Ingolstadt
Amerika in schwierigen Zeiten

Erfreuliches und Ernüchterndes: Zwei junge Leute berichten von ihrem über den Bundestag organisierten Stipendium-Aufenthalt in den USA

28.07.2020 | Stand 02.12.2020, 10:52 Uhr
Vor einem Jahr trafen sich Mehmed Elias Ekinci (links) und Tina Wolfsmüller (rechts) vor ihrer Abreise in die USA mit dem Bundestagsabgeordneten Reinhard Brandl schon einmal zum Gespräch in der Stadt. Jetzt gab es ein Wiedersehen. Mit dabei war auch Helena Frank, die voraussichtlich ab Januar das Austauschprogramm absolviert, wenn die Corona-Krise es zulässt. −Foto: Brandl

Ingolstadt - Schneller als erwartet kehrten Tina Wolfsmüller aus Wolfsbuch im Landkreis Eichstätt und Mehmed Elias Ekinci aus Neuburg von ihrem Aufenthalt in den USA zurück.

 

Die Mechatronikerin, die bei Audi arbeitet und der Schüler vom Descartes-Gymnasium wurden 2019 von Reinhard Brandl (CSU), Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Ingolstadt, für ein Auslandsaufenthaltsstipendium des Parlamentarischen Patenschafts-Programms (PPP) des Deutschen Bundestages ausgewählt. Ein knappes Jahr hätten sie in den Vereinigten Staaten zur Weiterbildung verbringen dürfen, wäre nicht Corona dazwischengekommen.

Vergangenen August brachen die jungen Leute auf, im März landeten sie - nachdem das Programm wegen der Pandemie abgebrochen werden musste - wieder auf deutschem Boden. Etwa vier Monate eher als geplant. Jetzt kamen sie und Brandl erneut zusammen, um über ihre Eindrücke und Erfahrungen zu berichten. Diese gestalteten sich trotz des verkürzten Trips vielfältig und hielten im Fall von Wolfsmüller sogar einige unvorhergesehene Überraschungen bereit. Ihre Gastfamilie in Columbus habe sie zuvor nicht gekannt, sagte sie. Sie stellte sich als hochbetagtes Ehepaar namens Betty und Bill, 89 und 93 Jahre alt, heraus. Im Idealfall befinden sich in der Gastfamilie Gastgeschwister, deren eigene Kinder also. Die jedoch waren bei Betty und Bill längst aus dem Haus. "Das war ein Schock", räumte Wolfsmüller ein, wenn auch vor allem Betty sich als äußerst rüstig erwiesen habe. Die Lehrerin habe noch stundenweise an dem College unterrichtet, das auch sie besuchte, so Wolfsmüller. Um ein Praktikum aufnehmen zu können (das Unterfangen scheiterte laut ihr mehrmals wegen fehlendem Budget im Betrieb und weil sie nicht in einem festen Studiengang war), habe sie später jedoch in eine WG nach Kentucky umziehen und sich dafür ein Auto kaufen müssen - Betty, Bill und Tina gingen von da an wieder getrennte Wege.

Wolfsmüller absolvierte am Technischen College unter anderem das Fach Projektmanagement, ein Bereich, in dem sie jetzt bei Audi arbeiten werde. Die Suche nach Freunden habe sich schwierig gestaltet. "Weil viele neben dem College arbeiten", so die junge Frau. Überrascht sei sie gewesen, dass in der Bevölkerung der Militärstadt Columbus viele einen "deutschen Hintergrund" hätten. "War Politik ein Thema in den Familien? ", wollte Brandl wissen. "Nein - oder nur bedingt", antworteten Ekinci und Wolfsmüller. Die Amerikaner machten ihre politischen und religiösen Ansichten im Privaten ungern publik, so ihre Erfahrung. Gerade Republikaner würden ihren Patriotismus manchmal aber auch zeigen, so Ekinci.

Die Vorstellung vom amerikanischen Traum, dem geneigte Auswanderer hierzulande nur allzu gerne nachhängen, hat offenbar nicht zuletzt durch die Präsidentschaft Trumps erhebliche Risse bekommen. Das geht auch deutlich aus den Fazits der beiden Heimkehrer hervor. Sie könnten sich nicht vorstellen, auf Dauer in den USA zu leben, sagten sie unisono. Ekinci habe die soziale Sicherheit in Deutschland wieder mehr wertschätzen gelernt. "Die gibt es in den USA in den wenigsten Bereichen. Dort kann man so tief fallen", sagte er. Wenn irgend möglich, versuche jeder, Arztbesuche zu vermeiden, weil das teuer sei, ergänzte Wolfsmüller.
Das Ziel, sein Englisch weiter zu verbessern ("Es war aber vorher schon ziemlich gut", so Ekinci) und die amerikanische Kultur besser kennen zu lernen, habe er umsetzen können. Den Deutschen, der aus einem Zwei-Kulturen-Haushalt kommt, hat es nach Woodstock bei Chicago verschlagen, wo er die High School besuchte. "Eine typische Vorstadt mit einer tollen Schule, einer tollen Gastfamilie mit drei Gastgeschwistern", berichtete er. Die Leute dort seien sehr an den "Menschen aus Deutschland" interessiert.

"War Bewusstsein für Corona vorhanden? ", fragte Brandl nach. "Bis die Schulen schließen mussten, empfanden das viele als Witz, dann waren die Leute aber von den Ereignissen geschockt", berichtete Ekinci. "Die allerwenigsten haben Mundschutz getragen, es gab auch nicht wirklich viele Masken", ergänzte Wolfsmüller. An ihrer Arbeitsstelle habe es aber Desinfektionsmittel gegeben. Schlimm sei der plötzliche Abschied gewesen - vor allem auch für die Gastfamilien und Freunde, sagten beide. Man halte aber noch Kontakt. Allerdings nicht über den hierzulande so beliebten Messenger-Dienst WhatsApp. "Der wird kaum genutzt. Aber Snapchat ist sehr beliebt", sagte Wolfsmüller. Was Ekinci aufgefallen ist: "In den USA gibt es fast alles im Drive-in: Essen, Wäsche waschen, Bankgeschäfte. Müsste man nicht zur Arbeit, man könnte den Tag im Auto im Pyjama verbringen", scherzte er.

DK