Ingolstadt
Auf in die Schlacht

Tabletop-Games sind außergewöhnliche Gesellschaftsspiele mit großer Fangemeinde

17.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:41 Uhr
Spiel nach Maß: Der Schanzer Warhammer Club trifft sich jeden zweiten Donnerstag in der Ingolstädter Hallstraße. Viele Spieler bemalen ihre Figuren selbst. Dabei können sie ihren Soldaten eine persönliche Note verleihen. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Die Würfel sind gefallen: Um strategische Gesellschaftsspiele hat sich eine begeisterte Szene entwickelt, auch in Ingolstadt. Ein Abtauchen in weit entferne Fantasywelten - ganz klassisch, ohne Internet.

Ein Schuss. Die Erde bricht auf, Lava brodelt aus dem Gestein hervor. Totenköpfe kullern durch die verlassenen Ruinen. Mitten im Raum entwickelt sich eine Schlacht. In Miniatur. Auf dem Tisch vor ihm. Der bärtige Mann grinst überlegen und fokussiert seinen Gegner. Der nächste Schuss, er klaubt den Würfel - seine Munition für das Spiel - wieder auf. Der Schanzer Warhammer Club kämpft in der Hallstraße, wo sich dessen Mitglieder an jedem zweiten Donnerstag treffen.

"Warhammer ist ein Tabletop-Spiel , Tabletop steht für Tischplatte", erklärt Ferdinand. In der Szene ist man hier beim Du. Er windet sich an den Spielbrettern vorbei, auf denen Burgen aufragen. Er klopft seinem Kumpel auf die Schulter. "Im Grundsatz ist es ein Strategiespiel wie Risiko oder Schach. Aber wir spielen in fiktiven Universen." Diese sind recht oft dystopisch: Ein aussichtsloses Weltuntergangsszenario reiht sich an das andere. Karge Landschaften paaren sich mit gewaltigen, dreidimensionalen Bauten. Elfen wie aus "Herr der Ringe" rücken auf dem Spielfeld gegen Panzer aus.

Würfel klackern in der Hand. Am nächsten Tisch ist das 41. Jahrtausend angebrochen. Kopfgeldjäger schießen auf uniformierte Gangmitglieder. "Ami" - kein Amerikaner, er kommt schlichtweg aus Amberg - spielt mit Quirin und Konstantin "Necromunda". Seit einer Stunde tobt ihre Schlacht schon, ein Spiel dauert oftmals drei Stunden. In der Regel spielt man eins gegen eins.

Papier raschelt, Ami blättert durch die Anleitung, ein dickes Buch mit vielen Bildern. Sein Finger wandert langsam über die Spielsymbole. Gefunden! Seine Augenbrauen schnellen in die Höhe. Der nächste Spielzug wird geplant.

Sein Gegner Konstantin feuert aber schon den nächsten Schuss ab. Der großgewachsene Mann beugt sich tief zu seinen Figuren herab, beäugt sie eingehend. Dann lässt er den Blick über die Plattform in der Mitte der gewaltigen Szenerie schweifen. Seine Gangmitglieder gehen in Deckung. Im realen Leben ist Konstantin Altenpfleger. "Ich liebe die Kreativität bei Tabletop. Taktik und Mathematik kommen hier zusammen", schwärmt Konstantin. Über 500 Figuren reihen sich bei ihm zu Hause. Über 2000 Euro kann man dabei locker investieren: "Wir spielen in einer Gemeinschaft. Das ist mir das Geld absolut wert."

Ein Maßband wandert über den Tisch, Joe misst die Abstände zwischen zwei Figuren. Er hat den Bewegungswert 8 erspielt, 8 Zoll darf er nun seine Figur bewegen. Joe ist 35 Jahre alt und spielt seit über 20 Jahren. Selbst bei den T3 - Tabletop-Turnieren auf europäischer Ebene - hat er schon seine Miniatur-Mannschaft durch entlegene Fantasywelten gejagt.

Einige Meter weiter: Graue Soldaten, daumengroß, werden für den Kampf gerüstet: Mit nähnadelgroßen Ornamenten verziert ein junger Mann einen Kampfanzug - das ist die Tuningszene für Spielfiguren. Acht verschiedene "Layers", Schichten, hat er schon aufgetragen. Man merkt: Tabletop ist amerikanisch geprägt.

Die nächste neue Welt eröffnet sich neben den Farbdosen und Pinseln. Ein weiterer Spieler auf der anderen Seite des Tisches zwinkert verschmitzt: "Stell dir vor, der Nebel am Morgen liegt über dem Feld. Und du? Mit welcher Armee ziehst du in die Schlacht. . ?", sagt er und grinst. "Mit Panzern!", kontert Marina und lacht. Ihre langen roten Haare fallen auf ihren Rücken. Es ist ihr allererstes Spiel. "Und diese Würfel explodieren also?", fragt die Archäologin ihren Spielpartner. Dann rollen auch schon ihre Panzer über den steinigen Boden. Marinas Augen leuchten.

Alle teilen die Leidenschaft für Fantasy und Science Fiction, was manch einer gern mal belächelt. "Ganz ehrlich? Ich würde mich selbst als Nerd bezeichnen", sagt Ferdinand und zuckt mit den Schultern. Ein Nerd ist ein sehr enthusiastischer Fan von Fantasywelten. Das sei einfach ein Stempel, der oftmals aufgedrückt werde. Tabletop - es mag vielleicht ein Nischenhobby sein, doch es funktioniert ohne jegliche Konsole und PCs.

An diesem Donnerstagabend bleibt das Smartphone unberührt in der Tasche. Während sich die Türen schließen, fallen dahinter die nächsten Schüsse. Lautes Gelächter ist noch auf der Straße zu hören.

Anna Hausmann