Gaimersheim
Chor gefangen von Corona

21.07.2020 | Stand 02.12.2020, 10:56 Uhr
Proben unter Corona-bedingten Einschränkungen: Die Sänger der Chor- und Orchestergemeinschaft Viva la Musica müssen zu den Singstunden im Gaimersheimer Pfarrheim ihre Notenblätter selbst mitbringen. −Foto: Heimisch

Gaimersheim - "Bitte alles schwingen lassen!" "Wo ist der Bass?""Ich möchte etwas vom Sopran hören!" Impulsiv und fordernd ruft Richard Westner in die Sängerschar. Die reagiert sofort und legt sich ins Zeug. Es scheint so, dass alles ganz normal abläuft bei einer Probe von Viva la Musica. Oder doch nicht? Mit großen Einschränkungen in der Corona-Krise übt derzeit die Gaimersheimer Chor- und Orchestergemeinschaft. Einmal in der Woche im Pfarrheim. Und mit großem Sicherheitsabstand. Während des Singens müssen die Chormitglieder zwei Meter voneinander entfernt sitzen.

Dies deshalb, weil nach Expertenmeinung beim Singen die Luftbewegungen und die Ausbreitung von Tröpfchen stärker sind als beim Sprechen. Die Distanz zum Dirigenten muss sogar vier Meter betragen. "Außerdem wurde die Probendauer auf eine Stunde begrenzt. Normal sind es zwei Stunden", erläutert Dirigent Westner. Und es gab noch mehr Änderungen in den vergangenen Wochen: Einstudiert werden die Stücke seit Anfang Juli nicht mehr im angestammten Probenraum im ersten Stock des Gaimersheimer Pfarrheims, sondern im viel größeren Saal im Erdgeschoss.

Um den Sicherheitsabstand zu wahren, wurden zwei Gruppen gebildet: Die eine übt jeden Montag von 19.30 bis 20.30 Uhr, die zweite von 20.45 bis 21.45 Uhr. "Außerdem dürfen die Sänger nicht mehr stehen, sondern müssen sitzen. Und der Raum muss immer gut gelüftet sein", sagt der Leiter der Chor- und Orchestergemeinschaft.

Auf ein weiteres Problem machen Richard Westner und Martina Rupp aufmerksam: "Wegen des Sicherheitsabstands hören wir uns gegenseitig schlecht." Die Singstunde sei schon eine Herausförderung, pflichtet ihnen die langjährige Sängerin Rosmarie Hackenberg bei. Sie verweist auf das umfangreiche Hygienekonzept, das Martina Rupp ausgearbeitet hat.

Trotz aller Einschränkungen: Die Chormitglieder (sie sind zwischen 17 und 79 Jahre alt) freuen sich riesig, dass sie jetzt wieder gemeinsam singen und sich treffen können. "Musik verbindet eben. Und die Gemeinschaft soll ja nicht zerbröseln", sagt Rupp. Sie hat festgestellt, dass alle Sänger traurig gewesen seien, dass sie wegen der Corona-Krise seit Mitte März nicht mehr proben konnten. Fehlanzeige heuer auch bei den Auftritten (rund 20 jährlich). Und auch der Höhepunkt des Vereinsjahres musste gestrichen werden: das Jubiläumskonzert zum 50-jährigen Bestehen von Viva la Musica im Oktober im Stadttheater Ingolstadt. Die Feier wurde auf den Herbst 2021 verschoben.

Martina Rupp bringt die ganze Situation seit März auf den Punkt: "Die Sänger und Musikanten fühlten sich praktisch gefangen in der Quarantäne." Die Hygienebeauftragte nimmt damit treffend Bezug zum "Gefangenenchor" - dem Werk aus der Oper Nabucco von Giuseppe Verdi. Nur über WhatsApp und YouTube standen die Hobby-Sänger in den vergangenen Monaten in Kontakt.

Seit 6. Juli ging es endlich wieder los mit den regelmäßigen Proben. "Die Wiedersehensfreude war riesengroß", betont Dirigent Richard Westner. Und die Lust am gemeinsamen Singen auch. Das merkt man beim Betreten des Pfarrheimsaals an diesem Montag sofort: Die 16 Sänger der ersten Gruppe geben alles. Eifrig geprobt wird schon fürs Jubiläumskonzert im Herbst nächsten Jahr. "Wir müssen schon so früh anfangen, damit alles sitzt", sagt Westner. Er "kommandiert" die Sänger von seinem elektronischem Klavier aus und haut gleichzeitig in die Tasten.

Auf dem Programm stehen nach dem kurzen Einsingen Auszüge aus der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven und das "Halleluja" aus dem Oratorium Messiah (Georg Friedrich Händel). Zum Schluss zeigt sich der Chef der bunt gemischten Sängerschar zufrieden: "Alle Stimmen - von Alt bis Tenor - waren stark." Deshalb sieht Richard Westner frohgemut in die Zukunft.

Jetzt ist aber erst einmal Schluss mit Proben - die Sommerferien stehen auch für Viva la Musica an. Am Montag, 7. September, treffen sich die Sänger im Pfarrheim wieder. Westner hofft, dass dann auch die kleinen "Chormäuse" und das Orchester nach monatelanger Zwangspause wieder mit dem Proben anfangen können.

DK