Roth
Tierhandel im Internet entpuppt sich als Übel

Nach dem Kauf verlieren neue Besitzer schnell die Lust - Rother Tierheimleiterin fürchtet Abgabewelle

01.07.2020 | Stand 02.12.2020, 11:04 Uhr
Tierheimleiterin Carmen Notrott fürchtet, dass wegen des schwunghaften Internethandels bald mehr Tiere in ihrer Einrichtung abgegeben werden. −Foto: Schmitt

Roth - Der schwunghafte Tierhandel über eBay-Kleinanzeigen wird das Tierheim in Roth bald vor zusätzliche Aufgaben stellen.

Bis Ende des Jahres werden nach Einschätzung von dessen Leiterin Carmen Nottrott annähernd 150 Hunde und Katzen mehr dort Zuflucht gefunden haben als in durchschnittlichen Jahren. 2019 waren es bereits gut 80 mehr. Die nochmalige Steigerung führt die Tierheimchefin auf den Corona-Lockdown zurück.

"Ab September und Oktober erwarte ich eine höhere Zahl von Tieren bei uns", sagt Nottrott, die mit ihrem Team schon jetzt eine leicht überdurchschnittliche Zahl von Hunden und Katzen betreuen muss. "Während des Corona-Lockdowns haben sich viele ein Tier über das Internet geholt, merken nun aber, dass sie überfordert sind", schätzt sie die Situation ein. Bis Ende des Jahres werde es "sicher richtig Hardcore".

Weil das Rother Tierheim recht strenge Maßstäbe anlegt, um für die Vierbeiner ein neues Zuhause zu finden, wenden sich Interessenten zunehmend an "Vermehrer". So nennt Carmen Nottrott diejenigen, die beliebte Tiere auf eBay anbieten, aber keineswegs die Standards regulärer Züchter erfüllen. Sie machen seit vier bis fünf Jahren außerordentlich gute Geschäfte. "Allein einer hat 2019 65 Tiere verkauft", weiß Nottrott. Umsätze von 100000 Euro pro Jahr seien keine Seltenheit. "Auch hier in der Region", ergänzt Nottrott.

Sie habe bereits selbst geholfen, solche schwarzen Schafe aufzuspüren und deren Tiere bei sich aufgenommen. Die Händler strafrechtlich zu belangen, sei schwierig. "Die sind gut organisiert", stellt Nottrott fest, "und sind oft schlimmer als die Mafia. "

Während der Corona-Krise ist die Vermittlung von Tieren aus dem Rother Tierheim ins Stocken geraten. Grund dafür sei der hohe Sorgfaltsmaßstab der Tierschützer in der Kreisstadt. "Das Wichtigste für uns ist, dass das Tier in eine gute Umgebung kommt", sagt Nottrott, die das Tierheim seit 14 Jahren leitet. Familie und Vierbeiner sollen gut miteinander zurechtkommen und sich wohlfühlen. Entsprechend streng sind die Anbahnungsstrukturen. Termine konnte das Tierheim während des Kontaktverbots nicht anbieten. Sie sind aber unerlässlich für intensive Gespräche vor der Abgabe eines Tieres in ein neues Umfeld.

Beratung, Analyse der Situation, Auswahl des Tieres. Erstes Kennenlernen, Patenschaft und Probeaufenthalt. Das alles war nur sehr eingeschränkt möglich, so dass das Tierheim als Anlaufstelle für einen neuen Hausgenossen monatelang fast ausgefallen ist. "In dieser Zeit haben sich die Leute mehr auf eBay orientiert", mutmaßt Nottrott. Mit den zunehmenden Lockerungen der Corona-Beschränkungen werden die neuen Tierbesitzer aus dem Landkreis aber in ihren Alltag zurückkehren und häufig feststellen: "Wir kommen nicht zurecht. Es war ein Fehler. "

Dann landen Hund oder Katze im Rother Tierheim. Das wird nach Einschätzung Nottrotts mit dem Ende der Ferienzeit in Bayern zusammenfallen, in der auch bereits bisher ein verstärktes Aufkommen festzustellen war. "Im Urlaub herrscht Hochstimmung mit dem neuen Tier, danach wird die Arbeit zu viel und man gibt es ab", schildert sie die Ursachen. Für die Zukunft glaubt Carmen Nottrott nicht an eine Entspannung der Lage. Sie hält eher das Gegenteil für wahrscheinlich. "Ich bin sicher, dass immer mehr Tiere über eBay gekauft werden", sagt sie. "Es wird also noch schlimmer werden. "

HK