Hilpoltstein
Führungspremiere im Fackelschein

Stadtarchivarin Annett Haberlah-Pohl leitet unerwartet die vorweihnachtliche Wanderung durch Hilpoltstein

17.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:25 Uhr
  −Foto: Tschapka

Hilpoltstein (HK) Fast wie bestellt ist die Hilpoltsteiner Altstadt zur vorweihnachtlichen Fackelwanderung für die ganze Familie am Sonntagabend unter einer dünnen Schneedecke gelegen. Angeführt wurde die Gruppe diesmal aber nicht wie gewohnt von einem offiziellen Nachtwächter.

Denn Andreas Scheuerlein, der Nachfolger des legendären Nachtwächters Gottfried Gruber, war krankheitsbedingt verhindert. Als eine überaus würdige Vertreterin, um die Tour anzuführen und allerhand Wissenswertes über die Stadt und ihre Geschichte zu erzählen, erwies sich aber Annett Haberlah-Pohl. Die Hilpoltsteiner Stadtarchivarin und Kreisheimatpflegerin des Landkreises Roth schritt zwar ohne Umhang und Hellebarde voran, trug aber eine Laterne und wusste wie die Nachtwächter viele Geschichten über die Burgstadt und ihre lebhafte Historie zu erzählen.

Für ihre erste Führung durch Hilpoltstein war Annett Haberlah-Pohl jedenfalls gut gerüstet, hatte sie früher schon ähnliche Führungen durch Nürnberg geleitet. "Ich bin jedenfalls froh, heute einmal aus meinen verstaubten Archiv herauszukommen, um gemeinsam mit Ihnen die nächtliche Stadt zu erforschen", sagte die Nachwächter-Aushilfe zu den rund 80 kleinen und großen Teilnehmern, die sich für die Wanderung vor der Residenz versammelt hatten, bevor die Fackeln entzündet wurden und im leichten Schneefall die Hilpoltsteiner Kirchentreppe erklommen wurde.

An einer Seitentür der Stadtpfarrkirche erklärte Haberlah-Pohl zunächst die wichtige Rolle, die die Kirche im Mittelalter für die Menschen in Hilpoltstein spielte. Wer jedoch nicht regelmäßig den Gottesdienst besuchte, der konnte eine so genannte Kirchenstrafe auferlegt bekommen. "Zum Beispiel musste der Betreffende mit einer Kerze in der Hand eine ganze Nacht vor der Kirche verbringen", berichtete Haberlah-Pohl. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei, ebenso wie die Versuche, die Hilpoltsteiner Burg - sie war die nächste Station der Führung - mit Gewalt zu erobern.

Dieses Vorhaben erwies sich damals allerdings als ziemlich schwierig. Denn früher wurde oft ein schwerer Rammbock benutzt, um die Tore einer belagerten Burg aufzubrechen, was aber auf einem so steilen Weg wie dem zum Hilpoltsteiner Burgtor eine ziemlich kraftraubende Aufgabe darstellte. "Das ist auch einer der Gründe, warum die Hilpoltsteiner Burg niemals erobert werden konnte", sagte Haberlah-Pohl.

Der Freyerskeller, in dem üblicherweise das Christkind den Fackelwanderern seinen Besuch abstattete, wurde diesmal ausgelassen. Stattdessen ging es auf der Rückseite der Burg, gleich neben dem Schlossbuck, in die Stadt zurück. Die Fackeln spiegelten sich idyllisch im Stadtweiher, als die Gruppe am Jahrsdorfer Haus ihren nächsten Stopp einlegte. Da dieses mächtige Gebäude aus Steinen erbaut wurde, könne man auf den Reichtum der damaligen Bewohner schließen. "Daher kommt auch der Begriff steinreich", erklärte Haberlah-Pohl.

Einst wohnte im Jahrsdorfer Haus auch ein gewisser Josef von Gallen, der zur Zeit der Pest lebte und auch an dieser Krankheit starb. Sein letzter Wunsch war, auf einem weit entfernten Friedhof bestattet zu werden, weil er wusste, wie ansteckend die Seuche war und er seine Familie schützen wollte. Leider wurde ihm dieser Wunsch nicht erfüllt, und er kam in die Familiengruft. "Deshalb erzählt man sich, dass sein Geist immer in der Nacht zum 13. Juli hier umhergehen soll. Ich habe ihn aber leider noch nicht gesehen", erzählte die Stadtführerin, und die Kinder bekamen ganz große Augen bei dieser Vorstellung.

Große Augen bekamen die vielen Mädchen und Jungen auch im Hof der Residenz, wo sich das Christkind den nächtlichen Wanderern zeigte. Von einem Fenster im ersten Stock der Residenz erzählte es die Geschichte von einem Sternenengel und kündigte anschließend an, nach unten zu den Kindern zu kommen, um kleine Geschenke zu verteilen.

Nach dem Auftritt des Christkinds - die Fackeln waren inzwischen schon erloschen - verabschiedeten sich die meisten Familien von ihrer Stadtführerin. Alle anderen folgten ihr noch zur letzten Station, der Glühweinhütte auf dem Marktplatz. Dort erzählte Haberlah-Pohl noch einiges zum Weihnachtsfest, das sich in seiner heutigen Form mit Weihnachtsbaum und -märkten, erst im 19. Jahrhundert entwickelt hatte. "Und der Glühwein ist sogar erst eine Erfindung des 20. Jahrhunderts, davor gab es höchstens Grog oder heißen Tee mit Schnaps", sagte Haberlah-Pohl über das beliebte Heißgetränk, welches sich einige der Teilnehmer zum Abschluss der eineinhalbstündigen Führung gerne genehmigten, um sich wieder etwas aufzuwärmen.
 

Tobias Tschapka