Greding
Christkind in den Spuren der großen Schwester

07.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:04 Uhr
Die Sachen der Schwester passen: Als Gredinger Christkind setzt Madita Nemitz auf das Kleid und die Krone, die Julia Nemitz vor vier Jahren getragen hat. Am heutigen Samstagabend spricht Madita den Prolog vor dem Rathaus. −Foto: Luff

Greding (DK) Den Brief ans Christkind schreibt sie schon lange nicht mehr. Ein Brief - mit dem Christkind als Inhalt - jedoch war es, der in der Familie Nemitz im Oktober nicht nur Jubelstürme ausgelöst hat, sondern sogar Freudentränen.

"Ich hatte schon feuchte Augen", gesteht Madita (14). Als sie las, dass die Kulturamtschefin Bettina Kempf ihr die Rolle als Christkind anbot. Und sie war nicht die Einzige, die davon gerührt war: "Mama hat auch geweint. " Schon das zeigt, welch großen Stellenwert das Weihnachtsfest bei der Gredinger Familie Nemitz besitzt. Im Besonderen bei Madita, die als Zehnjährige miterlebt hat, als sich ihre große Schwester zum ersten Mal die Krone aufsetzen durfte. Schon damals träumte sie davon, auch einmal die Rolle übernehmen zu dürfen. Darf sie jetzt, deutlich früher als erwartet: "Ich dachte erst mit 16." Denn so alt war seinerzeit Julia Nemitz vor vier Jahren, so alt war auch Hanna Neeser vor zwei Jahren, der Madita nun nachfolgt. Am heutigen Samstag hat sie ihren ersten großen Auftritt, wenn sie um 18 Uhr den Prolog vor dem Rathaus spricht.

Auch Julia habe sich sehr für ihre kleine Schwester gefreut, als sie tags darauf die frohe Kunde vernahm, erzählt Madita. "Sie hat gesagt, dass ich jetzt in ihre Fußstapfen treten kann. " Genau das will die Jüngere auch tun. Optisch gleichen sie sich ohnehin frappierend, ebenso wie seinerzeit die Große benötigt auch die Kleine keine Perücke, um als Christkind zu glänzen. Das rotblonde Haar fällt ihr wallend über die Schultern. Doch nimmt sich Madita auch bei der Ausstattung ein Beispiel. Bürgermeister Manfred Preischl habe ihr freie Hand gelassen, zeigt sie sich erleichtert. So trägt sie nicht das Kleid, das Elisabeth Geyer vor zwei Jahren eigens für das Gredinger Christkind genäht hat, und sie trägt auch nicht die Krone, die ihre Vorgängerin Hanna erstmals auf dem Haupt hatte. Alles soll so sein wie vor vier Jahren. "Meine Schwester wird mir ins Kleid reinhelfen und quasi ihr früheres Amt übergeben", sagt Madita und strahlt.

Obwohl es seit Jahren ein inniger Wunsch von ihr ist, Christkind sein zu dürfen - "es macht Spaß in die Rolle zu schlüpfen und das Leuchten in den Augen der Kinder zu sehen" - hat sie vor dem großen Auftritt am Samstagabend auch ein wenig Bammel: "Ich will ja nichts Falsches sagen und Träume zerstören", sagt Madita, "man muss für die Kinder den Zauber bewahren. " Dass ihr das gelingt, dazu besitzt sie die besten Voraussetzungen, ja geradezu Routine. "Sie war schon immer auf der Bühne", sagt Mutter Kerstin Nemitz, "das ist einfach ihre Welt. " In der Tat: Einem großen Teil der Gredinger dürfte Madita noch aus ihrer Zeit als Kinderprinzessin der Gredonia bekannt sein; in der Faschingssaison 2013/14 war das, sie war die bis heute letzte junge Prinzessin.

Seither sind noch viele Auftritte hinzugekommen. Seit zehn Jahren tanzt das Christkind Ballett, außerdem in der Showtanzgruppe in Thalmässing, sie musiziert im Blockflötenensemble in Hilpoltstein, singt in der Kirche - "und in Italien im Urlaub", erzählt Madita und lacht. Beim Animationsprogramm am Stamm-Campingplatz der Familie hat sie bereits drei Mal mit ihrer Stimme überzeugt und den Wettbewerb gewonnen. Vom Talent der Tochter angetan, haben die Eltern sie vor Kurzem heimlich bei der Fernseh-Talentshow "The Voice Kids" angemeldet, zwei Tage vor dem Casting in München. Prompt wurde Madita noch kurzfristig eingeladen, großartig vorbereiten konnte sie sich allerdings nicht mehr auf ihr Vorsingen. Weshalb es mit dem TV-Auftritt letztlich doch nicht ganz geklappt hat. Madita nimmt es gelassen hin: "Die Erfahrung zu machen, war schön. " Zu sehen, dass Gleichaltrige ähnliche Interessen haben und ebenfalls großes Talent besitzen, "mit zweien habe ich noch Kontakt". Nicht zuletzt steht Madita Nemitz sogar in der Schule auf der Bühne, die Neuntklässlerin - sie besucht die Realschule in Hilpoltstein - spielt in der AG Theater.

Jetzt kann sie zwei Jahre lang das Christkind in ihrer Heimatstadt verkörpern, eine Rolle, die ihr auf den Leib geschneidert zu sein scheint. "Ich liebe eh die Weihnachtszeit", sagt Madita - und ihre Augen strahlen dabei, als wäre sie selbst noch das kleine Kind, das vor dem Christkind steht. Dabei ist das Nesthäkchen der Familie mittlerweile so alt, dass die Eltern vom weihnachtlichen Ritual früherer Jahre ein kleines Stück abweichen: "Seit letztem Jahr darf Madita den Baum mit schmücken", erzählt Kerstin Nemitz.

Vor der Bescherung wird Madita aber noch immer Flöte spielen, sie beherrscht Sopran- und Altflöte, spielte vier Jahre Klarinette und "ein bisschen Klavier". Dass sie das Tasteninstrument auch noch lernte, hatte einen bestechend einfachen Grund: "Mit Blasinstrumenten kann ich nicht singen", sagt die musikalische Gredingerin.

Ihr Theaterspiel wird ihr vielleicht helfen, den Prolog des Christkindes - der aus der Feder des verstorbenen hiesigen Schriftstellers Ottokar Wagner stammt - zu lernen, wenngleich Madita bremst: "Ganz auswendig werde ich ihn wohl nicht vortragen. "

Wichtiger als die Perfektion am Mikrofon ist Madita die wahre Verkörperung des Himmelsboten. Für die Kinder, indem sie deren Wunschzettel annimmt, mit ihnen für Fotos posiert und mit ihnen im Archäologiemuseum bastelt. Aber auch für die ältere Generation: "Ich möchte ins Altersheim gehen", sagt der Teenager bestimmt. In ihrem ersten Jahr als Christkind - alle zwei Jahre schlüpft ein neues Mädchen in die Rolle - hat Julia Nemitz im Seniorenheim St. Magdalena am Tag vor Heiligabend die Bewohner besucht und jedem Einzelnen die Hand geschüttelt; im zweiten Jahr schaffte sie es nicht mehr, sie war inzwischen nach München gezogen. "Das war Wahnsinn! ", schwärmt Mutter Kerstin noch heute. Der Engel Madita war seinerzeit nicht dabei. "Aber ich habe die Erzählungen gehört", sagt sie, "deshalb will ich da unbedingt hin. "