Ingolstadt
Am grünen Tisch vereint

Weder Landschaftspflegeverband noch neue GmbH: Stadträte sollen heute Kompromiss akzeptieren

20.02.2019 | Stand 02.12.2020, 14:35 Uhr
Spaziergang im blassgrünen Ingolstädter Winter: Das Glacis ist eine der beliebten stadtnahen Erholungsflächen. Der zweite Grünring und ein noch zu gestaltender Stadtpark Donau gehören zum Aufgabengebiet eines künftigen Projektleiters. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Einen Tag, nachdem in München ein runder Tisch mit der Versöhnungsarbeit begonnen und über die Konsequenzen aus dem erfolgreichen Volksbegehren diskutiert hat, sollen heute die Stadträte den jahrelangen Streit um einen Landschaftspflegeverband beenden. Dem Finanzausschuss liegt ein Kompromissangebot vor - ohne die von der CSU favorisierte Grün GmbH.

Die Positionen in Sachen Landschafts- und Biotoppflege waren lange festgefahren: Während Landwirte, Umwelt- und Naturschutzverbände auf Unabhängigkeit bestanden und paritätisch in einem Landschaftspflegeverband mitarbeiten wollten, mochte die Rathauskoalition von CSU und FW das letzte Wort über die Verwendung öffentlicher Finanzmittel behalten. So kam weder Umweltreferent Rupert Ebner (Grüne) mit seinem ursprünglich angepeilten Landschaftspflegeverband von der Stelle noch OB Christian Lösel (CSU) mit der von ihm favorisierten Projektgesellschaft, Stichwort Grün GmbH. Ein weiterer Antrag aus der UDI-Fraktion - Landschaftspflege mit eigenen Leuten aus der Verwaltung - blieb zunächst liegen.

Das wortreiche Kompromisspapier, das heute im Ausschuss zur Debatte steht und nächste Woche vom Stadtrat abgesegnet werden soll, verrät noch die Mühen einer akzeptablen Lösung für alle Seiten. "Es ist sicher nicht das, was ich mir als ideal vorgestellt habe", sagt Referent Ebner beinahe entschuldigend, "aber Politik ist die Kunst des Möglichen."

Der Kern der Einigung - so sie denn beschlossen wird - sieht vor, dass ein Projektleiter eingestellt wird, zunächst befristet auf drei Jahre. Der oder die Neue soll ein abgeschlossenes Studium in Landespflege, Landschaftsarchitektur, Landschaftsbau und -management, Landschaftsentwicklung und -ökologie oder Regionalmanagement und Umweltwissenschaften vorweisen können. Der Öko-Projektleiter ist dem Planungsreferat von Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle und dem Umweltreferat gleichermaßen zugeordnet.

Aus den beiden Ressorts rekrutiert sich auch ein achtköpfiger Steuerungskreis, der von einem Bürgermeister geleitet werden soll. Von diesem Gremium wiederum soll ein Fachbeirat unabhängiger Experten aus den Natur- und Umweltverbänden, aus der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft einberufen werden. "Wir hoffen, dass die Verbände sich einbringen", appelliert Ebner an die Ehrenamtlichen. "Wenn sich das Modell als erfolgreich herausstellt, ist es o.k. Wenn nicht, soll's auch sterben. Es ist einen Versuch wert." Die Liste der Aufgaben, die von den beiden Referaten zusammengetragen wurde, ist nicht ohne. So hat sich der künftige Projektleiter für Landschafts- und Grünflächenentwicklung um die "Stärkung und Profilierung des zweiten Grünrings" ebenso zu kümmern wie um einen "Stadtpark Donau" und das OB-Projekt, eine Million Bäume zu pflanzen "im Sinne einer nachhaltigen Verbesserung des Stadtklimas".

Genannt wird in dem Konzept auch der Aufbau eines "flächendeckenden Netzes naturnaher Lebensräume sowie die Umsetzung und Pflege naturschutzfachlicher Planungen und Projekte". Nicht zuletzt sollte der Projektleiter "mit Unterstützung der jeweiligen Fachämter Fördermittel akquirieren". Sobald der Stadtrat sein Plazet gegeben hat, kann die Suche nach der "Führungspersönlichkeit mit gleichermaßen gestalterischer wie ökologischer Kompetenz" beginnen.KommentarGesichtswahrung ist eines der wichtigsten Motive in der Politik - ob Amerikaner und Russen die Zerstörungskraft ihrer Atomraketen vergleichen, Horst Seehofer seinen Rückzug vom CSU-Vorsitz als Akt der souveränen Einsicht verkauft oder die Ingolstädter Stadträte das jahrelange Trauerspiel um einen Landschaftspflegeverband beenden wollen. Hauptsache keiner steht am Schluss als Verlierer da. In der CSU führte kein Weg zu einem relativ selbstständig agierenden Landschaftspflegeverband, der womöglich auch noch über Geld aus dem Stadthaushalt verfügen darf. Für engagierte Umweltschützer und oppositionelle Stadträte wirkte dagegen allein schon der OB-Gedanke, das Grünprojekt in Form einer weiteren GmbH abzuwickeln, wie ein rotes Tuch - Kooperation völlig ausgeschlossen.

Ob das jetzt zur Abstimmung stehende Modell mehr als ein bloßer Formelkompromiss ist, muss die Praxis zeigen. Die Befristung der Projektleiterstelle auf vorerst drei Jahre wird nicht gerade als Anreiz für besonders kompetente Bewerber wirken. Es gilt der Werbeslogan aus der Betonindustrie: "Es kommt drauf an, was man draus macht. "

Reimund Herbst