Eichstätt
Zwischen den Buchdeckeln liegen Welten

Helmut Reis hat ein Lexikon der Weltpostgebiete erstellt - Recherche war sehr zeitaufwendig

27.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:29 Uhr
Viel Arbeit steckt im "Lexikon der Weltpostgebiete", das Helmut Reis über einige Jahre hinweg erstellt hat. In einer älteren Version hat der 87-Jährige die Beispielmarken noch danebengeklebt (Bild unten links), in der neuen Version sind sie aufgedruckt. Immer wieder stieß Helmut Reis auf besondere Postgebiete wie etwa die Hafenstadt Obock im Norden Dschibutis, die in nur zwei Jahren 56 Frei- und 14 Portomarken herausgab. −Foto: Steimle

Eichstätt (HK) Es mag auf dieser Welt keinen Winkel geben, aus dem Helmut Reis nicht schon eine Briefmarke in der Hand hatte - ihre Postgebiete finden sich nun in einem Lexikon wieder, das der 87-Jährige in liebevoller Detailarbeit erstellt hat. Ein Hobby, das viel Recherche erfordert und dafür Erkenntnisse über Geografie und Geschichte bereithält.

Diese beiden Wissenschaften reichen sich im rot eingefassten Band die Hand. "Von Europa aus nach Asien und über alle Erdteile hinweg", hat sich Helmut Reis vorgearbeitet, aber mit den Staaten der Erde war es noch lange nicht getan. Zu ihnen gesellen sich ehemalige Fürstentümer, Gebiete, die sich als eigenständige Staaten begreifen oder besetzt waren sowie zwischenstaatliche Zusammenschlüsse wie die Vereinten Nationen - sie alle haben Briefmarken herausgegeben.

Aus zwei Büchern hat Helmut Reis vor einiger Zeit eins gemacht - in den deutlich dickeren Vorgängerbänden hat der Eichstätter die Beispielmarken zu jedem Postgebiet noch neben den Lexikoneintrag geklebt, selbstverständlich mitsamt einem Pergaminstreifen, sodass man sie jederzeit herausnehmen kann. Im neusten Werk sind die Marken gedruckt, Helmut Reis besitzt natürlich dennoch jede einzelne. "Ich bin ein Allround-Sammler", schmunzelt der Eichstätter, er hat sich nie auf ein bestimmtes Land oder eine Region festgelegt.

Die Postgebiete reichen von Abchasien (Region im Süden des Kaukasus) bis Zypern. Um sie alle zu erfassen, hat Helmut Reis Kataloge und Lexika gewälzt, Fachliteratur gelesen und im Internet recherchiert. Bei Letzterem müsse man die Information oft aber noch einmal überprüfen. Im Lexikon "habe ich vermerkt, wo das Postgebiet ist und von wann bis wann es bestanden hat", erklärt er, dazu gesellen sich Informationen wie die Größe der Fläche, die Einwohnerzahl und wie viele verschiedene Marken es gab. Anschließend wird auch die Art vermerkt - etwa wie viele Frei- und wie viele Portomarken im Umlauf waren. Dabei kann eine große Menge zusammenkommen, selbst dann, wenn das Postgebiet nur für kurze Zeit bestand, wie etwa Altenstein im Deutschen Reich. 28 verschiedene Briefmarken wurden hier verwendet - von April bis August 1920. Andere Exemplare geben zunächst Rätsel auf: "Aunus" steht auf so mancher alten Briefmarke aus Finnland und auch das muss man auf der Landkarte erst mal finden - es handelt sich um die russische Kleinstadt Olonez, die Anfang des 20. Jahrhunderts kurzzeitig von Finnland besetzt war. "Kompliziert war aber China, insbesondere die Provinzausgaben", sagt Helmut Reis. Denn ob der Osten oder der Westen der Region Szechuan gemeint ist, erkennt das chinesische Auge sofort - jeder andere muss die vielen Schriftzeichen, die sich oft genug nur durch ein einzelnes unterscheiden, mühevoll abgleichen. Nicht nur das kostet Zeit, gerade die "billigeren" Marken musste sich der 87-Jährige bei Händlern selbst zusammensuchen. Keine Frage - ein Lexikon zu erstellen "ist sehr zeitaufwendig, aber man braucht ein Hobby", sagt er mit einem Augenzwinkern.

Viele Gebiete wurden zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich bezeichnet oder ihre Schreibweise änderte sich - zum Beispiel hat Helmut Reis für das Gouvernement "Dhofar" im Süden von Oman sechs verschiedene Arten gefunden, sie reichen von "Dhafar" bis "Zufar". Manchmal machen auch nur einzelne Buchstaben den Unterschied: "AT" als Aufdruck auf einer französischen Briefmarke bezeichnet die im 19. Jahrhundert unter Protektorat stehenden Gebiete Annam und Tonkin in Vietnam. Bereits seit den 90er Jahren arbeitet Helmut Reis an seinem Lexikon - "hin und wieder erfahre ich etwas Neues oder die Postgebiete ändern sich". Manchmal, wie im Falle des Kosovo oder Abchasien ist die Souveränität umstritten, unbestritten ist dagegen, dass dort Briefmarken gedruckt, aufgeklebt und gesammelt werden.

Mit Letzterem fing Helmut Reis, der Polizeibeamter im technischen Dienst bei der Bereitschaftspolizei Eichstätt war, an, als sein Sohn in den Kindergarten kam. "Die Eltern sollten Wohlfahrtsmarken kaufen", erinnert er sich, "ich habe mich dann schlau gemacht und bin schließlich zum Eichstätter Briefmarkensammlerverein gegangen." Dort ist er seit über 50 Jahren Mitglied und hat sich in den vergangenen Jahren den "Ganzsachen" zugewandt, im Voraus bezahlte postalische Formulare aller Art, wie etwa Umschläge und Postkarten. Doch auch sonst ist Helmut Reis mit sammeln, recherchieren und einordnen beschäftigt - er betreibt Ahnenforschung und hat Verwandte bis ins 16. Jahrhundert aufgespürt.

Tina Steimle