Höllental
"Viele Menschen sind gegen alles"

Am Sonntag stimmt eine Frankenwaldgemeinde über die größte Fußgänger-Hängebrücke der Welt ab

20.07.2018 | Stand 23.09.2023, 4:09 Uhr
Heinz Wraneschitz
Am höchsten Punkt würde die geplante Fußgänger-Hängebrücke 170 Meter über der Talsohle führen. −Foto: Wraneschitz

Höllental (HK) Eigentlich haben Brücken die Aufgabe, über Gräben hinweg zu verbinden. Doch im Frankenwald baut ein Brückenprojekt im Höllental zurzeit tiefere Gräben auf, als die dort fließende Selbitz schon einen hat.

Der Grundsatzbeschluss steht: Über das idyllische Höllental im Frankenwald soll die längste Fußgänger-Hängebrücke der Welt führen. Die soll den Tourismus wieder auf Touren bringen, der seit dem Fall der Grenzzäune zwischen Ost- und Westdeutschland 1989 ziemlich einbrach. Der Kreistag von Hof/Saale hatte Mitte 2017 den Weg für das Zwölf-Millionen-Euro-Projekt freigemacht. Eigentlich. Aber jetzt sollen die Bürger in den beiden Orten an den Brückenenden entscheiden, ob ihre Stadt- und Gemeindeoberen die Kreis-Planungen unterstützen oder verhindern sollen.

Schon am 22. Juli sind die Wahlberechtigten in Issigau an der Reihe. Zu der Gemeinde mit knapp 1000 Einwohnern gehört die mitten im Wald liegende (laut Wikipedia) "Streusiedlung Eichenstein" mit ihren etwa zwei Dutzend Häusern. In einem lebt die Familie von Stefan Pfeiffer, einem Unternehmer. Er und einige Mitstreiter haben unter den etwa 800 Wahlberechtigten aus Issigau 145 gefunden, die ihre "Initiative Höllental" (IH) unterstützt haben. Deren Bürgerbegehren "Gegen die Errichtung einer Fußgängerbrücke über das Höllental" steht am Sonntag zur Abstimmung. Die Gemeinde solle "sicherstellen, dass das Projekt nicht verwirklicht wird" und es auch nicht mehr unterstützen.

Der Gemeinderat legte dazu ein eigenes Ratsbegehren zur Abstimmung vor. Issigau will sich von der eventuellen Pflicht befreien, rechtlich gegen das Brückenprojekt vorgehen zu müssen: Die Kosten seien unkalkulierbar, ist als Grund genannt. Und damit es bei unklarem Ausgang der beiden Entscheide einen letztgültigen Bürgerwillen gibt, fehlt auch die Stichfrage auf dem Zettel, um mit einem dritten Kreuz den Lieblingsbürgerentscheid zu kennzeichnen.

Unstrittig am Projekt: Der Ausblick wäre auf jeden Fall spektakulär, vor allem von der Höllentalbrücke, dem östlichen Part des Wegs. Etwa 140 Meter misst der größte Höhenabstand zwischen dem Steg und dem Tal mit seinen schroffen Felsen, den dichten Wäldern; ein Wasserkraftwerk direkt darunter gibt es auch. Von der westlichen Lohgrabenbrücke würde der Blick weit nach Norden in den Thüringer Wald reichen.

Aber Stefan Pfeiffer glaubt nicht an einen langfristigen Tourismus-Push. "Kurzfristig ja. Aber meist Tagesausflügler", erwartet er, nicht Gäste, die länger bleiben. Und vor allem: "Uns treibt der Naturschutz um, die Begleiterscheinungen des Massen-Wochenendtourismus" im Höllental, das seit 1997 unter Naturschutz stehe und in dem laut dem damals erstellten Gutachten sogar "der Wandertourismus eingeschränkt werden soll. Das Brücken-Projekt läuft in die gegenteilige Richtung", begründet er seine Rundum-Ablehnung.

Nur halb so groß scheint die Ablehnung beim Bund Naturschutz. Der schlug öffentlich vor, erst einmal nur das Lohnbachtal zu überbrücken, um zu sehen, wie sich die Nachfrage entwickelt. Bei der Politik dringen beide damit nicht durch. "Wir sehen weit über den Frankenwald hinaus Interesse", meint beispielsweise Hofs Landrat Oliver Bär (CSU). "Der Planungsprozess schreitet voran, wir informieren als Projektträger bestmöglich."

Natürlich kennt der genauso wie Holger Knüppel (CSU/ULB), der Bürgermeister von Lichtenberg in Oberfranken, den aktuellen Brücken-Weltrekord. Den hält ein 494 Meter langer Fußgängersteig in der Schweiz. Dort war Knüppel noch nicht. Aber den 360 Meter langen Weg durch die Luft am "Geierlay" im Saarland ist er schon gegangen und war begeistert.

Doch obwohl er sicher ist, die 720 Meter lange Brücke über das Tal der Selbitz würde alle bisherigen toppen, wirkt Knüppel frustriert: "Man jammert rum. Aber wenn du etwas machst, ist es auch nicht richtig. Viele Menschen wollen gar keine Veränderung, sie sind gegen alles."

Denn auch in seiner Kleinststadt mit etwas über 1000 Einwohnern haben Brückengegner Unterschriften gesammelt. 104 waren es, genug für einen Bürgerentscheid. Der steht nun am 16. September zur Wahl. Knüppel bekennt sich offen zur Brücke. Und er hofft, dass ihm möglichst viele Ratsmitglieder folgen, um "die Befürworter zur Wahl zu bringen". Denn sonst müsse "die Stadt Lichtenberg politische und rechtliche Mittel ausschöpfen, um das Projekt zu verhindern": Das fordern die Gegner im Text des dortigen Bürgerentscheids.

Heinz Wraneschitz