Landkreis Roth
Challenge Roth: "Uns bleibt keine andere Wahl"

Größter Langdistanztriathlon der Welt für heuer abgesagt - Veranstalterfamilie bittet um Spenden - Zwei Millionen Euro Schaden

26.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:22 Uhr
Der schmerzlichen Absage folgt der finanzielle Hilferuf: Felix Walchshöfer bittet die für heuer angemeldeten Challenge-Triathleten, freiwillig auf einen Teil der Startgebühr-Erstattung zu verzichten, um dem Wettkampf das Überleben zu sichern. −Foto: Tschapka, Archiv

Hilpoltstein/Roth - Womit nach der Absage der Olympischen Spiele in dieser Woche schon viele gerechnet hatten, ist seit gestern um 13 Uhr auch offiziell: Der Challenge-Triathlon 2020 ist abgesagt. Das größte jährliche Spektakel des Landkreises Roth und die größte eintägige Sportveranstaltung in Bayern kann heuer nicht wie geplant am 5. Juli stattfinden.

 

In einem Video, das im Rother Stadtgarten vor dem fest installierten Zieltor aufgenommen und das auf der Facebook-Seite der Veranstaltung ausgestrahlt wurde, verkündete Rennleiter und Geschäftsführer Felix Walchshöfer, dass der teilnehmerstärkste Langdistanztriathlon der Welt in diesem Jahr eine Zwangpause einlegen muss. Über 5000 Sportler aus mehr als 70 Nationen hatten sich für den längst ausgebuchten Wettkampf angemeldet.

Der Grund für die Absage sei die weltweiten Gesundheitssituation in Verbindung mit dem SARS-CoV-2-Virus, so Walchs-höfer. Schweren Herzens habe man die Entscheidung treffen müssen. "Es bleibt uns nach Rücksprache mit den zuständigen Behörden keine andere Wahl." Man habe zwar "lange gerungen, überlegt und nach möglichen Alternativen gesucht", so Walchshöfer. "Aber die stetige Ausbreitung dieses schrecklichen Virus in nahezu allen Ländern der Welt hat uns einsehen und verstehen lassen, dass eine Absage für dieses Jahr letztlich alternativlos ist."

Parallel zur Ausstrahlung der Videobotschaft verschickten die Challenge-Veranstalter einen offenen Brief zur Absage: "Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir die gesundheitliche Sicherheit und die körperliche Unversehrtheit der Athleten, aber auch die von uns angestrebte hohe Wettkampfqualität nicht mehr gewährleisten könnten", heißt es darin. "Es ist unsere Überzeugung, dass wir für unsere Athleten Verantwortung tragen und dieser Verantwortung auch gerecht werden müssen", schreiben Felix, Alice und Kathrin Walchshöfer. "Deshalb bleibt uns kein anderer Weg."

Die Fürsorge gelte neben den Athleten auch den 7500 freiwilligen Helfern, die man keinerlei Gefahr aussetzen dürfen. Und auch an die Einsatz- und Rettungskräfte, die am Wettkampftag normalerweise in hoher Zahl benötigt werden, müsse man denken. "Sie sind in der momentan schwierigen Lage ohnehin fast rund um die Uhr im Einsatz, um Menschen zu helfen und um Menschenleben zu retten", heißt es in dem Brief. "Wir können sie nicht noch zusätzlich belasten."

Die ständig steigende Zahl der Infektionen und auch der Toten zwinge die Challenge-Veranstalter dazu, jetzt umzudenken und die eigene Sichtweise der Realität anzupassen. "Wir müssen lernen, dass der Sport auf einmal nicht mehr das Wichtigste im Leben ist." Denn es gehe jetzt um die Eindämmung eines aggressiven und lebensbedrohenden Virus. "Wenn wir uns die gewaltigen Konsequenzen vor Augen halten, die diese Pandemie der Weltbevölkerung abverlangt, ist im Vergleich dazu die Absage einer Sportveranstaltung - und sei es auch eine so große wie der Challenge - nahezu ohne Bedeutung", schreiben die Challenge-Organisatoren. "Das sollten wir uns in dieser Situation vor Augen halten. Dann fällt es uns allen auch leichter, die Dinge richtig einzuordnen."

Aus rein sportlicher Sicht ist die jetzige Absage so bitter, weil Rennleiter Felix Walchshöfer in den vergangenen Monaten das beste Starterfeld aller Zeiten beim Rother Challenge-Rennen zusammengestellt hatte. Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen hatten die drei Erstplatzierten der Ironman-Weltmeisterschaft 2019 auf Hawaii ihre Startzusage gegeben. Vor allem die Verpflichtung der beiden amtiertenden deutschen Weltmeister Jan Frodeno und Anne Haug war ein Coup, der in der weltweiten Triathlonszene für großes Aufsehen gesorgt hatte.

 

Weitaus schmerzlicher als die sportlichen Aspekte sind jedoch die wirtschaftlichen - und zwar nicht nur für die Veranstalterfamilie Walchshöfer, sondern für die ganze Region. Auf rund 16 Millionen Euro wurde zuletzt vor zwei Jahren der Umsatz geschätzt, der im Landkreis Roth mit dem Challenge-Triathlon erwirtschaftet wird. Dieser Umsatz fällt nun völlig weg. Betroffen davon sind beispielsweise Hotels, die normalerweise rund um das Wettkampfwochenende völlig ausgebucht sind, oder auch Gaststätten und Geschäfte, die in den Tagen vor dem Rennen voller Triathleten sind.

Ein besonders schwerer Schlag ist die Absage aber für den Veranstalter selbst. "Man wolle nicht jammern, aber auch nicht verschweigen, dass es eine große finanzielle Belastung bedeutet", heißt es in dem Brief. Man sei in vielen Bereichen bereits in Vorleistung gegangen, haben große Mengen an Ausstattung, Materialien und Veranstaltungstechnik bestellt und Dienstleistungen beauftragt. "Auf vielen dieser Kosten werden wir sitzen bleiben", schreiben Felix, Alice und Kathrin Walchshöfer. "Das wird zweifellos große Auswirkungen auf unsere Firma haben, die wir heute noch gar nicht beziffern können und die möglicherweise existenziell sind."

Beim Blick auf die bisherigen Teilnehmerlisten wird aber schnell klar, in welchen Dimensionen sich die finanziellen Ausfälle bewegen. Bei 4318 aufgelisteten Einzelstartern und 638 gemeldeten Staffeln summieren sich die Startgebühren, die bereits an den Challenge-Veranstalter überwiesen wurden, auf mindestens 2,6 Millionen Euro. Gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Teilnahme am Challenge-Triathlon muss das Startgeld nun zum Großteil zurückerstattet werden. Im Vertrag zwischen Sportler und Veranstalter heißt es dazu: "Ist der Ausfall vom Veranstalter nicht zu vertreten, findet nur eine teilweise Erstattung unter Berücksichtigung der bereits getätigten Aufwendungen des Veranstalters statt." Diese "pauschale Bearbeitungsgebühr", die nicht erstattet wird, liegt laut AGB bei mindestens 90 Euro - also rund einem Fünftel. Was für den Veranstalter unter dem Strich einen Verlust von Startgebühren in Höhe von rund zwei Millionen Euro bedeutet.

Die Veranstalterfamilie bittet die Sportler deshalb nicht nur um "Solidarität in der schwierigen Lage", wie es in dem Brief heißt, sondern auch konkret um finanzielle Unterstützung. "Wir bitten euch, freiwillig auf einen Teil der Rückzahlung zu verzichten und in eine Art Solidaritätsfonds einzuzahlen, der unserer Veranstaltung das Überleben nachhaltig sichert", heißt es in dem Brief. Bei einer Spende von mehr als 100 Euro sollen Sportler innerhalb von zehn Jahren zwei Mal ein Voranmelderecht für den seit Jahren stets ausgebuchten Wettkampf erhalten, wie Felix Walchshöfer ankündigte.

Unabhängig von einer Spende versprach er, dass jeder, der für heuer angemeldet war, vor allen anderen das Recht zur Anmeldung für 2021 erhält. Und dann wolle man "die größte Triathlon-Party feiern, die es je gegeben hat".

HK

 

 

Jochen Münch