Ingolstadt
"Einzige Möglichkeit, aus dem Schlamassel rauszukommen"

Auch die Hausärzte packen beim Impfen gegen das Coronavirus mit an - viele in zusätzlichen Sprechstunden

15.04.2021 | Stand 23.09.2023, 18:00 Uhr
Impfen beim Hausarzt: In der Praxis von Natalie Safarli impft gerade die Internistin Barbara Spreitz - hier ihren Patienten Alois Zellner. −Foto: Safarli

Ingolstadt - Die Telefone in den Praxen stehen nicht still.

 

Seit zwei Wochen unterstützen auch die Hausärzte beim Impfen gegen das Coronavirus. Ihre Erfahrungen sind bislang gut, wie unsere Zeitung im Gespräch mit mehreren Hausärzten erfahren hat. Der Beratungsbedarf allerdings - insbesondere beim Impfstoff von Astrazeneca - sei groß. Die meisten verabreichen die Impfung deshalb in zusätzlichen Sprechstunden. "Es ist ein Riesenaufwand", sagt Marco Münninghoff. Denn anders als bei herkömmlichen Impfungen, etwa gegen Tetanus, gebe es hier viele individuelle Fragen.

Noch sind die Dosen, die Hausärzte verabreichen können, überschaubar. Bei Münninghoff in seiner Praxis am Münster waren es anfangs zwei Ampullen Astrazeneca. Eine ist normalerweise für zehn Dosen gedacht, "wir haben aus jeder elf rausgekriegt", erzählt der Mediziner. Letzte Woche habe er 30 Dosen Biontech verimpft. "Die sind schnell weggegangen. " Diese Woche werden es genau so viel. Sobald der mRNA-Impfstoff von Biontech an die Bezugsapotheke ausgeliefert ist, muss er innerhalb von 120 Stunden verimpft sein. In der Spritze aufgezogen hält er nur sechs Stunden.

Das Vakzin von Astrazeneca könnte im Kühlschrank ein halbes Jahr gelagert werden. Er wäre für die Anwendung in den Praxen damit eigentlich besonders geeignet. Doch das Hin und Her um die Altersfreigabe und die Debatte um zwar sehr seltene, dafür umso schwerere Nebenwirkungen hat für Verunsicherung gesorgt. "Wir müssen versuchen, den schlechten Nimbus von Astrazeneca wegzukriegen", sagt Münninghoff nicht zuletzt vor dem Hintergrund der steigenden Infektionszahlen. Impfen sei "die einzige Möglichkeit, aus dem Schlamassel rauszukommen. "

"Bei den steigenden Infektionszahlen kann man nur hoffen, dass man mit den Impfungen weitere schwere Verläufe verhindert", meint auch die Ärztin Natalie Safarli, die die Praxis von Harald Renninger übernommen hat. Sie hat erst diese Woche mit dem Impfen begonnen. "Wir haben insgesamt 18 Dosen Biontech/Pfizer bekommen. " Die ersten zwölf hat sie am Mittwoch verimpft, die restlichen sechs kommen am Freitag dran. "Es melden sich alle Altersgruppen, jedoch empfehlen wir parallel die Anmeldung in den Impfzentren, da wir mit unserer Priorisierung ganz oben anfangen müssen", betont sie. "Selbst im Privatbereich werden wir Ärzte gefragt, ob wir ,nicht was übrig' haben. "

Doch auch sie hat beobachtet: Viele Patienten stehen Astrazeneca skeptisch gegenüber. "Wir haben unsere erste Impfung mit Astrazeneca bekommen und werden mit der zweiten Impfung mit Biontech warten, bis die neue Studie in England erscheint Ende April", sagt die Ärztin über sich und ihr Praxisteam. "Wir halten uns streng an die Vorschrift, keine unter 60-Jährigen damit zu impfen. " Auch, wenn viele Jüngeren damit kein Problem haben, wie die Sonderaktion im Impfzentrum zeigt (siehe Artikel oben).

"Unverständnis und Verwunderung" hat unterdessen eine Aussage des Ingolstädter Arztes Anton Böhm im DK über mangelnde Impfbereitschaft bei seinen russlanddeutschen Patienten beim Ingolstädter Kreisverband der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland ausgelöst. "Wir sind nicht der Meinung, dass man Impfbedenken nur einer Volksgruppe zuweisen kann, da das in unseren Augen nur zu unnötigen und nicht gerechtfertigten Vorverurteilungen führen kann, die in dieser außergewöhnlichen Situation, keinem dienlich sein wird", erklärt der Verband. Aktuell herrsche eine allgemeine Verunsicherung, die der täglichen Flut an Informationen geschuldet sei. Der Vorsitzende des Kreisverbandes, Facharzt Johannes Hörner, könne in Beratungen an vier Standorten davon berichten, dass er "sehr wohl die Bereitschaft zur Impfung seiner Patienten erkennen kann, unter diesen sich auch Deutsche aus Russland befinden". Nicht die Nationalität oder Volkszugehörigkeit spiele hier eine entscheidende Rolle, sondern "die Qualität der Beratung".

DK

Ruth Stückle