Ingolstadt
An den Start mit Wasserstoff

Mit dem Pilotprojekt IN2H2 setzt die Stadt auf neue Technologie - Drei Nutzfahrzeuge werden gekauft

04.02.2021 | Stand 23.09.2023, 16:51 Uhr
Zukunftstechnologie Wasserstoff: In Ingolstadt gibt es seit 2018 eine Tankstelle an der Manchinger Straße. −Foto: H2 Mobility

Ingolstadt -IN2H2. Das ist die Zauberformel. Sie besagt: Ingolstadt fährt auf Wasserstoff ab. Am Start ist ein Pilotprojekt für Nutzfahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb bei den Ingolstädter Kommunalbetrieben (INKB). Die Stadt will damit nicht nur Vorreiter bei Innovationen sein, es gibt auch gehörig Druck von oben, aus Berlin. "Wir müssen uns schon jetzt eine Strategie für die Beschaffung von Nutzfahrzeugen überlegen", sagt Wirtschaftsreferent und IFG-Vorstand Georg Rosenfeld. "Ziel ist es kluger Fahrplan, uns bei der absehbaren Entwicklung frühzeitig richtig zu positionieren."

Denn der Anteil erneuerbarer Energien im Verkehr soll in Deutschland bis 2030 auf 28 Prozent steigen - und damit doppelt so hoch sein, wie von der EU vorgesehen. Das geht aus einer Gesetzesänderung hervor, die die Bundesregierung am Mittwoch beschlossen hat. Sie beinhaltet neben Anreizen für grünen Wasserstoff und dem Ausbau von Ladesäulen auch das Ende von Palmöl als Biokraftstoff ab 2026.

Für kommunale Fahrzeuge hängt die Latte sogar noch höher: Um an Zuschüsse für Fahrzeuge heranzukommen, muss der "grüne" Anteil laut Rosenfeld bis 2025 bei 45 Prozent liegen, bis 2030 sogar bei 65 Prozent. Da gilt es, sich rechtzeitig aufzustellen.

? Das Pilotprojekt: Ingolstadt wurde bereits im Juli 2020 im Rahmen der Initiative "HyLand - Wasserstoffregionen in Deutschland" des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) mit dem Antrag "IN2H2 - Wasserstoffkonzept Ingolstadt" als Gewinner in der Kategorie HyExperts ausgezeichnet und erhält 300000 Euro Förderung, um mit Unterstützung eines externen Projektberaters auf dieser Grundlage ein Feinkonzept zu erstellen. Ziel des IN2H2-Projekts ist es, die Fahrzeugflotten kommunaler Unternehmen auf die emissionsarme Antriebsmethode mit Wasserstoff und Brennstoffzellen umzurüsten und mit einer lokalen Wasserstoffproduktion eine nachhaltige
Wertschöpfungskette in Ingolstadt aufzubauen. Zudem soll das Projekt als Modellregion Vorreiter für andere Kommunen sein.

Generell gilt die Faustformel: je größer und je weiter desto Wasserstoff. Große Fahrzeuge, die weite Strecken zurücklegen, eignen sich besonders gut für die Brennstoffzellentechnologie. Daher hat der Stadtrat beschlossen, dass zunächst zu Testzwecken zwei Müllsammler und eine Kehrmaschine angeschafft werden. Die Gesamtkosten dafür betragen rund drei Millionen Euro. Zum Vergleich: In Art und Ausstattung ähnliche Fahrzeuge mit konventionellem Dieselantrieb werden mit rund 770000 Euro veranschlagt. Doch der Staat gewährt einen satten Zuschuss in Höhe von 90 Prozent der Investitionsmehrkosten - insgesamt gut zwei Millionen Euro.

Sobald die Förderzusage im ersten Quartal 2021 vorliegt und die Beschaffung ohne Verzug erfolgt, wird mit einer Lieferung der Fahrzeuge im ersten Halbjahr 2022 gerechnet. Unter der Voraussetzung, dass alle drei Fahrzeuge beschafft werden, davon zwei ein konventionelles Dieselfahrzeug ersetzen und die Produktion des verwendeten Wasserstoffs CO2 neutral erfolgt, können rund 17.500 Liter Diesel pro Jahr eingespart werden. Das entspricht zirka 46375 Kilo CO2.

Die Chancen aus der Einführung der Brennstoffzellentechnologie liegen im Wissensvorsprung in der Technik und Anwendung. Wirtschaftsreferent Rosenfeld rechnet damit, dass durch den Einsatz eine verstärkte Vernetzung mit Universitäten, Hochschulen sowie beruflichen Schulen und weiteren Initiativen im Bereich der Zukunftstechnologie Wasserstoff erfolgt. Auf der anderen Seite besteht das Risiko, dass erfahrungsgemäß die "Kinderkrankheiten" der Technologieeinführung auch bei den in Ingolstadt verwendeten Fahrzeugen auftreten.

? Die Wasserstoff-Tankstelle: In Ingolstadt gibt es bereits seit März 2018 eine Pkw-Tankstelle für Wasserstoff an der Manchinger Straße, die auch für die beantragten Lkw-Fahrzeuge der INKB geeignet ist. Betreiber ist die Gesellschaft H2 Mobility mit einem Netz von bundesweit 90 Tankstellen. Zum Vergleich: In Deutschland sind aktuell rund 1000 Wasserstoff-Autos unterwegs - da ist also noch reichlich Luft nach oben. Nach Auskunft von Sprecherin Sybille Riepe wurden seit Eröffnung der Ingolstädter Tankstelle dort 1,7 Tonnen Wasserstoff "gezapft" - also 1700 Kilogramm. "Mit einem Kilo kommt ein Pkw ungefähr 100 Kilometer weit", so Riepe. Es erfordert keine große Rechenkunst, dass sich die Investition von rund einer Million Euro für die Tankstelle noch lange nicht rentiert hat, wo im Schnitt ein Auto pro Tag vorfährt. "Es gibt Städte, da wird wesentlich mehr getankt", erklärt die Sprecherin und fügt zuversichtlich hinzu: "Wir freuen uns, wenn Audi durchstartet und mehr wasserstoffbetriebene Fahrzeuge baut."

Der Preis für Wasserstoff sei in ganz Deutschland gleich und liege bei 9,50 Euro pro Kilo, so Riepe. "Das ist ein abgesprochener, politischer Preis, denn wir sind nicht angetreten, um Autofahren günstiger zu machen, sondern sauberer."

? Die Gunvor-Raffinierie: Bei dem Pilotprojekt ist als Wasserstofflieferant die Gunvor-Raffinerie an Bord. "Unsere Chance liegt darin, dass wir diesen lokalen Produzenten haben", sagt Rosenfeld. "Das ist unser Alleinstellungsmerkmal." Gunvor-Werksleiter Ralf Seid bekräftigt: "Als Raffinerie sind wir sowohl Erzeuger als auch Verbraucher von Wasserstoff und wollen Teil der Transformation sein. Wie bereits mit unserer erfolgreichen Fernwärmekooperation mit den Stadtwerken Ingolstadt bietet sich mit IN2H2 die Möglichkeit, gemeinsam zur Emissionsreduzierung in der Region beizutragen und in diesem Fall Wasserstoff für den Verbraucher zur Verfügung zu stellen. Aus unserer Sicht ist gerade Technologieoffenheit hierbei eine wichtige Komponente, um die Energiewende zu schaffen."

Noch produziert Gunvor zwar keinen "grünen" Wasserstoff. Raffinerieleiter Seid betont aber, mit den bestehenden Anlagen, in denen Wasserstoff über das sogenannte Dampfreformier-Verfahren aus Erdgas erzeugt wird, wäre eine Umstellung auf Biogas und somit die Erzeugung von Wasserstoff aus regenerativen Quellen ohne weitere Maßnahmen und zusätzliche Belastung des Stromnetzes möglich.

DK

Suzanne Schattenhofer