Debatte kocht nur kurz hoch
Impf-Situation in Ingolstadt: Streit und Versöhnung

Ab Mittwoch wieder Impfungen nur nach Termin

29.11.2021 | Stand 23.09.2023, 22:03 Uhr
Es geht langsam voran: Die Menschenschlange vor dem Impfzentrum im Donau-City-Center am Montag. −Foto: Hammer

Ingolstadt - Man muss es gar nicht mehr als Nachricht schreiben, es bekommt ohnehin jede und jeder mit: Im Schatten der sich erneut auftürmenden Corona-Welle liegen die Nerven vieler Menschen blank. Vor allem in den langen und immer längeren Schlangen, die sich derzeit in der Dezemberkälte vor den Impf- und den Testzentren aufstauen.

CSU und Freie Wähler (FW) nehmen das zum Anlass, um in einem Schreiben am späten Sonntagabend Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD) aufzufordern, die Corona Test-und Impf-Organisation "zur Chefsache zu machen". "Bei den aktuellen Temperaturen, bei Regen und Schneefall ist es nicht zumutbar, dass Menschen stundenlang auf einen Corona-Test warten müssen oder auf die Möglichkeit, sich zu impfen", so Stefan Huber, Kreisvorsitzender der CSU Ingolstadt.

Oberbürgermeister antwortet noch in der Nacht

Noch in der Nacht zeigte sich Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD) empört über die Aufforderung von CSU und FW und reagierte prompt in einem harschen Antwortschreiben: Das Herunterfahren der Impf-Kapazitäten hätte nicht die Stadt Ingolstadt, sondern die CSU/FW-Staatsregierung zu verantworten. Er warf den politischen Konkurrenten vor, auf populistische Art Kapital aus der Krise zu ziehen.

Am Montagvormittag kamen dann - wie bereits vergangene Woche vereinbart - der Oberbürgermeister und weitere Vertreter der Stadt mit Vertretern des Roten Kreuzes als Betreiber der Impfstation im Ingolstädter Rathaus zusammen, um das weitere Vorgehen in Sachen Impfen festzulegen. Die genauen Maßnahmen und Abläufe werden bis spätestens zum heutigen Dienstag erarbeitet und sollen noch am späten Dienstagvormittag der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Ein Dringlichkeitsantrag der Freien Wähler (FW), im Süden ein zusätzliches Impfzentrum zu errichten, wird in den kommenden Tagen im Stadtrat behandelt. Flugs zeigten sich CSU und FW wieder versöhnt und dankten noch am Montagnachmittag dem OB für sein schnelles Handeln.

Von den Maßnahmen wurde bereits jetzt bekannt, dass im Impfzentrum im Donau City-Center wieder auf eine Impfung mit Terminvergabe umgestellt werden wird; entsprechend wird die Zahl der Impftermine erhöht. Termine können über das bayernweite Impfportal (https://impfzentren.bayern) gebucht werden; eine Terminbuchung vor Ort ist nicht möglich. Für Fragen steht die Hotline des Impfzentrums unter (0841) 933388 zur Verfügung (Montag bis Freitag, 9 bis 16 Uhr). Bei hoher Anrufdichte kann es gegebenenfalls zu Wartezeiten kommen.

Außerdem soll wohl noch diese Woche am Audi-Sportpark eine "Drive-In-Impfstation" entstehen, in der man sich impfen lassen kann, während man im Auto sitzen bleibt; der Impf-Bus vor dem Westpark soll in feste Räume im Gebäude umziehen, wohl ebenfalls bereits im Lauf der Woche. Die beiden letzteren Impf-Stationen haben wochentags von 10 bis 17 Uhr geöffnet; die im Westpark zusätzlich am Samstag von 12 bis 19 Uhr. Das Impfzentrum im Donau City Center hat Montag bis Mittwoch von 8.30 bis 16 Uhr offen, donnerstags und freitags von 12 bis 19 Uhr und samstags von 8.30 bis 16 Uhr. Die von der "großen Politik" lange übersehenen Probleme sind aber damit nicht gelöst, wie Scharpf in seiner Stellungnahme zu den Impfzentren ausführt: "Die Inzidenzen steigen, das Impfzentrum muss mühsam hochgefahren werden, und die Altersgrenze beim Boostern wird von der Stiko von 70 auf 18 Jahre abgesenkt, und die Wartezeit für die Auffrischungsimpfungen wird von der Staatsregierung über Nacht von sechs auf fünf Monate abgesenkt; gleichzeitig kommt die Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur, Kinder ab fünf Jahren zu impfen, und zu guter Letzt ist eine steigende Impfbereitschaft derjenigen zu verzeichnen, die sich endlich das erste Mal impfen lassen wollen. Gleichzeitig werden Impfstoffe aber rationiert, nicht nur von Biontech, sondern mittlerweile auch bei Moderna. Unser Impfzentrum erhält aktuell nur etwa die Hälfte der Dosen, die bestellt worden sind. Daraus lässt sich leicht ablesen: Das ist die Quadratur des Kreises und kann so nicht funktionieren", so Scharpf wörtlich.

Weitere Testangebote bringen Entspannung

Dazu kommen die von Huber angesprochenen Probleme beim Testen: Die inzwischen für ungeimpfte Arbeitnehmer täglich obligatorischen und bei 2G-plus-Sportarten oder Veranstaltungen auch für Geimpfte vorgeschriebenen Corona-Tests nehmen vor allem private Teststationen ab. Laut Stadt ist aber Entspannung in Sicht: Nach der Wiedereinführung der kostenfreien Bürgertests hätten die derzeit rund 20 kommerziellen Anbieter im Stadtgebiet und auch Ingolstädter Apotheken ihr Angebot deutlich ausgedehnt; auch Hilfsorganisationen haben weitere Testangebote angekündigt.

KOMMENTAR

Es ist schwer zu verstehen, was sich CSU und Freie Wähler mit ihrer Attacke gegen Scharpf gedacht haben. Wir erleben die dramatischste Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg - und die einstigen Stadtratspartner instrumentalisieren diese Katastrophe für ein pseudooppositionelles Manöver. Vielleicht, weil sie sonst nichts gegen den OB finden?
Die Wut der Bürger über die schlechte Organisation beim Impfen und Testen besteht zurecht und kocht langsam über. Aber sachlich unkorrekte Schuldzuweisungen machen alles nur noch schlimmer. Das gleicht billiger Söder-Polemik, auf die kein Mensch mehr reinfällt. Stefan Huber hoffte vielleicht, sich mit dem Vorstoß als neuer CSU-Kreisvorsitzender zu profilieren. Doch damit hat er ein peinliches Eigentor geschossen. Das BRK als Betreiber des städtischen Impfzentrums hätte längst ein Nummern-System einführen können, um die Warterei erträglicher zu machen. CSU-Parteikollege Alfred Grob ist BRK-Kreisvorsitzender: Warum hat er nichts unternommen oder mit dem OB Auswege aus dem Chaos gesucht?

Wer mit dem Thema Corona zündelt, riskiert einen Flächenbrand. Keiner will, dass auch bei uns irgendwann randalierende Horden durch die Stadt ziehen wie bei einigen europäischen Nachbarn.

Suzanne Schattenhofer

Markus Schwarz