Roth
Wortgewitter voller Ironie

Kabarettist Jochen Malmsheimer geht in der Kulturfabrik auf eine Busreise

14.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:39 Uhr
Angestrengtes Mitdenken erfordert die schnelle Wortfolge des Kabarettisten. −Foto: Klier

Roth (HK) "Dogensuppe Herzogin - Ein Austopf mit Einlage", Untertitel: Nach Motiven von Erasmus von Rotterdam, der sich als einen Vermittler von Bildung sah, hat der Kabarettist Jochen Malmsheimer sein aktuelles Programm überschrieben. In der nahezu ausverkauften Rother Kulturfabrik präsentierte er es mit Wortspielereien und Wortgewalt dem begeisterten Publikum.

"Das Programm zerfällt in zwei Teile, ich beginne mit dem ersten", kündigt Malmsheimer an und sofort schüttet er ein Wortgewitter über seine Zuhörer aus, voller Witz und Ironie. Leider liest er aber sein gesamtes Programm ab, was die Wortfolge beschleunigt, angestrengtes Mitdenken erfordert und kaum Zeit für Applaus lässt. Schließlich will man ja nichts von den durchaus geistvollen Einlassungen überhören.

Die Zellulartelefone seien außer Betrieb zu nehmen, droht er: "Sonst werden Sie ein Teil der Unterhaltung und für das Gerät ist es das Aus!"

"Eine Busreise nach Venedig wäre schön!", spricht es eines Tages aus seiner Gattin. Zwölf Stunden lang in Anwesenheit einer Gruppe fremder Menschen zu sitzen? Davor graust es ihm. Da kriegt er ja Karies in den Knien. Busse und Buße: Die Wörter ähneln sich. Vor allem bei seinem dreidimensionalen Körper! Trotz allem: Reisen bildet. Und er fährt mit. Eine hochbarocke Dame wirft sich vor ihm in den Sitz, der gegen seine Knie kracht. "Ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt!", poltert Malmsheimer gegen einige Lacher an. Er stellt sich mit stets wandelbarer Stimmlage auf die verschiedenen Situationen ein und schreckt auch vor unerwartet lautem Schreien nicht zurück.

Vorne im Bus sitzen ein gedungener Kutscher und ein dürrer Reiseleiter. Schlechtes Serbisch oder halbes Deutsch sind von dort zu vernehmen. Gekleidet sind seine Reisegenossen in Marinebeige oder schlammfarbenes Rehgrau, da sticht sein prickelndes Zimt deutlich hervor. Das Paar hinter ihm redet sich mit Mutti und Vati an. Auf der Rückbank haben Jugendliche, offensichtlich gezwungenermaßen dabei, ein Feldlager aufgeschlagen. Die Boombox dröhnt. Sie unterhalten sich in "getippter Spreche" mit ihrem Handy, obwohl sie nebeneinander sitzen: Mehr Unfug war nie.

Das liegt vielleicht am Testosteron. Test und Ost: Das sind zwei Wörter, die kritisch machen. Hinten schnarchen Mutti und Vati mit zurückgebeugtem Kopf und offenem Mund. Eine Amsel würde da einen Wurm hineinstopfen. "Ich fühle mich fremd im eigenen Bus", jammert Malmsheimer. In der Fernsehanlage wird eine Talkshow über Bildung gezeigt. Fürchtegott hieß einer der Teilnehmer früher. Er ist verantwortlich für Abschiebungen und hat seinen Namen in Fürchteallah geändert. Nur nicht provozieren! Jetzt sollte die Regie einen Tusch einspielen. Das klappt erst mit Verzögerung. "Sekundenschlaf!", stellt der Kabarettist schlagfertig fest. Nicht alle in der Bildungsrunde sind wirklich gebildet. Bildung ist, dass man was weiß, wird da erklärt. Dazu muss man lesen, man braucht eine Lektüre. "Ist das ein Befehl, an der Pforte zu lecken?" Bildung ist offensichtlich ein "Perpetuum debile".

Gerne möchte Malmsheimer, er sitzt ja immer noch im Bus und drunter zieht in der Dunkelheit Bayern durch, sich mal die Beine vertreten. "Die Füße darf man sich aber nicht vertreten", sinniert er. Essen gibt es im Bus allenfalls aus der Dose. Aber, es sei schon merkwürdig, dass Konservendosen bereits 1810 erfunden worden sind, der Dosenöffner aber erst 1855. Immerhin habe ja der Ingenieur Erwin Tupper aus dem Ort Langenweiler eine Kunststoffdose erfunden. Seine Frau habe darin Obst und Wurst zu den Nachbarn gebracht. Das war die Geburtsstunde der Tupperparty. Aus einer solchen Dose wird Malmsheimer selbst gemachter Kartoffelsalat angeboten. Bereits angegoren, wie sich später herausstellte.

Inzwischen liegt ein allgemeines Grundröcheln in der Luft. Auch er schläft ein und der Kartoffelsalat tut ein Übriges. Plötzlich sind im Bus die Gestalten seiner Kindheit und Jugend versammelt. Neben ihm sitzt nicht mehr seine Frau, sondern Käpt'n Silverstone. Aber da sind auch noch Wilhelm Tell, der Recke Siegfried, der Lokomotivführer Lukas, Martin Luther, Robin Hood, Winneone, Winnetwo, Winnethree, Sam Hawkins, der Doge von Venedig, Odysseus, Kriemhild, Cleopatra und wie sie alle heißen. Malmsheimer spielt sie in verteilten Rollen und mit spezifischen Stimmen in einem atemberaubend schnellen Dialog. Zuletzt lädt der mitreisende Doge alle in seinen Palast in Venedig zur Suppe ein. Einmal verhaspelt Malmsheimer sich und kann vor lauter Lachen nicht weitermachen. Das Publikum quittiert es mit Applaus.

Häufig kommt er auf den Begriff Bildung zurück und fragt sich, ob angesichts mancher politischen Parteien doch manche Menschen schon als A?.löcher auf die Welt kämen?! Cogito ergo dumm? Er empfiehlt, daheim die Glotze auszumachen und den Kindern etwas vorzulesen.

Frenetischer Applaus holt den Kabarettisten, der übrigens jüngst mit dem Deutschen Kabarettpreis ausgezeichnet wurde, mehrmals auf die Bühne zurück. Da muss eine Zugabe folgen, die mit einem Wortschwall aus Bud Spencers Mund beginnt und mit dem Irischen Segenswunsch à la Jochen Malmsheimer endet: "Möge der Wind in Deinem Rücken nie der eigene sein!"

Manfred Klier