Leutershausen
Wider die Monotonie auf Friedhöfen

"Ich will abends sehen, was ich tagsüber gemacht habe" - Thomas Weißkopf über seinen Traumberuf Steinmetz

12.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:03 Uhr
Daniel Staffen-Quandt
Thomas Weißkopfs Liebe gilt der Ornamentik - blühende steinerne Rosen sind eine seiner Spezialitäten. −Foto: Stein Hanel/epd

Leutershausen (epd) Noch vor rund 20 Jahren herrschte auf vielen Friedhöfen Monotonie: Dunkelgrauer Granit, hochglanzpoliert, goldene Lettern.

Das ist heute anders - und liegt auch daran, dass sich die Steinmetz-Branche gewandelt hat. Ein Grabstein-Schaffer erzählt.

Es ist kurz nach 7 Uhr morgens, draußen ist es noch dunkel und klamm, der Herbst ist da. Thomas Weißkopf steht im Neonlicht, rings um ihn herum wummert, klappert und staubt es. Mit Atemschutz im Gesicht, Gehörschutz auf dem Kopf und Winkelschleifer in der Hand bearbeitet er einen riesigen weißen Steinblock vor sich. Nach und nach erkennt man die Konturen eines Engels - oder ist es doch ein Adler? Jedenfalls große Flügel. Der 50-jährige Steinmetz übt seinen Beruf bereits seit mehr als drei Jahrzehnten aus, fast jeden Tag hat er mit dem Tod zu tun, fertigt Grabsteine: "Ich mache meine Arbeit sehr gerne. Nach wie vor. "

Vielleicht, sagt er, liegt das auch daran, dass Friedhöfe heutzutage keine grauen Steinwüsten mehr sind. Galt noch vor 20 Jahren der dunkelgraue Granit - auf Hochglanz poliert und mit goldener Schrift - als Standard und Nonplusultra als Grabstein, hat heute wieder die Vielfalt auf den Friedhöfen Einzug gehalten. "Das war früher ja auch anders", erläutert Weißkopfs Chef, Alexander Hanel. Seit 70 Jahren, in mittlerweile dritter Generation, betreibt seine Familie in Leutershausen bei Ansbach einen Steinmetzbetrieb. Die Monotonie auf den Friedhöfen sei erst in den 1970er-Jahren aufgekommen.

Hanel, der sich neben seinem Job als Firmenchef auch als Veranstalter des Friedhofskulturkongresses überregional in der Branche einen Namen gemacht hat, wirbt zusammen mit vielen Kollegen seiner Zunft für mehr Vielfalt auf dem Friedhof. Das scheint auch geklappt zu haben. Farbige oder gar mehrfarbige Grabsteine sind heute keine Seltenheit mehr, auch neue Materialien wie Stahl und Glas werden verwendet. "Noch vor zwei Jahrzehnten wäre das undenkbar gewesen - viele Friedhofssatzungen haben alles strikt reglementiert", sagt Hanel: "Da hat sich einiges getan, im positiven Sinn. " Auch, weil die Branche Druck gemacht habe.

Für Steinmetz Weißkopf ein Segen, wie er sagt. Zum Beruf gekommen ist er über seinen Nachbarn - ebenfalls ein Steinmetz: "Der hat zu Hause immer so schöne Dinge gemacht. Ich durfte ihm als Jugendlicher helfen, das hat mich begeistert. " Die kunsthandwerkliche Seite seines Berufs ist ihm die liebste. "Ich mach' natürlich auch einfach goldene Schrift auf den Stein, wenn das gewünscht ist", berichtet er. Seine Liebe aber gilt der Ornamentik - blühende steinerne Rosen sind eine seiner Spezialitäten. Oder auch sogenannte Steinradierungen. "Das ist wie eine Tätowierung auf der Haut. Nur eben auf einer polierten Steinplatte", erklärt er.

Obwohl er seit mehr als 30 Jahren in einem körperlich anstrengenden Beruf arbeitet - seine Gesundheit ist tipptopp, sagt er: "Rückenprobleme habe ich keine. " Was vielleicht auch daran liegt, dass er immer in Betrieben gearbeitet hat, die Wert auf gute Ausstattung in der Werkstatt gelegt haben. Seit zwölf Jahren ist er bei Hanels tätig: "Wir haben Kräne, Rollen, und so weiter. Hier muss niemand schwerer heben als nötig. " Lärm und Staub gehören bei aller Absaugtechnik und Schutzkleidung zum Steinmetz-Beruf dazu, sagt Weißkopf: "Ich sehe abends halt anders aus, als jemand, der in der Bank arbeitet. "

Aber nicht nur deshalb hat der Steinmetz-Beruf, vor allem der Bereich Grabsteine, ein Image-Problem. "Neben dem Nachwuchsmangel, den es in allen Bereichen gibt, kommt bei uns noch erschwerend zum Beispiel die Diskussion um Kinderarbeit hinzu", sagt Hanel. Das könnten die Kunden leicht umgehen, indem sie einfach einheimische Steine für die Grabsteine oder Skulpturen als Material auswählten. Aber selbst bei den Steinen aus Indien sieht Hanel das differenzierter: "Es gibt Fotos von Kindern in Steinbrüchen, ja, aber: Bislang gibt es nicht einen Nachweis, dass Kinder dort tatsächlich deutsche Grabsteine hauen würden. "

Er verweist auf einen Bericht von Unicef vom Mai dieses Jahres, der zu einer ähnlichen Einschätzung kommt: "Und, um es mal ganz deutlich zu sagen: Die Gefahr, Produkte aus Kinderarbeit zu kaufen, ist bei Kaffee, Tee, Kakao und elektronischen Geräten wie zum Beispiel Handys um ein Zigfaches höher. " Die pauschale Kritik schade den Steinmetzen enorm - und damit auch Leuten wie Thomas Weißkopf, der seinen Job über alles liebt: "Ein Bürojob käme für mich nie infrage. Ich bin ein Schaffer. Ich muss abends sehen können, was ich tagsüber gemacht habe. " Sagt's und greift nach dem Pressluft-Meißel.

Daniel Staffen-Quandt