Aus den Kindertagen des Jazz

16.10.2020 | Stand 02.12.2020, 10:20 Uhr
Die South West Oldtime All Stars im Audi-Forum. −Foto: Leitner

Ingolstadt - Das 10. Birdland Radio Jazz Festival ist eröffnet.

Ort des Geschehens ist das wegen Corona nicht mal zur Hälfte besetzte, aber offiziell "ausverkaufte" Audi-Forum. Vor dem Gebäude steht der Übertragungswagen des Bayerischen Rundfunks, der das Eröffnungskonzert dieses Jubiläumsfestivals aufzeichnet und - wie BR-Redakteur Roland Spiegel verkündet - am Freitag, 23. Oktober, um 23.05 Uhr auf BR4-Klassik ausstrahlt.

Die acht Herren auf der Bühne nennen sich South West Oldtime All Stars und beschäftigen sich mit den fast hundert Jahre alten Chicago Recordings des legendären Trompeters Louis Armstrong, genauer gesagt, dessen Bands Hot Five und Hot Seven, also Stücken und Hits wie "Muscrat Ramble" oder dem "West End Blues", die entweder von Armstrong selbst, zum größten Teil jedoch von seiner Gattin, der Pianistin Lil Hardin, oder dem Posaunisten Kid Ory geschrieben wurden.

Warum tun sie das? Zum einen, weil die Musik aus den Kindertagen des Jazz gut ist und nicht vergessen werden sollte, zum anderen, weil Armstrongs Aufnahmen die erste, vielleicht sogar die wichtigste Nahtstelle in der Entwicklung des Jazz markieren. Seine Entscheidung, gezielte Soli in den Mittelpunkt seiner Auftritte zu stellen und damit Einzelpersönlichkeiten statt eines gesamten Ensembles, etablierte Jazz als Kunstform. Nach Armstrong trat er seinen Weg an heraus aus den zwielichtigen Etablissements von New Orleans und vergleichbarer Metropolen, hinein in die Konzertsäle und damit ins Interesse der Bourgeoisie.

Die South West Oldtime All Stars zeichnen diesen Weg nach, kombinieren die ursprüngliche Ausgelassenheit mit neuen, intellektuell geprägten Arrangements. Das führt dazu, dass manche Passagen mehr "Schmiss" haben, andere weniger. Dass das Oktett mit Martin Auer (Trompete), Gary Fuhrmann (Klarinette), Felix Fromm (Posaune), Trevor Richards (Schlagzeug), Thomas Stabenow (Kontrabass), Matthew Bookert (Sousafon), Jörg Teicher (Banjo) und Thilo Wagner (Piano) erst relativ spät zu wahrer Größe aufläuft, - dann mit einem fulminanten Endspurt - mag darin begründet sein. Mit Sicherheit aber spielt auch eine Rolle, dass von den sieben Auftritten der kleinen Tournee des Ensembles sechs Pandemie-bedingt kurzfristig abgesagt wurden und nur der in Ingolstadt übrig blieb. Das will verkraftet sein. Schön, dass der Hausherr des Audi-Forums und das Birdland, das die Verantwortung fürs Jazzprogramm trägt, auch dann weitermachen, wenn die Zuschauerzahl begrenzt ist, somit die Einnahmen weitgehend wegbrechen.

DK