Ingolstadt
4000 Euro Prämie für eine Erzieherin

Wegen Mangels an pädagogischem Personal können Kita-Plätze nicht besetzt werden - Stadt will gegensteuern

16.11.2020 | Stand 23.09.2023, 15:29 Uhr
Reihenweise Kita-Gebäude an der Gustav-Adolf-Straße: Weil pädagogisches Personal fehlt, konnten in dem ersten Haus (rechts) erst zwei statt vier Gruppen eröffnet werden. Insgesamt sollen dort 16 Kita-Gruppen entstehen. −Foto: Schattenhofer

Ingolstadt - Das Problem ist aus der Pflege bekannt: Betten gibt es genug in Krankenhäusern oder Seniorenheimen, aber nicht genug Pflegekräfte.

Bei den Kindertageseinrichtungen in Ingolstadt entwickelt sich die Lage ähnlich dramatisch: Plätze stehen zur Verfügung, aber die Kinder können nicht betreut werden, weil Erzieherinnen fehlen - so wie jetzt in der neuen Kita an der Gustav-Adolf-Straße. Angesichts dieser Ausgangslage diskutierte der Jugendhilfeausschuss, wie dem Mangel beizukommen ist. Zur Debatte steht auch eine umstrittene Willkommensprämie.

Aktuell fehlen 39 Erzieherinnen und 27 Kinderpflegerinnen, um den vollständigen Betrieb aller städtischen Einrichtungen, inklusive der neu geschaffenen Plätze in den Häusern an der Gustav-Adolf-Straße (geöffnet seit November) und in der Waldeysenstraße (ab März 2021) zu gewährleisten. Und eine Umfrage unter den freien Kita-Trägern hat ergeben, dass noch mindestens 20 Erzieherinnen und 12 Kinderpflegerinnen gesucht werden. Die Situation könne sich jederzeit verschärfen, erläuterte Kultur- und Kita-Referent Gabriel Engert in der Sitzung, da bei Schwangerschaft ein sofortiges Beschäftigungsverbot einsetzt. "Der Engpass zeichnet sich seit Jahren ab und verstärkt sich immer mehr. Den wesentlichen Bedarf können wir aber noch abdecken. "

Laut Adelinde Schmid vom Amt für Kinderbetreuung und vorschulische Bildung warten derzeit 30 bis 50 Kinder auf einen Betreuungsplatz - "allerdings nicht in der höchsten Dringlichkeit", wie sie gegenüber unserer Zeitung betont. "In solchen Fällen versuchen wir immer, Eltern ein Angebot zu machen, aber im Moment ist es knapp. "

Die Stadt und auch die Umliegenden Gemeinden unternehmen alle Anstrengungen, Fachkräfte zu gewinnen. Aufmerksame Zeitungsleser kennen die großen Stellunganzeigen aus den Wochenendausgabe des DK. Doch die herkömmlichen Methoden allein erzielen nicht mehr die gewünschte Wirkung, um den wachsenden Bedarf an Personal zu decken. Der Markt ist leergefegt.

Darum geht die Stadt jetzt andere Wege: Unter anderem soll eine Willkommensprämie ab 2021 einen finanziellen Anreiz darstellen, sich in einer städtischen Kita zu bewerben. Für die erfolgreiche Einstellung einer Fachkraft in Vollzeit winken 4000 Euro, sogenannte Ergänzungskräfte erhalten die Hälfte. Die Kraft darf zum Zeitpunkt der Anwerbung nicht bei der Stadt oder bei einem freien Träger innerhalb des Stadtgebietes beschäftigt sein. Damit keine unnötige Konkurrenz entsteht und die freien Träger nicht zusätzliche finanziell belastet werden, übernimmt die Stadt auch deren Prämien.

Dennoch überwog unter den Vertretern der freien Träger im Jugendhilfeausschuss Skepsis. Markus Schweizer, Geschäftsführer der Gesellschaft katholischer Kindertageseinrichtungen Ingolstadt, sieht die Gefahr, "dass Wanderungen erfolgen". "Das Kita-Personal wechselt schon jetzt sehr viel und schnell. " Auch für Sabine Pfeffer, Geschäftsführerin der Bürgerhilfe Ingolstadt, ist die Prämie keine Lösung: "In München gibt es eine Arbeitsmarktzulage, da kommt niemand nach Ingolstadt. Die Erzieherinnen brauchen viel eher bezahlbare Wohnungen. "

Auch die Stadträte waren nicht allzu überzeugt davon, Geld als Lockmittel einzusetzen. Angela Mayr (FW) forderte stattdessen zusätzliche Ausbildungsklassen und eine erleichterte Ankerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. "Wenn wir Personal aus der Region abwerben, sehe ich die Gefahr, dass eine ungute Situation entsteht", kritisierte auch Achim Werner (SPD). Es gelte, eine gemeinsame Strategie mit den Landkreisen zu finden. Worauf Georg Niedermeier (UWG) bemerkte, Audi hege sicherlich auch keine moralischen Bedenken, Fachkräfte aus mittelständischen Betrieben abzuwerben. "So eine Prämie ist doch die beste Methode. "

Überdies wurden die Landräte bereits informiert, hieß es. Adelinde Schmid sieht zudem keine allzu große Gefahr, dass die Prämie jetzt alle nach Ingolstadt lockt, denn im ländlichen Raum seien die an den Öffnungszeiten orientierten Arbeitszeiten oft anders als in Ingolstadt - sprich: angenehmer. "Wir wollen jetzt eben auch bessere Arbeitsbedingungen für unsere Kräfte schaffen. "

Gegen die Stimmen von Mayr, Schweizer, Pfeffer und Caritas-Kreisstellenleiter Bernd Leitner wurde der Maßnahmenkatalog im Jugendhilfeausschuss verabschiedet. Er sieht des Weiteren eine Vermittlungsprämie, unbefristete Verträge für Fachkräfte, eine Unterstützung bei der Wohnungssuche und einen Ausbau der Weiterbildung vor.

Außerdem plant die Stadt eine großangelegte Werbekampagne, um pädagogisches Personal deutschlandweit aus strukturschwachen Gebieten mit sinkenden Geburtenzahlen zu akquirieren. Auch über soziale Medien wie Instagram und Facebook soll verstärkt geworben werden.

Die jährlichen Kosten werden auf insgesamt rund 200000 Euro geschätzt. Zum Vergleich: Die Ausgaben für das Personal in den städtischen Kitas belaufen sich in diesem Jahr bisher auf 18,5 Millionen Euro. Die Entscheidung trifft der Finanzausschuss in seiner Sitzung am 1. Dezember.

DK

Suzanne Schattenhofer