Reichertshofen
"Haben es nicht mehr in der Hand, ob wir es schaffen"

Corona und Existenzsorgen: Was die Krise für viele Gewerbetreibenden bedeutet

07.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:31 Uhr
Brigitte und Harald Meier. −Foto: Vogl

Reichertshofen - Die Lichter sind aus, die Läden geschlossen.

 

In Reichertshofen und Umgebung steht wie überall bis auf wenige Ausnahmen alles still. Das Coronavirus gefährdet die Menschen nicht nur gesundheitlich - es gefährdet auch wirtschaftliche Existenzen. Wie lange ist der Stillstand für die Unternehmen noch machbar? Was bedeutet die Krise für sie persönlich? Darüber haben wir mit fünf Unternehmern aus Reichertshofen und Pörnbach gesprochen.

Harald Meier, "Salon Meier", Obermeister der Friseur- innung aus Reichertshofen, mit Ehefrau Birgit:"Wir haben jetzt vier Wochen im Zuge der Corona-Krise geschlossen. Bisher hatten wir noch nie so lange zu, nicht mal für große Umbauten. Uns geht es nicht so besonders - weder wirtschaftlich noch mental. Die Kollegen und Kunden fehlen einem schon sehr. Wirtschaftlich ist es ohnehin ein Desaster. Die Margen in unserem Gewerk sind leider nicht so hoch angesetzt, dass man Kosten, die auf zwölf Monate verteilt sind, so einfach in elf erwirtschaften kann. Aktuell ist die Lage so, dass wir Lohn und Kurzarbeitergeld aus unserem Konto bedienen, und das Kurzarbeitergeld irgendwann von der Agentur für Arbeit wieder bekommen. Die Lösung ist aber für mich noch okay. So kann ich wenigstens sicherstellen, dass meine Mitarbeiter auch pünktlich ihren Lohn bekommen. Unterstützen kann uns jeder, der auf seinen Friseur wartet und keine illegalen Dienstleistungen in Anspruch nimmt. Der die Geschenkgutscheine, die er bislang im Salon erworben hat, nun online bestellt. Und der sich die Haare nicht selbst färbt. Meist entsteht dadurch eher ein größeres Problem und keine Lösung. "

Christian Schiebel, Spargel Schiebel aus Pörnbach:"Die Krise hat uns ganz am Anfang der Spargelsaison getroffen. Normalerweise ist das eine Zeit, wo wir voller Freude und motiviert in die neue Saison gehen. Wir wissen, dass die nächsten Monate intensiv werden, denn in dieser Zeit wird normalerweise der ganze Jahres-Umsatz generiert. Unser Problem ist, dass wir, wie alle anderen Landwirte mit Sonderkulturen in Deutschland, auf die Saisonarbeitskräfte hauptsächlich aus Osteuropa angewiesen sind. Und jetzt dürfen sie nicht in gewohntem Maß zu uns kommen. Wir haben momentan 50 von 250 geplanten Mitarbeitern am Hof. Das bedeutet aber, dass wir die Ernte nicht holen können. Es haben sich auch viele Leute aus der Nähe zum Helfen gemeldet. Wir haben es die ganze Woche über probiert und festgestellt, dass viele Leute körperliche Arbeit nicht gewohnt sind. Diese können wir leider nicht im gewohnten Umfang einsetzen. Die größte Unterstützung für uns ist, wenn die Leute bei uns von Ort einkaufen, mit Wertschätzung für unsere Erzeugnisse, und für die Arbeit, die die Landwirte zusammen mit den Mitarbeitern leisten. Wir bekommen auch jeden Tag sehr viel positive Energie von allen, die uns unterstützen, zum Beispiel von Freiwilligen, die uns Gesichtsmasken genäht haben. Für unseren Kunden bieten wir kontaktlose Spargelabholung vor unserem Hofladen oder zwei Mal pro Woche Lieferservice innerhalb des Landkreises Pfaffenhofen - bei Bestellungen im Wert ab 30 Euro. "

Christian Reichart, Fröhlich-Wirt aus Langenbruck:"Die Krise wirkt sich ganz extrem auf unser Hotel- und Gaststättengewerbe aus. Schon vor der offiziellen Schließung gab es eine ganze Flut von Stornierungen. Wir haben es jetzt nicht mehr in der Hand, ob wir es schaffen. Es liegt daran, wie lange dieser Zustand jetzt noch dauert, welche Hilfen es gibt und wie schnell das Geld da ist. Unsere Angestellten sind derzeit auf Kurzarbeit oder in ruhenden Arbeitsverhältnissen. Der Azubi und ich kümmern uns um das Abendgeschäft. Wir bieten derzeit wochentags abends und am Sonntagmittag einen Mitnahmeservice an. Dieser wird bisher gut angenommen. Natürlich erreichen wir damit bei weitem nicht die Umsätze, wie wenn das Lokal offen hätte. Wir freuen uns, wenn uns die Leute weiterhin unterstützen und unseren Mitnahmeservice in Anspruch nehmen. "

Georg Schweigard, Inhaber/ Geschäftsführer Modehaus Schweigard, Reichertshofen:"Wir haben nun seit 18. März geschlossen. Wie lange, ist derzeit nicht abzusehen. Unser Geschäft lebt von Beratung und von persönlichen Beziehungen, und das ist derzeit leider nicht möglich. Da wir unsere Modeberaterinnen momentan nicht beschäftigen können, haben wir Kurzarbeit angemeldet. Als gut aufgestelltes Familienunternehmen haben wir ausreichend Rücklagen gebildet und erhalten keine staatlichen Hilfen, werden sie aber demnächst beantragen müssen.

Wir hoffen, dass die Kunden uns und den kleinen mittelständischen Unternehmen die Treue halten. Am meisten können die Kunden uns unterstützen, wenn sie nicht bei den großen Online-Konzernen einkaufen, sondern später wieder bei uns. Wir würden auch Ware, zum Beispiel aus unseren Schaufenstern, liefern, und versenden auch Geschenkgutscheine. Telefonisch sind wir immer erreichbar. "

Felix Endres, Veranstalter und Unternehmer aus Winden am Aign:"Alle unsere geplanten Veranstaltungen sind bis auf weiteres abgesagt beziehungsweise in den Herbst verschoben worden. Das betrifft das Foodtruck-Festival in Reichertshofen und das Partyschiff "El barco loco" in Kelheim. Für das Partyschiff hatten wir bereits viele Tickets im Vorfeld verkauft. Ich habe fast ein dreiviertel Jahr in die Organisation und Planung dieser beiden Events gesteckt. Dieses Jahr hätte auch alles, was wir uns vorgenommen hatten - mit Live-Band und vielen mehr - geklappt. Für uns ist es ein herber Rückschlag, dass wir alles verschieben müssen. Marketing-Ausgaben und weitere Ausgaben sind auch bereits getätigt und verbrannt.

Für unsere Veranstaltungen gibt es jetzt Ersatztermine im Herbst. Das Reichertshofener Foodtruck-Festival soll am 5. und 6. September stattfinden. Die Leute können uns unterstützen, indem sie unsere Veranstaltungen im Herbst mit noch mehr Motivation besuchen. Und indem sie sich an die Vorgaben der Regierung halten, damit die Krise möglichst schnell überwunden ist. Ich bin trotzdem optimistisch, dass es steil bergauf geht, wenn die Krise wieder vorbei ist. " 

DK

Verena Vogl