Oberstimm
Ausnahmezustand auf dem Festgelände

26.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:48 Uhr
Mieses Wetter, beste Stimmung: Auch wenn es für Fieranten und Fahrgeschäfte nicht ganz so gut läuft, die gute Laune geht nicht verloren. Ob Feiernde, Festzelt-Bedienungen oder die FCI-Kicker Toni Pledl und Marvin Matip (Bild unten, von lniks), alle genießen die Barthelmarkt-Atmosphäre. −Foto: Kaczynski

Oberstimm (DK) Mehr als 200000 Besucher kommen jährlich zum Barthelmarkt nach Oberstimm - heute auch ich, zum ersten Mal seit 15 Jahren.

Es ist Samstagabend und es nieselt. Eigentlich wollte ich radeln, doch das Wetter spielt nicht mit. Zum Glück muss ich keinen Parkplatz suchen, ich werde gefahren. Ich würde gern die Festwiesen-Nachbarn befragen, wie sie mit der viertägigen Dauerbelastung umgehen, doch ihre Häuser sind dunkel. Entweder machen die Oberstimmer aus der Not eine Tugend und gehen selbst zum Festplatz oder sie flüchten. Zu Hause sind sie jedenfalls nicht.

Also betrete ich das Gelände und stoße zuerst auf Fieranten. Hier ist es fast leer, die meisten Stände sind heute Abend zu. Gü und Sepp haben noch geöffnet: "Unterstehen bei Regen: 2 pro Person" steht auf dem Schild an ihrem Verkaufswagen. "Damit wir wenigstens ein bisschen Umsatz machen", scherzen die beiden, die seit über 20 Jahren auf dem Barthelmarkt vertreten sind. Ware zu verkaufen, werde immer schwieriger, erzählen sie. "Wir haben Glück, weil wir auch Trachtenschmuck verkaufen, das geht ganz gut. Aber viele Verkäufer haben echte Probleme", meint Sepp, der den Grund darin sieht, dass die meisten Barthelmarkt-Besucher nur noch zum Partymachen kommen und direkt die Bierzelte ansteuern.

Das tue ich jetzt auch. Richtung Stiftl-Zelt wird es deutlich voller. Extrem viele junge Leute sind unterwegs, Durchschnittsalter höchstens Anfang 20, kaum älteres Publikum. Nicht wenige sind leicht angetrunken, und nahezu alle tragen Tracht.

An einem Seiteneingang treffe ich Eugen Brauer von der Firma Obtego, die hier für Sicherheit sorgt. "Bisher ist es ziemlich ruhig. Ein paar kleine Zwischenfälle gibt es immer, aber nichts Gravierendes. Die Leute feiern und haben gute Laune", meint Brauer. Wird im Festzelt jemand belästigt, greifen die Sicherheitsleute ein und werfen den Störenfried raus. "Bleibt er aggressiv, wird er der Polizei übergeben. Das ist aber selten notwendig", erklärt Brauer, der den Montag als schlimmsten Tag des Barthelmarkts bezeichnet.

Kaum ist das Gespräch beendet, muss Brauer einen renitenten Gast zur Räson bringen: Zwei Minuten später ist dieser aus dem Zelt bugsiert und torkelt draußen davon - Problem gelöst. Ich schlendere weiter und komme an der Feuerwehr Oberstimm vorbei. Wieso sind die eigentlich vor Ort? Ich frage Peter Schmidt, Gruppenführer der Sicherheitswache. "Es gibt hier jede Menge Gasflaschen auf dem Gelände. Hier könnten wir bei Bedarf sofort eingreifen. Wir rücken aber auch aus, wenn im Umkreis ein Unfall passiert. Bei Volksfesten muss grundsätzlich eine Sicherheitswache vor Ort sein", erklärt Schmidt. Auch für kuriosere Einsätze wurden die Feuerwehrler schon gebraucht: "Letztes Jahr ist einer alkoholisiert in die Brautlach gefallen - auch da helfen wir. " Meine nächste Station ist das Riesenrad White Star. Der 62-jährige Josef Göbel sitzt im Kassenhäuschen. Er ist zum dritten Mal auf dem Barthelmarkt: "So richtig zufrieden sind wir nicht. Es gibt nur nachmittags Familienpublikum, damit haben vor allem die Kinderfahrgeschäfte zu kämpfen. Richtig voll wird es erst am Abend, dann kommen zu uns die Leute, denen es im Bierzelt zu stickig wird. "

Das kann ich nachvollziehen, als ich das "Herrnbräu"-Zelt betrete. Man kann die Luft schneiden, meine Brille beschlägt. Die Band spielt "Ein Bett im Kornfeld" von Jürgen Drews, danach Wencke Myhres "Knallrotes Gummiboot" und einen Song von Jürgen Marcus. Alle stehen auf den Bänken und tanzen. Und alle grölen mit. Das sind Schlager aus meiner Kindheit - woher kennt die Jugend nur die Texte?

Ich kämpfe mich Richtung Bühne. Dass es so eng ist, hätte ich nicht erwartet. Wie bei einem Konzert, wenn man in der Front Row steht. In die Gegenrichtung drücken Bedienungen mit Stapeln von Maßkrügen. Sie bahnen sich schon mal mit dem Ellenbogen ihren Weg, anders hätten sie keine Chance durchzukommen. Was mich überrascht: Sie lachen, strahlen gute Laune aus. Überhaupt ist die Stimmung im Zelt kein bisschen aggressiv, sondern ausgelassen und durch den Alkohol etwas überdreht, aber nicht bedrohlich.

Inzwischen ertönt Willy Michls "Wir fahren mit dem Bob" und schon sitzen Dutzende Mädels und Buam mit Dirndl und Lederhosen auf dem schmierigen Bierzeltboden und machen mit: Linkskurve, Rechtskurve - ich frage mich, wie man die Schmutz-Bier-Mischung wieder aus der Kleidung entfernt. Ich drängle raus aus dem Zelt.

Meine Ohren pfeifen nach nur 20 Minuten wie nach einem Rockkonzert. Wie halten die Jugendlichen das aus? Ich fand es aber auch ganz cool, die Stimmung reißt einen doch mit. Ich steuere meine letzte Station, die Sanitäter vom BRK, an. Hier ist alles ruhig: "Bislang gibt es keine Besonderheiten außer dem üblichen Geschäft", resümiert Einsatzleiter Roland Heinzinger. 20 Sanitäter sind für die Partymeile Barthelmarkt stets vor Ort - und werden bei rund 100 Einsätzen auch gebraucht. "Auffällig ist, dass die Patienten immer jünger werden", meint Heinzinger nachdenklich.

Auf dem Weg Richtung Ausgang treffe ich Marvin Matip und Toni Pledl vom FC Ingolstadt 04, die sich nach dem Auswärtsspiel in Magdeburg noch spontan zu einem kurzen Barthelmarkt-Besuch entschlossen haben. Sind die beiden denn nach dem mageren Punktgewinn in Feierlaune? "Wir sind natürlich nicht zufrieden", meint Kapitän Matip. "Aber wir versprechen unseren Fans einen Heimsieg am Freitag gegen Aue. Doch jetzt heißt es: Ab nach Hause! " Das gilt auch für mich. Es ist spät geworden, und ich mache mich auf den Heimweg. Ich werde wiederkommen, und nicht erst wieder in 15 Jahren.