Ingolstadt
Erlebnispfad durch die Bahngeschichte

03.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:16 Uhr
Der Ingolstädter Bahnsteg soll im kommenden Jahr abgerissen werden. −Foto: Johannes Hauser

Ingolstadt (DK) Die Geschichte der Fußgängerbrücke über die Gleise am Hauptbahnhof reicht bis ins Jahr 1897 zurück. An diesem Wochenende kann man den Ausblick zum letzten Mal genießen. Ab Montag ist der Steg gesperrt, im kommenden Jahr soll er abgerissen werden.

Wenn die Bewohner von Ringsee und Kothau im 19. Jahrhundert zum Hauptbahnhof wollten, mussten sie von eigens damit beauftragten Bahnangestellten über die Gleise geschleust werden. Seit 1897 existiert eine bessere Verbindung: die Fußgängerbrücke. „Vor allem für die Arbeiter des Ausbesserungswerks war der Steg über die Gleise eine wichtige Verbindung von Ost nach West“, berichtet Harald Kneitz vom Kulturamt. Er betreut die Ausstellungen im Rathaus und im Apian-Gymnasium zum Jubiläum „150 Jahre Eisenbahn in Ingolstadt“. 

Der erste Steg hielt bis zum Jahr 1954. Weil er Rost ansetzte, sollte er renoviert werden. Nachdem die Arbeiten schon begonnen hatten, bewilligte die Bundesbahn jedoch das Geld für eine neue Brücke. Sie wurde 60 Meter nördlich vom alten Steg errichtet (Bild oben links). „Mitte der 1960er-Jahre wurde der Rangierbahnhof erweitert“, erzählt Kneitz. „Die Überführung endete daraufhin mitten zwischen den Gleisen.“ Deshalb sei dann der heutige Steg südlich des Bahnhofsgebäudes errichtet worden.

Mit der im vergangenen Jahr eröffneten Fußgängerunterführung hat der Steg jedoch ausgedient. „Die Unterführung war bereits seit Jahren geplant“, berichtet Josef Weiß vom Tiefbauamt. Deshalb sei nur noch das Notwendigste am Steg gemacht worden. Auf rund eine Million Euro hätte sich eine Komplettsanierung der Überführung summiert. Der Abbau und die fachgerechte Entsorgung der Stahlkonstruktion sollen nun 700 000 Euro kosten. „Für den Winter müsste die Stadt den Steg massiv herrichten“, fährt Weiß fort. Passanten können die Aussicht vom Steg deshalb am Wochenende das letzte Mal genießen, ab Montag ist er dann gesperrt.

Mit dem Abbau der Brücke geht auch ein Stück Geschichte verloren, vor allem für Eisenbahnbegeisterte, die gerne in nostalgischen Erinnerungen schwelgen. „Ich bin als Kind oft mit meinen Großeltern auf dem Steg gestanden und habe die Züge bestaunt“, erinnert sich Wolfgang Matussek. „Meine Begeisterung für Eisenbahnen hat sich auf dem Steg entfacht.“ Sein Großvater sei Lokführer gewesen.

Er selbst fotografiert heute unter anderem Models an Bahnhöfen und Zugstrecken und hat es damit bereits in diverse Eisenbahnmagazine geschafft. Der Abbau des Stegs trage dazu bei, dass immer mehr Menschen den Bezug zur Bahn verlieren. „Früher wollten Kinder Lokführer werden, heute meistens Autorennfahrer“, meint Matussek. Zumindest für ihn sei der Steg der „schönste Ort der Welt“, schwärmt er.

Auch für viele Fußballfans dürfte die Brücke noch mit einigen Erinnerungen verbunden sein. Wer vom Hauptbahnhof aus zum nahe gelegenen ESV-Stadion wollte, musste nämlich die Gleise überqueren. Das war bei derart großen Menschenmassen nicht immer einfach, weiß Michael Finkenzeller, der 37 Jahre lang unter anderem bei der Entstörungsstelle der Bundesbahn tätig war. „Bei so vielen Leuten kam der Steg ganz schön ins Schwanken“, verrät er. 

Die Polizei habe dann mit Blick auf die Statik darauf achten müssen, dass nicht zu viele Menschen die Brücke betraten und Gruppen nicht im Gleichschritt liefen. „Bei den Fußballspielen musste sogar ein Kollege auf die Uhr in der Mitte des Stegs klettern und sie anheben, aus Angst davor, dass sie beschädigt werden könnte.“ Finkenzeller hofft, dass gerade jene Uhr nach Abbau der Konstruktion einen würdigen Platz erhält. „Im Eisenbahnkabinett des Apian-Gymnasiums wäre sie sicherlich gut aufgehoben“, stellt er fest. 

Verglichen mit dem Steg ist die neue Unterführung breiter, besser beleuchtet und außerdem behindertengerecht. Im Bezirksausschuss Südost hätten einzelne Mitglieder moniert, dass sie Angst vor Tunneln hätten und deshalb den Steg behalten möchten, erzählt BZA-Vorsitzende Christine Einödshofer. Dennoch würden nahezu alle Mitglieder die neue Unterführung begrüßen.