Ingolstadt
"Die Leute sind verunsichert"

Hausarzt Anton Böhm berichtet über mangelnde Impfbereitschaft - und schreibt erneut Brandbrief an Markus Söder

11.04.2021 | Stand 15.04.2021, 3:33 Uhr
Impfen ist nicht nur im Impfzentrum, sondern auch beim Hausarzt möglich. −Foto: Schwarz

Ingolstadt - Seit gut einer Woche wird neben den Impfzentren auch in bayerischen Hausarztpraxen gegen das Corona-Virus geimpft.

 

Noch hält sich das Vakzin, das den Ärzten zugeteilt wird, in Grenzen. Vergangene Woche seien in seiner Praxis in der Goethestraße etwa 80 Impfungen mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer durchgeführt worden, sagt der Ingolstädter Arzt Anton Böhm, der in seinen Hausarztzentren fünf Praxen betreibt. Doch der Beratungsbedarf sei groß. Selbst unter den älteren, schwer kranken Menschen, "Hochrisikopatienten, die dringend geimpft werden müssten", halte sich die Impfbereitschaft in Grenzen, schildert der Arzt seine Beobachtung in den jüngsten Tagen. Auffallend sei dies bei den russlanddeutschen Patienten. Fast alle, die von der Praxis angerufen worden seien, hätten abgelehnt. Und er rede von Biontech.

"Die Leute sind verunsichert", sagt Böhm. Er hat in seiner Praxis bereits am 30. März mit dem Impfen begonnen und 20 Patienten Astrazeneca verabreicht. "Keine Frau unter 55", hatte der Arzt aufgrund der Diskussion um insbesondere bei jüngeren Frauen in Einzelfällen aufgetretener seltener Hirnvenenthrombosen von sich aus angeordnet. Noch am selben Tag, einige Stunden später, hatte die Ständige Impfkommission den Impfstoff nur noch für ab 60-Jährige empfohlen.

Der Impfstoff sei "zackig weggegangen". Das Motto vieler: Hauptsache ich bin geimpft. Allerdings sei der Beratungsaufwand insbesondere bei dem ins Gerede gekommenen Vakzin von Astrazeneca groß, obgleich die Erfahrungen in seiner Praxis damit - an die richtigen Leute verimpft - gut seien. Die Wirksamkeit sei schon nach der Erstimpfung groß. Böhm hat sich - noch zu einem Zeitpunkt, zu dem Astrazeneca für unter 60-Jährige empfohlen war - obgleich über der damals geltenden Altersgrenze selbst mit Astrazeneca impfen lassen.

Der Plan, dass Astrazeneca künftig nicht mehr in Impfzentren, sondern nur noch in Hausarztpraxen verimpft werden soll, ist für den Arzt und SPD-Stadtrat Anton Böhm Anlass, erneut einen Brandbrief an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und Gesundheitsminister Klaus Holetschek zu verfassen. Sein mittlerweile "sechster oder siebter'" seit Beginn der Corona-Pandemie, so ganz genau weiß das der Arzt gar nicht mehr. "Nicht, dass dieser Impfstoff an sich schlecht wäre, im Gegenteil", schreibt Böhm. Astrazeneca sei "ein gleichwertig wirksamer Impfstoff mit relativ wenig Nebenwirkungen, wenn er an die richtige Bevölkerungsgruppe verimpft wird". Es gebe hierfür große Statistiken (16,7 Millionen Dosen mit etwa 0,00035 Prozent Nebenwirkungen), solche Statistiken gebe es für den Impfstoff von Moderna nicht in annähernden Zahlen. Dennoch: Diesen "übriggebliebenen und schlecht geredeten Impfstoff nun allein den Hausärzten aufzudrängen und damit die Diskussionen unter Ausnutzung unserer guten Arzt-Patienten-Beziehung in die bayerischen Praxen zu verlagern, ist bereits der zweite Affront der bayerischen Politikerelite", so Böhm. Die Hausärzte "sollen nun für 20 Euro pro Impfung samt Aufklärung, Diskussion und Nachbeobachtung, das durchführen, was im Impfzentrum bisher jeweils etwa 300 Euro Kosten verursachte. Auch wir haben ein Recht darauf, mit dem Impfstoff beliefert zu werden, den wir mit dem Impfrezept in der Apotheke ordern! Es war bereits ein Affront, die niedergelassenen Ärzte von der bisherigen Impfkampagne auszuschließen", schreibt der Arzt an Söder. Andere Länder hätten "mit den niedergelassenen Ärzten*innen zusammengearbeitet und deutlich schnellere und bessere Erfolge damit erreicht". Seiner Meinung nach hätte es "die unerhört teuren Impfzentren gar nicht gebraucht".

Hat Söder je auf eines der Schreiben Böhms geantwortet? "Er selbst nicht", so der Arzt. Meist seien "beschwichtigende, nichtssagende Antworten" aus dem Ministerium gekommen. "Aber ich weiß, dass er sich darüber ärgert. Das ist mir mitgeteilt worden. "