Hilpoltstein
Ruhe bewahren und hoffen

In der US-Wahlnacht muss Wayne Lempke den Traum vom großen Sieg Joe Bidens schnell begraben

04.11.2020 | Stand 23.09.2023, 15:13 Uhr
Das Dörfchen Dixville Notch in New Hampshire ist nicht nur früh dran, es gibt auch keine Zweifel, wer der richtige Präsident wäre: Joe Biden. Alle fünf Stimmen gehen an ihn, Donald Trump geht leer aus. Während aber die Auszählung der Stimmen in Dixville Notch eine schnelle und einfache Sache war, dürfte es jetzt noch sehr kompliziert werden, bis der Präsident −Foto: Eisen, dpa

Hilpoltstein - Vier weitere Jahre für Trump?

 

"Das wäre die größte Katastrophe", sagt Wayne Lempke. Eigentlich ist der gebürtige US-Amerikaner davon ausgegangen, dass er sich am Mittwoch nach der Wahl mit dieser Frage gar nicht beschäftigen muss. "Ich habe gehofft, dass Joe Biden einen großen Sieg erringt. " Einen Sieg, der am Mittwochmorgen bereits unter Dach und Fach ist.

Doch die Zweifel am klaren Sieg sind Lempke, der 1991 nach Deutschland gekommen ist und in Hilpoltstein lebt, schon sehr bald in der Nacht gekommen. Ab 23 Uhr habe er das Geschehen live verfolgt, sagt er. Dass die ersten Staaten, Indiana und Kentucky, an Trump gehen, sei keine Überraschung gewesen. Den ersten Knacks versetzt Florida: "Da sah es zunächst auch noch gut aus, doch dann jedoch änderte sich das. " Obwohl in den Umfrage Biden vorne liegt, holt Trump am Ende einen größeren Vorsprung als 2016.

In der Nacht ist das für Lempke aber noch kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen. Florida sei kein Trend für andere Staaten, sagt er. "Da gilt es Ruhe zu bewahren", was er im Laufe des Gesprächs noch öfter sagen wird. Aber auch die folgende Swing Staates - die Staaten ohne klare republikanische beziehungsweise demokratische Ausrichtung - bringen keinen klaren Sieg für Biden, Ohio geht sogar deutlich an Trump. In mehreren - die Wahl letztlich entscheidenden - Staaten fehlt das Ergebnis. Dass Trump sich trotzdem zum Sieger aufruft, verwundert Lempke nicht. "Trump ist nicht aus dem Rechtsstaat und Trump ist auch nicht für den Rechtsstaat. " Etwas Zuversicht ist dennoch geblieben: "Wenn alles ausgezählt ist, ist Biden vorne. "

Verwundert ist der 51-Jährige, der Chef der Sektion Nord- und Mittelbayern der "Democrats Abroad Germany" ist, über seinen Geburtsstaat Wisconsin. Dort lebt auch seine Familie, alles Demokraten, wie im Prinzip auch die Mehrheit der Bevölkerung. "Wir waren damals ganz groß für Obama", erzählt er, richtig stolz sei er auf Wisconsin gewesen. Auch habe man mit Tammy Baldwin die erste offen homosexuelle Senatorin mit großer Mehrheit gewählt. "Aber dann gab es 2016 plötzlich eine Mehrheit für Trump. " In der Gegend, wo seine Familie wohne, hätten zwei Drittel Trump gewählt. "Meine Mutter, obwohl sie eine alte weiße Frau ist, kennt aber keinen, der Trump wählt. "

Woran sich ein großes Dilemma der amerikanischen Gesellschaft zeigt: "Die Gesellschaft ist gespaltener als je zuvor", sagt Lempke. Demokraten haben keinen Umgang mit Republikanern und umgekehrt. Er nenne die Situation "Bürgerkrieg ohne Waffen". Wenn man in den USA umziehe, schaue man sehr genau, wer in welchem Viertel wohnt: Demokraten oder Republikaner. "Das kann man alles nachschauen. "

Verwundert ist er aber auch über das Politikverhalten vieler Menschen in dem Land, aus dem er kommt. Trump sei eine rechtspopulistische Bedrohung für den Rechtsstaat, sagt er. Aber er werde für sein schlechtes Benehmen und Verhalten noch belohnt. "Er hält sich nicht an Regeln - das kommt an, auch sein Anti-Corona kommt gut an, das verstehe ich nicht. " Auch nicht, dass es kaum noch gemäßigte Republikaner gebe.

In Deutschland wurde bereits im Vorfeld die Befürchtung geäußert, dass Trump sich im Fall einer Niederlage mittels Klagen im Amt halten wird. "Ich verstehe diese Angst, aber ich teile sie nicht", sagt Lempke. Jeder Bundesstaat habe seine eigenständigen Wahlbehörden, nur über diese führe der einzige Rechtsweg. "Es ist geregelt in den Bundesstaaten, erst wenn der letzte Zettel da ist, wird die Wahl zertifiziert. " In den Wahlbehörden seien integre Führungen, ganz loyale und unparteiische Staatsdiener. "Noch ist es keine Bananenrepublik. " Da sei er voller Hoffnung.

Im Übrigen könne Trump sagen, was er will, so Lempke. "Das macht er doch immer, dadurch wird es aber nicht wahr. " Donald Trump dürfe man nicht wörtlich nehmen, wohl aber beim Wort, denn "er meint es ernst". Damit emotionalisiere er die Menschen. So stark, dass sie auch Gewalt nicht scheuen? In diesem Punkt hat Lempke durchaus Bedenken. Wenn Biden die Wahl gewinne, dann rechne er vereinzelt mit Gewalt. Im umgekehrten Fall eher nicht, denn bei den Protesten in den Städten habe man gesehen, dass diese Menschen nicht einfach so auf die Straße gingen, sondern nur, wenn sie konkret betroffen seien.

Mit seinem Geburtsstaat Wisconsin könnte sich Lempke im Übrigen bald wieder etwas versöhnen. Denn Biden liegt den ganzen Mittwoch über vorne und bei den fehlenden Orten bestehen gute Chancen, dass es sich dort für die Republikaner nicht ausgehen wird. "Es schaut gut aus in Wisconsin. "

HK

 

Rainer Messingschlager