Eichstätt
Viel mehr als Notenlesen

Domkapellmeister Christian Heiß hat in seiner Arbeit mit Musik, aber auch mit Pädagogik zu tun

09.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:43 Uhr
Eine der Hauptaufgaben des Domkapellmeisters: Der Probensaal im neuen Haus der Kirchenmusik bietet Christian Heiß bessere Möglichkeiten, mit seinen Chören zu arbeiten. Die Sänger von der Kindheit an zu begleiten und im Idealfall auch noch als Erwachsene, das begeistert den Musiker und Dirigenten, aber auch den Pädagogen in ihm. −Foto: Foto: Klenk

Eichstätt/Greding (HK) Organist und Organisator, Musiker und Lehrer, Chorsänger und Chorleiter, Komponist und Chef: All diese Begriffe treffen auf Christian Heiß zu.

Als Sänger bei den Regensburger Domspatzen legte er als zehnjähriger Bub aus Greding den Grundstein für seinen Beruf, heute ist der 51-Jährige, salopp gesagt, der oberste Kirchenmusiker in der Diözese Eichstätt.

Korrekter ausgedrückt bekleidet Christian Heiß zwei Ämter: Er ist Domkapellmeister und damit Chef der Eichstätter Dommusik und gleichzeitig Diözesanmusikdirektor, der Leiter des Amtes für Kirchenmusik. Dass diese beiden Aufgabenbereiche in einer Person vereint sind, ist in den meisten anderen Diözesen so nicht üblich. Für Christian Heiß bedeutet es, dass seine Tätigkeit vielfältig ist und dass er viel mit Menschen zu tun hat. Beides schätzt er sehr.

Sein Musikerherz schlägt vor allem für die Aufgaben eines Domkapellmeisters: die Liturgie musikalisch zu gestalten. Er leitet acht Chorgruppen. Obwohl er mit Laiensängern arbeitet, ist der Anspruch hoch. Als Kathedralmusik am Dom habe man eine Leuchtturmfunktion. Sein Auftrag laute, Kirchenmusik auf besonders hohem Niveau zu bieten, sagt Heiß.

50- bis 60-mal im Jahr sind die Chöre allein damit beschäftigt, die Liturgie musikalisch zu gestalten. Dazu kommen Konzerte im Dom und auswärts. Das will vorbereitet sein. Nachmittags heißt es für Christian Heiß den Nachmittag über und manchmal bis in den Abend hinein proben, proben, proben. Dazu kommt ab und zu auch mal ein Probenwochenende. Am Wochenende ist für die Ensembles Auftrittszeit: "Dann wird's richtig schön", findet der Domkapellmeister.

All das verlangt nicht nur von ihm selbst, sondern auch von den Sängern eine Menge Disziplin. "Wenn jemand das von Klein auf mitbekommen hat, dann ist das keine Diskussion mehr", meint Heiß. Gute Musik beruht eben zu einem wesentlichen Teil auf Durchhaltevermögen und Fleiß. Vielen Sängerinnen und Sängern kann Heiß diese Tugenden von Anfang an vermitteln. Denn der Domchor zieht sich in Nachwuchsgruppen seine eigene Zukunft heran. Kinder und Jugendliche vom Vorschulalter bis zum Abitur hat Christian Heiß in seinen Chören.

Die Nachwuchsarbeit liege ihm sehr am Herzen, sagt er. Aber: Sie werde nicht einfacher. Immer schwerer lassen sich die jungen Sänger davon überzeugen, dass sie regelmäßig zu den Proben und Auftritten erscheinen sollen, dass sie sich in Beständigkeit üben müssen. "Sich zu etwas entscheiden und dann dabei bleiben ist nicht mehr selbstverständlich in der heutigen Zeit", weiß der Domkapellmeister. Ein besonders einschneidender Punkt sei die Einführung des G8 gewesen. Da gab es einen deutlichen Unterschied in der Konzentrationsfähigkeit, meint er. Er ist froh, dass die Politik nun wieder von diesem "falschen Bildungsideal", wie er sagt, abgerückt ist.

Trotz aller Schwierigkeiten: In der Nachwuchsarbeit erlebt Christian Heiß, wie sehr das Chorsingen nicht nur der musikalischen Bildung, sondern auch der Persönlichkeitsentwicklung dient. Er habe Kinder erlebt, die anfangs kaum einen Ton herausgebracht haben. Irgendwann stehen sie selbstverständlich da und präsentieren ihre Stücke - und auch sich selbst. "Wer singt, zeigt automatisch etwas von sich her", findet Heiß. Es begeistert ihn, wie Menschen mit dem Singen aufblühen. Dabei geht es um viel mehr als um Notenlesen und Stimmbildung: aufeinander hören, andere mittragen oder manchmal auch ertragen. "Chorsingen ist Gemeinschaft", sagt Christian Heiß. Sogar Freundschaften fürs Leben entwickeln sich in der Dommusik. Und bei den Ehemaligentreffen ist der Domkapellmeister stolz, wenn er sieht, was aus den Buben und Mädels geworden ist. "Der Samen, der da gepflanzt wird, der wächst durchs Leben hindurch", sagt er über die Arbeit in den Chören.

Ausbildung ist überhaupt eine Aufgabe, die Christian Heiß viel begleitet: In seiner Tätigkeit im Amt für Kirchenmusik geht es darum, die ganze Diözese mit Organisten und Chorleitern zu versorgen. Dafür gibt es ein Aus- und Fortbildungsprogramm, das Heiß mit seinem Team organisiert. Auch eine Beratungsbibliothek für liturgische Werke gibt es - das Amt ist die Anlaufstelle für alle Fragen, die bei Kirchenmusikern in der Diözese so auftauchen.

Neben all seinen musikalischen und verwaltungstechnischen Aufgaben muss Christian Heiß aber noch für eine weitere Person Verantwortung übernehmen: für sich selbst. "Als Musiker muss ich schauen, dass ich Musiker bleibe", sagt er. Und das bedeutet: Er muss sich gezielt Zeit aus seinen vollen Wochen "herausschneiden", wie er es beschreibt. Und in dieser Zeit übt er am Klavier. Schließlich bleiben die musikalischen Fähigkeiten auch bei einem Profi nicht von selbst erhalten. Christian Heiß gönnt sich, wenn möglich, frühmorgens seine private Musikzeit, eineinhalb Stunden, bevor er in die Arbeit geht. Um sich selbst einen Ansporn zu setzen, nimmt er noch wenige Anfragen für Orgelkonzerte auswärts an - da geht es dann ausnahmsweise nur um ihn als Solisten.

Eine weitere teils private, teils berufliche Leidenschaft von Christian Heiß konkurriert mit der knappen Übezeit: das Komponieren. Auch das tut er früh morgens, oder selten auch in einer schlaflosen Nacht. Musik für den Anlass neu zu schreiben sieht Heiß als "Merkmal einer Domkapellmeisterei". Das zu leisten, sei in Eichstätt Tradition und auch sein eigener Anspruch. Schon als Jugendlicher hat er sich am Komponieren versucht, inzwischen macht er manchmal auch Auftragsarbeiten für Kollegen - die er dann oft auch für die eigene Dommusik gebrauchen kann. Sein Fokus ist der Chor: "Das ist das, was am ehesten rausfließt", meint er. Heiß' Stil ist eher harmonisch als atonal. "Wenn ich Kirchenmusik schreibe, soll es den Leuten beim Beten helfen. " Ein Höhepunkt seines Schaffens: Die Deutsche Bischofskonferenz bat ihn, als offizielles Geschenk an den damaligen Papst Benedikt XVI. dessen Primizspruch zu vertonen.

Bei den vielen Aufgaben und Funktionen, die Christian Heiß erfüllen muss, gilt für ihn vor allem eines: Balance halten. Immer wieder muss er abwägen, was geht und was nicht. Schließlich hat er auch noch eine Frau und drei Kinder, die sich freuen, wenn er zu Hause ist. Dennoch lautet sein Motto, so weit es geht: Dran bleiben und etwas auf die Beine stellen. "Ich finde, dass man in diesem Beruf so viel zu geben hat und so viel geschenkt bekommt, dass man das nicht brach liegen lassen darf", sagt Christian Heiß.