Abenberg
Triumph über alle Vorurteile

Ein erstaunlicher Lebens- und Bildungsweg hat Susanne König auf den Chefsessel im Abenberger Rathaus geführt

24.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:29 Uhr
Erst die dritte Frau an der Spitze einer der 16 Gemeinden des Landkreises Roth: Susanne König, 38, zweifache Mutter. −Foto: Bauer

Abenberg - Junge Mutter, hochqualifiziert, unabhängig: So könnte die Kurzbeschreibung der neuen Bürgermeisterin Abenbergs lauten.

Am 2. Mai wird die 38-jährige Susanne König erstmals auf dem Chefsessel im Rathaus der Burgstadt Platz nehmen. In der Stichwahl Ende März hat sie sich mit 62,8 Prozent der Stimmen klar gegen Jens Meyer von der CSU durchgesetzt. Seitdem freut sich König auf den Start in die neue Aufgabe. "Das ist der beste Job, den Abenberg zu bieten hat", sagt sie. Die Diplom-Pädagogin ist nach Anneliese Seubert in Büchenbach und Evi Loch in Georgensgmünd erst die dritte Frau an der Spitze einer der 16 Gemeinden im Landkreis Roth.

Als neue Bürgermeisterin will Susanne König vor allem auf ein gutes Miteinander setzen. Sowohl mit den Bürgerinnen und Bürgern als auch im politischen Gremium. "Gute Ideen gibt es auf allen Seiten", sagt sie. Die neuen Verhältnisse im Stadtrat mit zwei Grünen und zwei Mitgliedern der Bürgerliste sieht sie als Vorteil an. "Mehr Vielfalt und mehr Diskussion sind bereichernd. " Die größte Fraktion im Stadtrat stellt mit sieben Mitgliedern die CSU. Die SPD besetzt fünf Mandate, die Freien Wähler vier.

Für ihre Arbeit will König vielfach an die Leistungen ihres Vorgängers Werner Bäuerlein anknüpfen, der sich nach 18 Jahren nicht mehr zur Wahl stellte. So strebt Susanne König eine "organische Weiterentwicklung Abenbergs als Gewerbe- und Wohnstandort" ebenso an wie einen Schwerpunkt im Tourismus durch "mehr Lebendigkeit auf der Burg". Ausgesprochen wichtig sind ihr die Ortsteile, wobei sie zwei besondere Handlungsfelder sieht: Mobilität sowie altersgerechte Wohnformen und Versorgung für Senioren. "Damit sie solange wie möglich in vertrauter Umgebung bleiben können", erklärt König. Ebenfalls wichtig sind ihr die Energiewende und die Innenstadtbelebung.

Die Abenbergerinnen und Abenberger haben in den zwei Wahlgängen auf eine Kandidatin gesetzt, die von vielen Beobachtern von vorneherein als Favoritin eingestuft worden war. Und das, obwohl Susanne König gegen drei starke Mitbewerber antreten musste. Das war für Abenberg so neu, dass erstmals eine Podiumsdiskussion mit den Kandidaten stattfand, zu der etwa 600 Bürgerinnen und Bürger kamen. Der Andrang war sogar so groß, dass eine Videoübertragung aus der Turnhalle auf einen Bildschirm in der Aula der Mittelschule eingerichtet werden musste.

Mit dem Abenberger Feuerwehrkommandanten Jens Meyer, dem örtlichen Polit-Urgestein Eugen Börschlein von den Freien Wählern sowie dem ehemaligen CSU-Stadtratsfraktionsvorsitzenden Manfred Lunkenheimer hatten Königs Konkurrenten viel örtliche Verankerung, Bodenständigkeit und Erfahrung aufzuweisen.

Susanne König hingegen wohnt erst seit 2017 in Abenberg, hatte bislang kaum Berührungspunkte mit der Kommunalpolitik und bot vielen Menschen eine Angriffsfläche, weil sie sich als Frau für den Chefposten im Rathaus bewarb. "Sie haben das falsche Geschlecht. " Solche und ähnliche Äußerungen hat sie im Wahlkampf mehrmals zu hören bekommen. "Wie kann sich eine Frau mit zwei kleinen Kindern nur um dieses Amt bewerben? " Diese Frage stand wohl dahinter.

Für die Abenberger SPD allerdings kein Hinderungsgrund, Susanne König zu nominieren. Obwohl sie kein Parteimitglied war und ist. "Du kannst gut diskutieren und hast einen angenehmen Umgang mit Menschen", lauteten die Gründe für die Sozialdemokraten, auf König zuzugehen und sie selbst ohne Parteibuch einstimmig ins Rennen zu schicken. Der Erfolg gab den Genossinnen und Genossen recht. Bereits im ersten Wahlgang lag sie mit 37,5 Prozent der Stimmen klar vorn.

Nach Abenberg gezogen hat sie vor einigen Jahren die Liebe. Ihr Ehemann Dominik stammt aus der Burgstadt. Ihre Töchter sind zwei und vier Jahre alt. Gegenwärtig befindet sich Susanne König in Elternzeit. Rechtzeitig zum Amtsantritt wird Dominik mehr Verantwortung für die Familie übernehmen. "Er reduziert seine Arbeitszeit", schildert die neue Bürgermeisterin die Unterstützung durch ihren Ehemann.

So besonders die familiäre Situation ist, so erstaunlich ist der bisherige Lebens- und Bildungsweg von Susanne König. Geboren ist sie in Görlitz, also in der DDR an der Grenze zu Polen. Kindheit und Schulzeit verbrachte sie ab der Wende in Kaufbeuren im Allgäu. Nach einer Ausbildung zur Krankenschwester erwarb sie auf dem zweiten Bildungsweg die Hochschulreife. Danach suchte Susanne König ein Studienfach. Die Wahl fiel nicht zufällig auf Pädagogik. "Wie wichtig das lebenslange Lernen ist, habe ich als Krankenschwester erlebt, wenn Menschen nach schweren Krankheiten wieder in ein aktives Leben finden mussten", sagt sie. Über ein Praktikum fand sie zu einem großen Versicherungsunternehmen. Dort stieg sie von der Assistentin der Geschäftsführung bis in die Führungsriege auf. Dabei hat König zahlreiche Stationen in ganz Deutschland absolviert. "All diese Erfahrungen helfen mir jetzt", ist sie überzeugt. Im Abenberger Rathaus orientiert sie sich schon. Über regelmäßige Gespräche mit ihrem Vorgänger Werner Bäuerlein will sie "Projekte, Prozesse, Personen und Strukturen kennen lernen", wie sie sagt.

Wenn Susanne König nun bald Bäuerleins Nachfolge antritt, liegt ein langer Wahlkampf hinter ihr. "Mich kannte ja keiner in Abenberg. " Diese Einsicht haben König und ihre Partei bewogen, früh zu starten. Schon im Februar 2019 wurde sie als erste Kandidatin nominiert. An einem klassischen SPD-Tag startete dann der Wahlkampf. Ab dem 1. Mai 2019 stand regelmäßig der Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern im Mittelpunkt. Die persönlichen Gespräche, und zwar nicht ausschließlich über die Probleme Abenbergs, wollte König nutzen, um sich im Gedächtnis der Wählerinnen und Wähler zu verankern.

Dabei zeigte sie sich mutig und kreativ. Ob während der Kirchweih, beim Stadtfest oder zu Schulanfang - ihre Strategie setzte nie ausschließlich auf Politik. "Mir war wichtig, immer einen Mehrwert für die Menschen zu bieten". Ein Stadträtsel, Kirchweih-Spiele, eine kleine Wählerbefragung, Brezen und Kaffee für wartende Eltern am ersten Schultag. Susanne König hatte viele zündende Ideen, um diesen Mehrwert glaubwürdig anzubieten. Hinzu kamen Hausbesuche und ein besonderer Wahlkampfabschluss. Mit knapp 20 Künstlerinnen und Künstlern aus Abenberg und Umgebung hat König in Absprache mit dem Eigentümer ein leerstehendes und dem Abriss preisgegebenes Haus am Marktplatz öffentlich zum Gesamtkunstwerk gemacht, um neue Formen der Innenstadtbelebung zu testen. "Kunst und Kultur zum Anfassen und Mitmachen", sagt sie. Danach kannten sie offenbar die meisten in Abenberg.

Geprägt war der Kampf um den Spitzenposten der Stadt von einer interessanten Konstellation. Denn die Kandidaten beider großer Volksparteien sind jeweils kein Parteimitglied gewesen. Die SPD war mit dieser Besonderheit bereits vertraut. Der scheidende Werner Bäuerlein gewann die Wahl gleich drei Mal mit dem SPD-Ticket, ohne Genosse zu sein. Für die CSU war es aber äußerst ungewöhnlich, mit einem Nichtmitglied vor die Wähler zu treten. In Abenberg war es letztlich die Folge einer innerparteilichen Neuausrichtung. Schließlich galt Manfred Lunkenheimer lange als selbstverständlicher Bürgermeisterkandidat der CSU. Denn er war schon 2014 in nahezu aussichtsloser Position gegen Bäuerlein angetreten. Im Laufe der Wahlperiode hat ihn die damals achtköpfige CSU-Stadtratsfraktion zum Vorsitzenden gewählt.

Aber Anfang des Jahres 2019 hatte Lunkenheimer offenbar das Vertrauen seiner Parteifreunde verloren. In einer gemeinsamen Sitzung von Vorstand und Fraktion wurde ein Jahr vor der Kommunalwahl einstimmig beschlossen worden, Jens Meyer als Bürgermeisterkandidaten vorzuschlagen. Dem folgte die CSU-Nominierungsversammlung. Lunkenheimer mobilisierte daraufhin eine eigene Liste, mit der er als Bürgermeisterkandidat antrat und immerhin einen Achtungserfolg erzielte. Der Versicherungsfachmann aus dem Ortsteil Wassermungenau kam im ersten Wahlgang auf 12,4 Prozent. So ist schon vor der kon-stituierenden Sitzung des neuen Stadtrats eine Debatte um das Amt des Zweiten Bürgermeisters in Abenberg entbrannt. Sowohl Lunkenheimer als auch Jens Meyer und der bisherige Amtsinhaber Anton Friedrich von den Freien Wählern haben ihr Interesse bekundet.

Die Entscheidung zwischen diesen Kandidaten wird mit Spannung erwartet. Sie gilt als Fingerzeig für die zu erwartenden Mehrheiten bei den Sachentscheidungen im Stadtrat während der kommenden sechs Jahre - mit der neuen Abenberger Bürgermeisterin Susanne König an der Spitze.

HK