Ingolstadt
Abheben vom "Vertiport"

Die Katholische Universität testet die Akzeptanz von Flugtaxis mit einer Simulation

20.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:39 Uhr
Blick durch die Virtual-Reality-Brille: Im Flugtaxi sitzend können die Teilnehmer auf die fiktive Stadt hinunterblicken. −Foto: Steimle

Ingolstadt/Eichstätt - Die Schiebetüren schließen sich, die Rotorblätter beginnen, sich zu drehen, dann heben wir senkrecht nach oben ab.

Bodenpersonal und Häuser werden immer kleiner.

Wie die Zukunft der Luftfahrt aussieht, das können Teilnehmer - darunter auch ich als Redakteurin - im Moment an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt herausfinden. Mit Hilfe einer Virtual-Reality-Brille erleben sie eine Reise in einem Flugtaxi. Anschließend bewerten die "Passagiere" ihren Jungfernflug in einem Fragebogen.

Von Köln Stadtmitte bis zum Bonner Hauptbahnhof - und das ohne Ampeln, Baustellen und Stau. Bevor ich das Gebäude betrete, von dem aus der Flug starten soll, kann ich mich noch kurz umsehen: Ein Mann in orangefarbenen Arbeitsklamotten kehrt die Straße, ein älterer Herr schlurft vorbei. Dann durch die Tür und mit dem Aufzug nach oben. "Gegangen" wird dabei mit den Augen: Wenn man den Blick auf die gelben Symbole am Boden richtet, dann bewegt man sich vorwärts durch die fiktive Welt, die einen an Computerspiele erinnert.

Oben auf der Plattform steht es bereit, mein Flugtaxi, wobei "Plattform" das falsche Wort ist. "Vertiports" werden die Start- und Landeflächen genannt. Denn die Passagierdrohne darf man sich nicht wie ein Taxi vorstellen, "das mich am Stadtrand abholt und zu meinem besten Kumpel bringt", sagt Frederica Janotta, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement. "Das ist natürlich alles noch Spekulation, aber es könnte feste Routen geben wie bei einem Bus", und damit eben auch feste "Vertiports", wo man ein- und aussteigen kann.

Wohin man mit der Brille auch blickt, es gibt etwas zu sehen: Bäume, Häuser aus rotem Ziegelstein, ein See und Werbetafeln ziehen unten vorbei, wenn man den Kopf nach rechts oder links dreht. Auch im Inneren kann ich einiges sehen, zum Beispiel mich selbst: Wenn ich nach unten schaue, sehe ich meinen linken Arm auf der Lehne ruhen und mein linkes Bein, das in einer Jeanshose steckt. Etwa vier Minuten dauert unser Flug, dann taucht unten das altehrwürdige Bahnhofsgebäude auf.

Anschließend gilt es, Fragen zu beantworten. Wie viel Geld wäre einem die Reise wert? Würde man das Flugtaxi nutzen und weiterempfehlen? Hat man sich sicher gefühlt? Wie beurteilt man die Risiken? Für wie wahrscheinlich hält man einen Hackerangriff oder die Gefahr für Vögel?

Diese Fragen haben schon einige Teilnehmer in Ingolstadt und nun auch in Eichstätt beantwortet. "Wir waren positiv überrascht", sagt Janotta, die Sorge hatte, dass in der Urlaubszeit nur wenige zum "Probefliegen" kommen. "200 Teilnehmer waren das Ziel, 450 Anmeldungen haben wir erhalten. " Zeitlich sei das aber nicht zu schaffen, nun wurden 280 Termine vergeben. Hintergrund der Studie ist das Projekt "Gesellschaftliche Akzeptanz und Bürgerintegration im Rahmen von Urban Air Mobility" (GABI), das im vergangenen Jahr realisiert wurde. Ziel war es, die komplexe Technologie von Drohnen und Flugtaxis verständlicher zu machen.

Schon damals wurden die Bürger gefragt, was sie von Flugtaxis halten, "allerdings wurde die Studie mit einer textlichen Beschreibung durchgeführt, eine Simulation hatten wir noch nicht". Das Ergebnis sei damals eher durchwachsen gewesen: 40 Prozent sagten ja zum Flug per Drohne, 40 nein, der Rest war unentschlossen. Nun zeige sich, zumindest nach der Durchsicht der ersten 150 Fragebögen, ein anderes Bild: "90 Prozent würden das Flugtaxi nutzen", so die 29-Jährige. Das könne an der Simulation liegen: "Weil ich eine klarere Vorstellung habe, welcher persönliche Nutzen sich mir bieten kann. " Auch gelte es zu bedenken, dass Studienteilnehmer grundsätzlich Leute seien, die sich für das jeweilige Thema interessieren, "aber das war bei der letzten Studie auch so".

Die "Passagiere" seien "größtenteils begeistert", sagt Louisa Werner, die ihre Masterarbeit über das Thema schreiben wird. "Die meisten bedanken sich dafür, dass sie die Erfahrung machen durften. " Es kommen alle Altersgruppen: Studierende, die über die Uni-Kanäle erreicht werden, andere, die die Ankündigung in der Zeitung gelesen haben. "Der älteste Teilnehmer kommt nächste Woche, er ist 80 Jahre alt und bringt seine 17- und 19-jährigen Enkelinnen mit", sagt Janotta, viele gehörten auch zur Generation 60 plus. Das sei gut für die Studie, denn "es ist schöner, wenn man ein breites Bild hat".

Eines, das vielleicht Firmen interessiert, aber nicht von ihnen finanziert wird. "Wir machen das nicht als Auftrag, sondern rein für uns", betont Janotta, die darüber ihre Doktorarbeit schreiben wird. "Als Forscherin bin ich neutral. " Wenn 90 Prozent der Leute Flugtaxis ablehnten, "ist das auch ein Ergebnis. Ich will herausfinden, was die Leute denken. "

DK

Tina Steimle