten zu können. "Wenn es auch da zu einem Lockdown kommt, wollen wir vorbereitet sein", erklärt die 25-Jährige. Dabei setzt das Team von Order Local auf das Fahrrad oder denkt über Kooperationen mit Unternehmen nach, die ohnehin Kuriere auf der Straße haben. "Uns ist es wichtig, nachhaltig zu sein", erklärt die Projektmanagerin, die seit September fest bei IN-City beschäftigt ist. Zuvor arbeitete die Ingolstädterin in München, ist aber gerne in ihre Heimatstadt zurückgekommen. "Es gibt hier so viel Potenzial", ist sie überzeugt. Für ihre Masterarbeit im Fach Automotive und Mobility Management untersucht sie aktuell, wie das City-Ticket von IN-City auch einen Mehrwert für Radler und Fußgänger bekommen könnte.

Der Innenstadtverein lässt sich das Liefer-Angebot einiges kosten. Investiert wurde in Lieferrucksäcke, in denen sich Speisen lange warm halten, und den einen oder anderen Fahrradhelm und Radbeleuchtung für die Lieferanten. IN-City sucht deswegen noch nach Sponsoren. Die Fahrrad-Kuriere bekommen einen Stundenlohn von 15 Euro, sagt Merkel. "Sie sind bei Wind und Wetter unterwegs, und aus fünf Kilometern Luftlinie können auch schon mal recht lange Touren werden."

Für den Kunden kostet eine Fuhr 3,90 Euro. "Wir wollen den Kunden schon auch zeigen zeigen, dass Service etwas kostet", erklärt Merkel. Manche Gastronomen übernehmen die Summe für ihre Kunden allerdings. Vor allem solche, die eher günstige Speisen anbieten. Einen Mindestbestellservice gibt es beim Fahrrad-Lieferservice nicht.

 

Unter anderem nutzt das Team vom Saftladen in der Theresienstraße das Angebot. Philipp Tröger hat das vegetarische Lokal mit vier WG-Mitbewohnern am 22. September eröffnet. Rund fünf Wochen später kam der Lockdown. "Das ist natürlich alles andere als ideal", sagt er. "Es ist für uns nämlich sehr gut angelaufen." Jetzt, ohne Außenbestuhlung und nur mit To-Go-Kundschaft, könne das Team gerade mal die Fixkosten für seinen Saftladen bestreiten. "Einen Lieferservice könnten wir uns gar nicht leisten", sagt Tröger. Das Angebot von IN-City sei deswegen ein "ganz wunderbar".

Auch Martin Müller schätzt das Angebot. Er betreibt das Mooshäusl und das Restaurant in der Spitzlmühle, Lokale also, die nicht im Stadtzentrum liegen. "Ich habe deswegen tatsächlich selber daran gedacht, einen Lieferservice einzurichten", sagt er. "Aber es ist sehr viel Aufwand und mit hohen Kosten verbunden." Besonders gut gefällt ihm, dass die Order-Local-Initiative so nachhaltig wie möglich arbeiten will. "Ein Fahrrad ist viel besser, als wenn ein bunt beklebter Liefer-Kleinwagen mehr kreuz und quer durch die Stadt fährt", findet er. Er hat sich deswegen auch um Lieferbehälter aus recycelbarem Material bemüht "und nicht einen 1000er-Pack Alu-Schüsseln mit Deckel besorgt".

Essen zum Mitnehmen, Lieferservice, Pappgeschirr - der Lockdown verändert offensichtlich auch die Tischkultur, sagt Müller. "Das Essengehen als Erlebnis fällt derzeit natürlich weg", sagt der Wirt. Gut möglich, dass so mancher Kunde derzeit auf den Geschmack kommt, und auch in Zukunft sein Abendessen häufiger auf der heimischen Couch oder das Mittagessen am Arbeitsplatz einnimmt und nicht mehr im Restaurant. Müller sieht allerdings doch einen gewissen Unterschied zwischen den bekannten Lieferdiensten und dem Order-Local-Service. "Nichts gegen eine gute Pizza, aber hier bekommt man auch mal einen Tafelspitz geliefert, ein Tartar, Matjes oder einen guten Braten - so was macht man sich ja auch nicht mal schnell selber daheim." Gutes Essen daheim nicht selber kochen zu müssen, kann für Corona-geprüfte Familien eine gute Alternative sein, ist er überzeugt. Als Kompromiss zwischen Liefern und selber Kochen bietet er mittlerweile unter anderem Entengerichte an, die "nur zu rund 80 Prozent fertig" sind. Wer sich ein solches Stück bringen lässt oder abholt, kann es sich dann daheim "fertigbrutzeln", sagt Müller. "Und für die Kinder gibt's dann halt noch Spätzle mit Soß' dazu." In dem Lieferservice sieht Müller deswegen durchaus auch eine Chance für anspruchsvolle Gastronomen und ihre Kunden - vielleicht sogar über Corona hinaus.

DK

 

Johannes Hauser