Ingolstadt
"Wir wünschen uns wieder positive Meldungen"

Eine Umfrage unter den Audi-Mitarbeitern zeigt: Sie lechzen nach einem Neuanfang

12.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:23 Uhr
In welche Richtung geht's? Die Audi-Mitarbeiter waren gerade auf dem Weg zur Betriebsversammlung in der Halle B - wo sie erfuhren, dass es eine Batteriemontage im Werk geben soll. −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Die Kommentare im Audi-Intranet gingen gleich im Dutzend ein, nachdem das Ingolstädter Unternehmen der Belegschaft gestern mitgeteilt hatte, dass der bisher kommissarisch tätige Vorstandsvorsitzende Bram Schot dauerhaft Vorstandschef bleiben soll.

"Der richtige Mann am richtigen Platz", hieß es in einem Post, "Herzlichen Glückwunsch, endlich die richtige Entscheidung! " in einem anderen. "Die meisten reagierten positiv, einige sogar enthusiastisch auf diese Nachricht", sagte ein Mitarbeiter der Technischen Entwicklung (TE) am Nachmittag nach der Betriebsversammlung gegenüber unserer Zeitung. "Er hat uns alle sehr motiviert", sagte eine Frau, die zu einem Pulk gehörte, der den Versammlungsraum in der Halle B durchaus gut gelaunt verließ. Doch es gibt auch kritische Stimmen unter den Mitarbeitern, mit denen unsere Zeitung gestern sprach.

"Ich habe früher unwahrscheinlich viel von Rupert Stadler gehalten. Aber dass es so in den Keller rauscht, vor allem was den Abgasstandard WLTP betrifft, geht eindeutig zu seinen Lasten", findet ein altgedienter "Audianer" und setzt sogar noch einen drauf: "VW und Audi haben das von allen Herstellern am meisten verpennt. Mir hat auch die Transparenz gefehlt: Wie geht es weiter mit der E-Mobilität oder dem Wasserstoffauto? Darauf hat es für die Beschäftigten lange Zeit keine Antworten gegeben", sagt der Mann. "Ich glaube, dass es zwei, drei Jahre dauern wird, bis wir uns von dieser Krise erholt haben. "

"Die Stimmung ist etwas gereizt, auch weil es in der Produktion nicht so läuft, wie es soll", heißt es von einem weiteren Angestellten aus der TE. "Da macht man sich schon Gedanken. " Er spricht von "Totzeiten", weil Abläufe umgestellt worden sind oder vor der Umstellung stehen. "Aber ich habe schon das Gefühl, dass der neue Vorstandsvorsitzende auf positive Resonanz stößt, motiviert und für Aufbruchsstimmung sorgt. Jetzt müssen wir abwarten, wie er den festsitzenden Karren in Bewegung bringt. " Keine Frage: Bram Schot wird beobachtet, von oben in Wolfsburg ebenso wie von der Belegschaft. Man wird ihn am Ende nicht an Worten, sondern an seinen Taten messen.

Daran, dass es wieder aufwärts geht, glauben aber viele im Werk, nicht nur aus Zweckoptimismus heraus. "Nach gut 15 Jahren mit steilem Aufstieg muss es ja mal stagnieren", urteilt etwa ein leitender Audi-Angestellter aus der Produktion. "Aber das ist nichts, was nicht zu schaffen wäre. Die Stimmung in der Mannschaft ist okay, das ist schon mal das Wichtigste. Bram Schot wirkt sympathisch, mit ihm schaffen wir das. Viele meiner Kollegen denken ähnlich. "

Ein Mittdreißiger aus dem Personalwesen erklärt, auch er finde Schot gut, ebenso wie viele seiner Kollegen. Jetzt müsse er aber auch liefern. "Grundsätzlich wünschen wir uns endlich Konstanz und wieder positive Meldungen", sagt der Mann. "Es ist - denke ich - allen bewusst, dass zumindest das nächste Jahr noch mal streng wird. "

Auch ein Ingenieur aus der TE, der Ende 40 ist, ist von Bram Schot überzeugt. Dieser stehe für einen neuen Führungsstil und eine andere Kultur. Und nur so könne man die Probleme lösen, die ihre Wurzeln in den vergangenen fünf bis zehn Jahren hätten. "In der Technischen Entwicklung spürt jeder den Druck, dass wir dringend die notwendigen Zulassungen zustande bringen müssen, damit die Fertigung wieder bauen kann", sagt er. Die Entscheidung, den 61-jährigen "Winterkorn-Zögling" Hans-Joachim Rothenpieler an die Spitze der TE zu setzen, spreche allerdings nicht für Modernisierung. Dabei lechze die Belegschaft nach Erneuerung, sagt der Ingenieur. Dass manche Medien, zuletzt der Spiegel, ein düsteres Bild von der Zukunft des Unternehmens gezeichnet haben, habe ihn nicht überrascht. "Die gesamte Branche steht in einem Umbruch. Wer meint, dass Audi davon verschont bleibe, lebt in einer Traumwelt", sagt der Mann.

Ein Mann um die Mitte 30 aus der Produktion ist der einzige Gesprächspartner, der auch beim Thema Bram Schot nicht euphorisch reagiert. "Er war bei seinem ersten Auftritt auf der Betriebsversammlung ein netter Entertainer, hat viel versprochen", sagt er. "Er ist aus dem Vertrieb und rhetorisch bestens geschult, ein Verkäufer halt. " Dass der neue Chef weniger Protokolle und Papierkram wolle, davon merke man jedenfalls in der Produktion nichts. Und zu Gesicht habe man den Chef außerhalb der Betriebsversammlung auch nicht persönlich bekommen. "Bram sehen wir nur auf den Videos. "
 

Horst Richter, Thorsten Stark, Luisa Maurer