Oberstimm
"Arche Noah am Bahndamm"

Debatte über Oberstimmer Schacht - Kompromissvorschlag des Landrats: Nur noch einzelne Bäume fällen

30.09.2020 | Stand 23.09.2023, 14:28 Uhr
Die Oberstimmer Schacht: Es gibt sowohl Gegner als auch Befürworter der Rodung an der Bahnlinie. Ein Kompromiss: Keine flächigen Fällungen mehr, sondern nur noch einzelne Bäume entfernen, um Korridore zwischen offenen Flächen als wertvollen Lebensräumen seltener Tier- und Pflanzenarten zu schaffen. −Foto: Schalles

Manching/Oberstimm - Keine großflächigen Abholzungen in der Oberstimmer Schacht mehr, sondern nur noch einzelner Bäume, die entfernt werden, sowie eine umfassende und rechtzeitige Information und Beteiligung der Bevölkerung: Dies ist der Vorschlag, den Pfaffenhofens Landrat Albert Gürtner am Dienstagabend am Ende einer Dialogveranstaltung in Manching unterbreitete.

Gürtner sprach von einem "tragfähigen Kompromiss" und erhielt dafür auch Beifall. Wie nur wenige Themen hatte die Abholzung von über 500 Bäumen in dem Naturschutz und FFH-Gebiet an der Bahnlinie nach München die Gemüter erhitzt. Nach kontroversen Auseinandersetzungen hatte der neue Landrat zur Dialogveranstaltung eingeladen.

Agnes Wagner von der Höheren Naturschutzbehörde skizzierte die Geschichte des knapp 20 Hektar großen Areals. Der Managementplan sehe vor, an der Bahnlinie einen Trockenbiotopverbund sowie Korridore zwischen unterschiedlichsten offenen Flächen als Lebensraum seltener Tier- und Pflanzenarten zu schaffen und Gehölze zurückzudrängen, um den Nährstoffeintrag zu unterbinden. "Für uns ist die ganze Natur wichtig, nicht nur einzelne Arten", sagte Annette Hartmann, Gründerin und Sprecherin einer Initiativgruppe. Ihrer Ansicht nach wurden viel zu viele Bäume gefällt, und die Pflege funktioniere nicht, es blieben Gehölzinseln stehen. Ganz anders dagegen Christian Huber vom Landesbund für Vogelschutz: "Zum Wald gehören auch Lichtungen. " Die FFH-Richtlinie sei elementar, denn Strukturmangel bedeute auch Artenmangel. Die Schacht sei eine "Arche Noah am Bahndamm".

Volker Riehm vom Bund Naturschutz verteidigte die Entscheidung der Fachbehörden, den Wald zurückzudrängen: "Die Schacht ist ein FFH-Gebiet wegen der Offenlandflächen", betonte er. Im weiteren Verlauf entbrannte immer wieder eine Diskussion darüber, wie viel Prozent offen und wie viele zugewachsen sind - die Meinungen gehen sehr stark auseinander, ebenso wie die Ansichten der Naturschützer. Heftige Kritik an der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt äußerte Hans Schachtl von der Initiative IOSCHA: Sie verweigere Informationen, worauf Leiterin Anita Engelniederhammer entgegnete, dass sie keine Auskünfte geben dürfe, sondern nur die Pressestelle. Schachtl kritisierte das Ausmaß der Fällaktion und sprach auch von einer "Nacht- und Nebel-Aktion": Laut Managementplan sei am Gleis gar keine Offenlandfläche vorgesehen. Altlandrat Rudi Engelhard entgegnete, dass er froh gewesen sei, überhaupt einen Unternehmer für die Rodung zu finden. Wegen der Starkstromleitung an der Bahnlinie sei dies nur mit einem Harvester möglich gewesen, entkräftete er eine oft gehörte Kritik - Motorschnitt wäre viel zu gefährlich.

Ein Zuhörer wies auf den Wert der Bäume in der Schacht für Naherholung und als Lärmschutz hin ("grüne Lunge von Oberstimm") und schlug einen neuen Erlebnispfad vor. Dies lehnten sowohl Agnes Wagner als auch der Botaniker Ernst Krach ab, der die Notwendigkeit der Rodungen für die Artenvielfalt unterstrich: "Die Schacht ist ein Naturschutzgebiet, kein Stadtpark. " Während Annette Hartmann appellierte, dass es doch möglich sein müsse, Bäume und Offenland unter einen Hut zu bringen, schlug BN-Vertreter Riehm einen Landschaftspflegeverband vor, in dem Experten und engagierte Bürger Konflikte lösen könnten.

"Wir wissen doch gar nicht, ob das mit dem Magerrasen was wird", sagte ein Anwohner, der - wie viele Oberstimmer - den alten Zustand wieder möchte. Die Offenlandflächen könne man ja woanders verwirklichen, ergänzte Schachtl. Hartmann rief die 130 Vorschläge ihrer Online-Aktion in Erinnerung, plädierte für einen neuen Ortstermin und eine Anpassung der Schutzziele: "Das Kalkflachmoor ist doch schon weg. " Ganz anders Riehm: "Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem" - es seien doch Experten beteiligt. "Früher war null Wald, der jetzige Zustand ist ein Kompromiss", sagte Huber vom LBV, während Wagner daran erinnerte, dass der Managementplan an die EU gemeldet sei - und bei Nicht-Erfüllung sehr hohe Vertragsstrafen drohen.

DK

Bernhard Pehl