Hilpoltstein
Triathlon im Auto

Familie Walchshöfer bietet Sportfans kleines Alternativprogramm für den ausgefallenen Challenge-Langdistanzwettkampf

05.07.2020 | Stand 02.12.2020, 11:02 Uhr
  −Foto: Fischer

Hilpoltstein/Roth - Ein Auto nach dem anderen fährt auf das ehemalige Aldi-Gelände im Rother Industriegebiet.

 

Es riecht nach Bratwurst und frittierten Pommes. Eine junge Frau trägt einen großen Eimer mit frischem Popcorn davon und ein Mann im pinken Flamingo-Kostüm zieht seine Bahnen durch die bereits parkenden Fahrzeuge. Der öde Parkplatz hat sich in eine Eventlocation verwandelt. Eine Eventlocation für Triathlon. Als kleines Trostpflaster für den ausgefallenen Challenge hat das Veranstalter-Team kurzfristig ein "Get together" mit Livediskussionen und Filmbeiträgen auf die Beine gestellt.

Rennleiter Felix Walchshöfer ließ es sich nicht nehmen, jeden Gast einzeln zu begrüßen. Gemeinsam mit seinem Team verteilte er am Eingang zum großen Parkplatz je eine große Geschenkbox an die Autofahrer. Diese enthielt neben einem Schreiben mit Hygieneregeln auch zahlreiche Sportsnacks, Getränke und Souvenirs. Hunderte Autos strömten schon am frühen Nachmittag auf das Gelände, das derzeit als Rother Autokino genutzt wird.

Unter wolkenlosem Himmel begrüßten die Moderatoren vom Sport-Blog Pushing Limits alle Teilnehmer zum "ersten Autokino für Triathleten". Als die Veranstalterfamilie Felix, Alice und Kathrin Walchshöfer die Bühne betrat, gab es anstatt Applaus ein lautstarkes Hupkonzert. "Für uns waren die letzten Wochen und Monate von extremer Anspannung geprägt", gestand Felix Walchshöfer.

Als klar war, dass der Challenge Roth wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden musste, habe man sich zuallererst die Frage gestellt, wie man eigentlich Insolvenz erkläre. Finanziell sah es zwischenzeitlich düster aus. "Das, was ihr für uns getan habt, da stockt mir echt ein bisschen die Stimme", sagte Felix Walchshöfer. Nicht nur, dass Sportler ihre Startgebühr nicht zurückgefordert hätten. Auch Fans und Triathleten, die gar nicht auf der Startliste standen, spendeten an das Challenge-Team.

 

Corona habe auch seine guten Seiten. "In dieser Zeit sieht man wieder einmal, worauf es wirklich ankommt", sagte der Rennleiter. Verschiedene Akteure und Firmen hätten es innerhalb weniger Wochen möglich gemacht, das "Get togehter" im Rother Autokino auf die Beine zu stellen.

Für die vielen Besucher im Autokino gab es nicht nur die entsprechende Verpflegung, sondern auch mehrere Einspieler auf der großen LED-Leinwand. Darunter ein eigens produzierter Kurzfilm, der "erst vor zwei Stunden fertig geworden ist", wie Kathrin Walchshöfer bekannte. In einem emotionalen Video erzählt die Veranstalterfamilie, was die Absage mit ihnen gemacht habe. Von heute auf morgen mussten die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt und alle Pläne über Bord geworfen werden.

Die Absage habe die Familie aber erneut zusammengeschweißt. Für emotionalen Beistand sorgten darüber hinaus zahllose solidarische Briefe und Nachrichten. "Da schreiben uns Leute, der Challenge sei neben Hochzeit und Geburt des Kindes einer der drei schönsten Momente ihres Lebens gewesen. Da weißt du dann: Es gibt keinen schöneren Job", sagte Felix Walchshöfer.

Eine befreundete Familie habe ihm vor einigen Tagen sogar gesagt, dass der sportbegeisterte Vater nach seinem Tod einmal verbrannt werden möchte und sein Sohn die Asche im Landkreis Roth verstreuen will. "Da weißt nicht, was du sagen sollst. "

 

Per Videobotschaft richtete sich der Top-Triathlet Jan Frodeno an die Besucher. Der Sportler hält seit 2016 mit 7:35:39 Stunden auf der Triathlon-Langdistanz die in Roth aufgestellte Weltbestzeit. In seinem Interview ließ der Kölner hinter die Fassade des Perfektionisten blicken. "Ich zweifle an meiner Leistung, an meiner Fähigkeit, es noch einmal auf die Spitze zu treiben und an alltäglichen Dingen", sagte er. Zweifeln sei allerdings auch wichtig, um nicht abzuheben und weiter an sich zu arbeiten.

Im Anschluss folgte eine Podiumsdiskussion zum Thema "Corona und der Triathlon" mit dem Vorjahressieger Andreas Dreitz, der Challenge-Geschäftsführerin Alice Walchshöfer, dem Sportjournalisten Markus Kaiser, dem ehemaligen Fußballprofi und Sky-Fußball-Experten Erik Meijer sowie dem Businesscoach Fabian Urban. Statt auf der Bühne zu sitzen wollte der ehemalige niederländische Fußballprofi Meijer an diesem Wochenende eigentlich beim Challenge an den Start gehen. "Früher hatte ich nur den 16-Meter-Raum, jetzt muss ich 25 Kilometer an dem blöden Kanal laufen", scherzte der Sportler über seinen Werdegang vom Fußballer zum Triathleten.

An den Moment der Absage erinnerte sich der aktuelle Titelverteidiger Andreas Dreitz. Das sei "ganz schön hart" gewesen. Auch wenn er dann erst einmal in ein tiefes Loch gefallen sei: Die Unsicherheit habe ihn weit mehr zermürbt als eine klare Botschaft, sagte Dreitz.

Über die Folgen der Corona-Pandemie auf den Challenge berichtete auch Businesscoach Fabian Urban. "Plötzlich ist etwas, auf das du ewig hingearbeitet hast, nicht mehr da". Diese eingetretene Stille sei aber auch eine große Chance, sich selbst zu reflektieren. Triathlet zu sein bedeute ein Gefühl und nicht unbedingt einen Platz auf der Siegertreppe.

Auf die Livediskussion folgte ein Einspieler mit Sebastian Kienle. Der Sportler kam 2010 unter anderem als Zweiter bei der Challenge Roth ins Ziel und erreichte damals mit 7:59:06 Stunden die schnellste Langdistanzpremiere. Im Video-Interview erinnerte sich der Sportler an sein Rennen in der Triathlonhochburg zurück. Noch gut wusste er, dass ihm die Leute vom Streckenrand zugerufen hätten, er sei viel zu schnell unterwegs. "Ich habe dann noch die Puste gehabt und gerufen, ich mache mich gerade erst warm", so Kienle. Die Stimmung in Roth "war einfach Wahnsinn".

Als absoluten Wahnsinn bezeichnete Felix Walchshöfer auch die Show im Rother Autokino. Für die Veranstalterfamilie gab es am Schluss ein Konzert aus Autohupe und Lichthupe. Weil die Nachfrage so enorm war, fand die Veranstaltung am Samstag zweimal hintereinander statt. Bis in die tiefe Nacht lauschten die Triathlon-Fans in ihren Fahrzeugen den Diskussionen und Filmbeiträgen.