Nürnberg
Tiergarten fürchtet keine Pleite

Finanzängste in München, städtisches Fangnetz in Nürnberg

08.07.2020 | Stand 23.09.2023, 12:48 Uhr
Eine Schließung des Tiergartens mit seiner Delfin-Lagune ist nicht zu befürchten. −Foto: Schroll,nbg

Nürnberg - Kurz vor dem Ruin: Mitten in der Corona-Krise hat der Tierpark Hellabrunn ein schrilles Alarmsignal ausgesendet. Um finanziell über die Runden zu kommen, müsste die Staatsregierung schnell die erlaubte Besucherzahl von anfänglich 2000 über aktuell 4400 auf täglich 8600 Besucher erhöhen, forderte der Zoo aus der Landeshauptstadt. Ansonsten drohe ab September die Pleite, warnte der Münchner Tierparkchef Rasem Baban im Hinblick auf die Besucher-Obergrenze, die derzeit eine Person auf einer Fläche von zehn Quadratmetern erlaubt.

In den Nürnberger Tiergarten dürfen mittlerweile auch wieder mehr Besucher hinein. Die Anzahl der Besucher, die sich gleichzeitig im Tiergarten aufhalten dürfen, ist von anfänglich 3250 auf 6500 Menschen erhöht worden. Die Besucherzahlen hätten sich danach zwischen 3000 und 4300 Gästen an besucherstarken Sonntagen eingependelt, sagt Tiergarten-Sprecherin Nicola Mögel. In der ersten Woche nach der Erhöhung der Besucherzahl habe es weder Einlass-Stopp und Wartezeiten gegeben.

Was die Besucher erfreuen dürfte, könnte dem Tiergarten weh tun. Der Zoo am Schmausenbuck könnte die zusätzlichen Einnahmen durch noch mehr Zuspruch vom Publikum in der Krise wohl gut gebrauchen. Durch die Corona-Schließung habe der Nürnberger Zoo bislang rund 250000 Besucher eingebüßt, berichtet die Tiergarten-Sprecherin weiter. "Die daraus resultierenden Mindereinnahmen aus Eintrittsgebühren liegen bei rund zwei Millionen Euro." Wegen weiterer Mindereinnahmen gehe die Tiergarten-Leitung in diesem Haushaltsjahr derzeit von einem Defizit in Höhe von bis zu 2,5 Millionen Euro aus. Bei sparsamer Haushaltsführung könne der Tiergarten den derzeitigen Verlust aus eigenen Rücklagen finanzieren.

Ein Blick auf die bisherige Besucher-Statistik zeigt jedoch, dass der Tiergarten den Besucherausfall während der Schließung derzeit offensichtlich nicht aufholen kann. Im Gegenteil: Seit der Wiedereröffnung des Tiergartens am 11. Mai sind durchschnittlich 3950 Besucher pro Tag gekommen. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres sind dies mit 4300 Besucher täglich fast 400 zahlende Kunden mehr gewesen. Obendrein fehlen dem Tiergarten die Spitzentage mit großem Besucherandrang. "Unsere Spitzentage im Frühjahr liegen normalerweise bei rund 13000 Besuchern", erklärt Nicola Mögel und betont, dass diese im Hinblick auf die Corona-Obergrenze heuer (noch) nicht stattgefunden hätten. Durch einen kleinen Trick beim Zählen der Besucher hat der Tiergarten allerdings bereits in der Anfangsphase direkt nach der Wiedereröffnung seine Besucherzahlen nach oben schrauben können. Trotz Begrenzung auf 3250 Besucher habe der Tiergarten fünf Tage mit über 6000 Besucher verzeichnen können. Spitzentag sei der Pfingstmontag mit insgesamt 6666 Besuchern gewesen.

Der kleine Trick ist schnell erklärt. Anstatt die Besucher nur am Eingang zu zählen, registriert der Tiergarten auch die Besucher am Ausgang. Durch diese "laufende Zählung" sind pro Tag insgesamt mehr Besucher möglich. Hintergrund ist, dass die Obergrenzen-Regelung lediglich vorschreibt, dass sich "gleichzeitig" nicht mehr als anfänglich 3250 und aktuell 6500 Besucher im Zoo aufhalten dürfen. Heißt im Klartext, dass sich nacheinander über den Tag verteilt unter dem Strich deutlich mehr Besucher im Tiergarten aufhalten dürfen.

Derzeit scheint der Zoo mit der aktuellen Besucher-Obergrenze gut auszukommen. Andererseits würde der Tiergarten wohl von langen Warteschlangen und Einlass-Stopps berichten. "Wir können die Attraktivität nicht steigern, sondern nur die gewohnte Qualität anbieten, allerdings ohne Tierhäuser", sagt die Tiergarten-Sprecherin und meint damit wohl, dass der Tiergarten das generelle Freizeit-Verhalten der Besucher in Corona-Zeiten nicht noch stärker beeinflussen kann.

Die erste gute Nachricht für das Publikum lautet daher wohl, dass der Nürnberger Tiergarten trotz Covid-19 überhaupt wieder geöffnet haben darf. Das Defizit wäre ansonsten weitaus schlimmer. Dass der Tiergarten der Stadt gehört und nicht wie der Münchner Tierpark Hellabrunn eine Aktiengesellschaft ist, ist wohl dandie zweite gute Nachricht. "Rechnerisch ist keine Insolvenz zu erwarten, zumal der Tiergarten eine städtische Dienststelle ist und von einer Insolvenz der Stadt Nürnberg keine Rede ist", kann die Tiergarten-Sprecherin besorgte Zoofreunde beruhigen.

HK

Nikolas Pelke