Ingolstadt
"Hauptsache, es gibt einen CSD"

Diesen Samstag ist der erste Christopher-Street-Day in Ingolstadt - Eine Organisatorin berichtet

20.09.2019 | Stand 24.04.2023, 9:20 Uhr
Vor allem junge Ingolstädter haben den CSD, der auf dem Josef-Strobl-Platz stattfindet, organisiert. −Foto: Aktionsbündnis CSD Ingolstadt

Ingolstadt (DK) In den 1960ern kam es in New York und anderen Städten immer wieder zu teils gewalttätigen Polizeirazzien in Schwulenlokalen.

Vor 50 Jahren wehrten sich Homo- und Transsexuelle bei einer solchen Durchsuchung der New Yorker Bar Stonewall Inn in der Christopher Street erstmals gegen die Beamten, und es kam zu Unruhen. Dieser Aufstand war für die Lesben- und Schwulenbewegung ein großer Fortschritt im Kampf gegen Diskriminierung. Deshalb erinnern jedes Jahr Millionen Menschen weltweit mit Festen und Paraden an das Ereignis, auch in Deutschland, wo solche Veranstaltungen in Anlehnung an den Ort des Aufstands oft als "Christopher- Street-Day" (CSD) bezeichnet werden. Die Veranstaltungen sind nicht nur für Homosexuelle gedacht, auch viele Heterosexuelle nehmen daran teil. Am Samstag gibt es in Ingolstadt erstmals einen CSD, organisiert von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Hilfe einiger Lokalpolitiker.

Unter den jungen Organisatoren ist die 24-jährige Verena Wilcke. Sie lebt seit drei Jahren in Ingolstadt und macht eine Ausbildung zur Erzieherin. Mit 18 outete sie sich als lesbisch und gründete vor einem Jahr die Gruppe "Rainbow Ingolstadt" auf Facebook, die Homosexuellen eine Plattform zum Austausch bietet und regelmäßig einen Stammtisch veranstaltet. Seit dem zweiten Treffen macht Wilcke auch bei der CSD-Organisation mit. "Ich fand selber, dass es cool wäre, einen CSD in Ingolstadt zu bekommen", erzählt sie. "Es gab viele, die gesagt haben, sie hätten da Lust drauf, und dann haben wir uns getroffen. " Mittlerweile besteht der Kern des Organisationsteams aus ungefähr 35 Mitgliedern, noch mehr sind als Helfer beteiligt.

Trotz der vielen Engagierten sei die Planung des CSD etwas chaotisch gewesen, gesteht Verena Wilcke. Da die Vorbereitungen erst etwa zwei Monate vor dem angestrebten Termin am 21. September begonnen hatten, war alles sehr kurzfristig. Vor allem der bürokratische Aufwand bereitete den jungen Organisatoren Schwierigkeiten, da sie noch nie eine solche Veranstaltung auf die Beine gestellt hatten. Da war die Hilfe einiger Ingolstädter Parteien sehr willkommen. Wilcke lobt vor allem die Grünen, Die Linke und Die Partei. Oberbürgermeister Christian Lösel ist zwar Schirmherr des CSD, wird aber selbst nicht kommen, und auch kein anderer Vertreter der CSU. "Das finden wir schon sehr schade", meint Verena Wilcke. "Wir sind aber froh, dass er das übernommen hat, das ist ja auch schon mal ein Zeichen. "

Dank der vielen Unterstützung konnten die jungen Organisatoren schließlich alle Hürden überwinden und eine bunte Veranstaltung auf die Beine stellen. Ab 13 Uhr gibt es am Samstag auf dem Josef-Strobl-Platz beim Sozialen Rathaus ein Bühnenprogramm mit Bandauftritten, Showeinlagen und Redebeiträgen von Politikern, aber auch von Gruppen wie der Klimaschutzbewegung "Fridays for Future" und Privatpersonen, darunter Verena Wilcke selbst. Um 14 Uhr ist ein Demonstrationszug durch die Innenstadt mit einer Zwischenkundgebung am Theaterplatz geplant, danach soll es einen Kostümwettbewerb geben. Das Programm auf dem Josef-Strobl-Platz endet um 19 Uhr, weiter geht es mit einer Afterparty im Amadeus. Zu hohe Erwartungen bremst Verena Wilcke aber gleich im Voraus: "Es wird nicht perfekt. Wir haben gesagt, ?Hauptsache, es gibt einen CSD! '"

Um dieses Ziel zu erreichen, brauchten die jungen Organisatoren viel Zeit und Durchhaltevermögen. Dementsprechend gesteht Wilcke auch: "Ich bin schon ganz aufgeregt! " Sie ist gespannt, wie der CSD laufen wird, wie viele Leute kommen und wie die Reaktionen sein werden. Vor Anfeindungen während der Veranstaltung hat sie nicht so große Angst, auch wenn es im Voraus ein paar negative Kommentare auf Facebook gegeben hat.

Persönlich erlebt die 24-Jährige das Klima in Ingolstadt nicht unbedingt als homophob. Eine richtige Szene gibt es laut Wilcke allerdings nicht, fast keine Treffpunkte außerhalb des von ihr organisierten Stammtischs, keine Schwulenbars und nur sehr selten Partys. Deshalb soll der CSD vor allem Aufmerksamkeit wecken. Da Verena Wilcke selbst lange mit ihrer sexuellen Orientierung kämpfte, hofft sie außerdem, dass die Veranstaltung anderen Menschen hilft, die sich wegen ihrer Homosexualität unsicher fühlen. "Vielleicht ist ja zufällig eine kleine Verena da, die dann merkt, sie ist nicht alleine! "

Veronika Königer