Ingolstadt
Ankläger fordert lebenslange Haft

Tödliche Schüsse an Ettinger Straße: Staatsanwalt sieht auch besondere Schwere der Schuld

22.03.2021 | Stand 23.09.2023, 17:34 Uhr
In seinem Schlusswort hat der Angeklagte seine Bluttat bereut. −Foto: Heimerl

Ingolstadt - Erwartungsgemäßer Strafantrag im Mordprozess am Ingolstädter Landgericht: Staatsanwalt Jochen Metz will den 38-jährigen Kurden, der nach allen bisherigen Erkenntnissen im vorigen Juni in einem türkischen Café an der Ettinger Straße in Ingolstadt einen 50-jährigen Landsmann erschossen hat, lebenslang hinter Gittern sehen.

Zudem wurde beantragt, die besondere Schwere der Schuld festzustellen, was eine frühestmögliche Entlassung nach der Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren verhindern würde.

Der Ankläger sieht durch die Hauptverhandlung die Vorwürfe aus der Anklageschrift der Strafverfolgungsbehörde voll bestätigt. Insbesondere das Tatmotiv der Rache für eine vermeintliche persönliche Kränkung durch das spätere Opfer - es ging, wie mehrfach berichtet, um einen handgreiflich eskalierten Streit um eine Autoreparatur, Schulden und ein rotes Kennzeichen -, sieht der Staatsanwalt als erwiesen an. Zudem habe die Tatausführung gegenüber dem arglosen Opfer das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt.

Im Grunde, so Metz, habe der Angeklagte nur Sorge gehabt, dass sein Image als durchsetzungsfähiger "böser Mann" leide, dass sein Ruf, der es ihm vormals leicht gemacht habe, sich in der türkischen Gemeinde Geld zu leihen, massiv geschädigt werde. Deshalb habe er am Opfer "ein Todesurteil vollstreckt". Irgendwelche Schuldmilderungsgründe seien nicht zu erkennen.

Nebenklagevertreter Klaus Wittmann (Levelingstraße), der an der Verhandlung im Auftrag der Kinder des Opfers teilnimmt, stellte keinen eigenen Strafantrag, erinnerte aber daran, dass die Provokation, die das Zerwürfnis der beiden Kurden ausgelöst hatte, vom Angeklagten ausgegangen sei.

Verteidiger Jörg Gragert, dem es sein Mandant über den Prozess hinweg mit einigen offenbar nicht abgesprochenen eigenen Einlassungen recht schwer gemacht hatte, eine geradlinige Strategie zu fahren, plädierte am Montag auf Totschlag. Das Strafmaß stellte er ins Ermessen des Gerichts.

Der Anwalt riet dazu, den Fall nicht ausschließlich nach hiesigen, westlichen Wertvorstellungen zu betrachten. Ohne einen türkischen oder kurdischen Hintergrund erschließe sich wohl niemandem die ganze Geschichte. Gragert: "Es gibt hier zu viele sozio-kulturelle Einflüsse und Denkstrukturen. " Es sei beispielsweise nicht mehr zu klären, ob es nicht doch heftigste Beleidigungen durch das spätere Opfer gegenüber dem Angeklagten gegeben habe. Bei der Tat seines Mandanten sei es auch nicht allein um Ehre, sondern auch um "Verletztheit, Wut, Scham und Angst" gegangen. Es könne nicht automatisch von niederen Beweggründen gesprochen werden.

Der Anwalt hatte beim psychiatrischen Gutachter zuletzt noch erfolglos versucht, mit Blick auf die unmittelbaren Tatumstände und die damalige Verfassung seines Mandanten etwaige Kurzschlussreaktionen im weitesten Sinne eines Affektes zu erörtern. Der Experte bescheinigte dem 38-jährigem Kurden allerdings keinerlei physische oder psychiatrische Auffälligkeiten, auch keine enthemmenden Faktoren bei der Tatausübung. Eine geringe Alkohol- und Kokainwirkung beim Angeklagten am Tatabend hat demnach keine besondere Rolle gespielt.

Zum Ende der Beweisaufnahme waren auch noch zwei weitere Zeugen aus der türkischen Community der Stadt angehört worden. Die beiden Männer waren vom Angeklagten ihrer Aussage nach am Tattag kurz vor den tödlichen Schüssen für eine weitere "Geldanleihe" eingespannt worden, die dem jetzigen Angeklagten, der offenbar ständig "auf Pump" lebte, 100 Euro eingebracht hatte. Verschiedentlich soll der Mann damals in seiner Umgebung auch erzählt haben, dass er Ingolstadt verlassen wolle.

In seinem Schlusswort beteuerte der Angeklagte, dass er in den neun Monaten seiner Untersuchungshaft immer wieder "zu Gott gebetet habe" und dass ihm die Bluttat inzwischen sehr leid tue: "Ich bereue es sehr - ich entschuldige mich. " Das Schwurgericht will sein Urteil in diesem Mordprozess am kommenden Montag, 29. März, verkünden.

DK

Bernd Heimerl