Weder das Freibad noch die Finanzen machen überstürzten Flächenverkauf nötig

19.08.2020 | Stand 06.01.2021, 3:34 Uhr

Zum Bericht "Amazon und P3 bleiben im Rennen" (HK vom 29. Juli 2020) und zum Leserbrief "Narzissmus im Gemeinderat" (HK vom 4. August 2020): Das Allersberger Freibad ist aktuell geöffnet und die Sanierung längst beschlossene Sache.

Dies wurde vom Gemeinderat bereits vor längerer Zeit mehrheitlich so entschieden. Es besteht weder jetzt noch in Zukunft die Notwendigkeit - wie von Herrn Herwig im Leserbrief erwähnt - "weiterhin mit den Kids nach Hilpoltstein oder Roth ins Schwimmbad zu fahren". Außer natürlich, man möchte das. Unverständlich ist daher, warum die Freibadsanierung weiterhin als "Totschlagargument" für die Diskussion rund um die geplanten Allersberger Industrie- und Gewerbegebiete ins Feld geführt wird.

Über Amazon kann und muss selbstverständlich eingehend diskutiert werden. Und das sollte im Marktgemeinderat schnell und transparent geschehen. Gegen eigene Anträge zu stimmen (wie unlängst durch Freie Wähler und Allersberger Bürger Forum geschehen), - um Amazon und P3 Logistic Parks nach dem "Wahlkampf" vor den Bürgerentscheiden wieder "hoffähig" zu machen, gehört nicht unbedingt zu einer sachdienlichen Diskussionskultur.

In diesem Zusammenhang sollte nicht vergessen werden, dass sich neben der Bürgerinitiative "Lebenswertes Allersberg" kurz vor der Abstimmung über die Bürgerentscheide auch die Bürgerinitiative "Fortschritt und Entwicklung" gegen die Ansiedlung von Amazon ausgesprochen hat.

Sogar Willibald Harrer, Fraktionssprecher der Freien Wähler, äußerte sich kurz vor dem Bürgerentscheid am 15. Mai 2020 gegenüber dem Hilpoltsteiner Kurier in einer ganz ähnlichen Weise. Zitat: "Ich kann mir vorstellen, dass es auch ohne Amazon geht", sagt Harrer und spricht von einem gewichtigen Signal, wenn sich jetzt plötzlich beide Bürgerinitiativen gegen den US-Konzern aussprechen. Schließlich hätten beide Initiativen für ihre Begehren insgesamt fast 2500 Unterschriften gesammelt. "Dem müsse der Marktgemeinderat auch Rechnung tragen. "

Der Vorwurf von Herrn Herwig, dass einige Marktgemeinderäte unter diesem Aspekt nicht bürgernah handeln, wenn sie die Ansiedlung von Amazon beziehungsweise den Verkauf an P3 Logistic Parks ablehnen, ist daher nicht nachvollziehbar.

Als positives Beispiel für Amazon vergleicht Herr Herwig seine frühere Heimat Bad Hersfeld mit Allersberg. In Bad Hersfeld (Hessen) gibt es zwei Amazon-Logistikzentren: FRA1 und FRA3. FRA1 ist das älteste Amazon-Logistikzentrum in Deutschland. Es wurde 1999 eröffnet und ist 42000 Quadratmeter groß, was sieben Fußballfeldern entspricht. Bei seiner Eröffnung wurde der gesamte Betrieb in einem Lager abgewickelt - heute sind es vier. FRA3 ist das zweitgrößte Logistikzentrum in Deutschland. Es wurde 2009 eröffnet. Mit 110000 Quadratmetern ist es größer als 17 Fußballfelder.

Nach einem Pressebericht in der Hersfelder Zeitung am 19. Januar 2019 standen der Landkreis
Hersfeld-Rotenburg und seine Kommunen Ende 2017 mit etwa 471,2 Millionen Euro in der
Kreide. Das entspricht einer Verschuldung von 5890 Euro je Einwohner. Den größten Schuldenberg (113,9 Millionen Euro) im Landkreis hatte die Kreisstadt Bad Hersfeld mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 6399 Euro. Die Arbeitslosenquote im Landkreis Hersfeld-Rotenburg belief sich im Juli 2020 auf 4,4 Prozent.

Zum Vergleich die Zahlen von Allersberg beziehungsweise vom Landkreis Roth: Pro-Kopf-Verschuldung der Marktgemeinde Allersberg zum 31. Dezember 2017: 1257 Euro. Arbeitslosenquote im Landkreis im Juli 2020: 2,9 Prozent.

Zugegeben, das sind nur Zahlen. Und Allersberg ist mit Bad Hersfeld bestimmt auch nicht pauschal zu vergleichen. Doch allein die Pro-Kopf-Verschuldung zeigt, dass Amazon offenbar nicht das Füllhorn über Bad Hersfeld ausgeschüttet hat.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass es in Allersberg weder aufgrund der finanziellen Situation
der Marktgemeinde oder der Arbeitslosenquote noch aufgrund der anstehenden Freibadsanierung nötig ist, überstürzt wertvolle Flächen mit viel Potenzial zu verkaufen, um kurzfristig Geld in die Kasse zu spülen. Vielmehr sollte nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen der Vorzug gegeben werden. Davon würde Allersberg vor allem auch langfristig profitieren - im Hinblick auf Lebensqualität, Arbeitsmarkt und Schuldenabbau. Zudem können das Allersberger Freibad und die anderen Einrichtungen der Gemeinde mit stabilen Gewerbesteuereinnahmen, die durch diese Unternehmen zu erwarten sind, auch noch in Zukunft gut unterhalten werden.

Georg Decker (Grüne)

Altenfelden

Norbert Schöll (CSU)

Allersberg

Markus Fiegl (SPD)

Brunnau