Thalmässing
Kalte Füße bei Kosten für Nahwärmenetz

Zentrale Lösung laut Berechnung immer teurer als neuer Heizölkessel Thalmässing will weitere Varianten prüfen lassen

23.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:36 Uhr

Ob die Interessenten, die sich für eine Nahwärmeversorgung im Oberdorf eingesetzt haben, auf dem Holzweg sind, sollen weitere Untersuchungen zeigen. Nach der Wirtschaftlichkeitsberechnung kommt eine zentrale Lösung teurer als einzelne Ölheizungen. - Foto: Karch

Thalmässing (HK) Bekommen die Interessenten wegen der Kosten für eine Nahwärmeversorgung im Oberdorf kalte Füße? Das befürchtet Bürgermeister Küttinger nach den Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Jede Netz- und Heizvariante kommt dem Nutzer danach teurer als die eigene Heizung.

"Wir müssen jetzt noch einmal alle, die Interesse an einer Nahwärmeversorgung gezeigt haben, abklappern", zog der Bürgermeister ein Fazit nach der detaillierten Vorstellung aller Varianten durch Professor Markus Brautsch vom Institut für Energietechnik. Zumindest im Sitzungssaal funktionierte am Mittwochabend die Nahwärme, drängten sich doch so viele Zuhörer wie selten in dem Raum. Nicht wenigen von ihnen brennt das Thema auf den Nägeln, müssen sie doch ihre alte Heizung ersetzen oder haben gar in ihrem Neubau keine Heizung vorgesehen, weil sie mit dem Anschluss an das Nahwärmenetz gerechnet hatten.

Angestoßen wurde das Projekt "Nahwärme" eigentlich von den Anwohnern in der Ohlangener Straße, der Brunnengasse und des Gebiets "Am Mühlbach". Ein privates Unternehmen war bei seinen Planungen von 26 Wärmeabnehmern ausgegangen. Allerdings reichten diese Planungen für eine Entscheidungsgrundlage nicht aus, weshalb das Institut für Energietechnik hinzugezogen wurde. Nach Ansicht von Bürgermeister Georg Küttinger hat sich die Zeitverzögerung gelohnt, weil man jetzt sicher wisse, dass ein solches Wärmenetz nie wirtschaftlich betrieben werden könnte.

"Um ein wirtschaftliches Optimum zu finden, haben wir weitere Netzvarianten untersucht", erklärte Markus Brautsch. 46 positive Rückmeldungen hätten die Befragungen ergeben. "Das heißt aber nicht, dass die Anwesen ohne Wenn und Aber anschließen möchten. Das bedeutet, dass sie mitmachen würden, wenn es wirtschaftlich passt." Untersucht wurden die Netzvarianten A (Ohlangener Straße, entlang der Weißenburger Straße bis zum Mühlbach) mit einer Leitungslänge von 1560 Metern, die größtmögliche Variante B (Ohlangener Straße, Weißenburger Straße bis zur Schule) mit einer Leitungslänge von 1880 Metern, Variante C, die stark dominiert wird von den kommunalen Gebäuden wie Mittelschule, künftige Sporthalle, Kindergarten und Krippe sowie dem geplanten kommunalen Mehrfamilienhaus mit 15 Wohnungen "Am Mühlbach" und die eine 1050 Meter lange Leitung benötigen würde, sowie Variante D mit nur 800 Metern Leitung.

Um die Kosten für verschiedene Netze und Heizvarianten vergleichen zu können, werden die Jahresgestehungskosten gegenübergestellt. Dafür werden alle Faktoren wie Investitionskosten, Zinsen, Abschreibung auf 20 Jahre, Unterhalt und natürlich auch die Art der Wärmeversorgung einberechnet. Wenn jemand 7000 Euro in eine eigene Ölheizung steckt und 3000 Liter Öl pro Jahr verbraucht, ergibt das Netto-Gestehungskosten von 7,5 Cent pro Kilowattstunde. Als Heizalternativen wurden ein Flüssiggas-Blockheizkraftwerk (BHKW), ein Hackschnitzelkessel, ein Hackgutholzvergaser-BHKW und ein Holzpelletvergaser-BHKW für eine zentrale Versorgung untersucht, Rückvergütungen, der Stromverkauf und Förderungen eingerechnet. Im besten Fall kommt man in der Netzvariante A auf 10,9 Cent pro Kilowattstunde Jahresgestehungskosten, bei der Variante B auf 9,6 Cent pro Kilowattstunde, bei der Variante C (überwiegend kommunale Liegenschaften) auf 9,5 Cent pro Kilowattstunde und bei der Variante D (nur private Anschließer) auf 12,8 Cent pro Kilowattstunde. Damit sich die Waage zugunsten des Netzverbundes neigt, müssten beispielsweise das Heizöl sehr viel teurer und Hackschnitzel im Gegenzug viel billiger werden. Das Fazit von Brautsch: "Unter den aktuellen Rahmenbedingungen liegen die Jahresgestehungskosten für den Wärmeverbund in allen Varianten deutlich über denen für eine dezentrale Lösung." Deshalb war sich Brautsch auch sicher: "Es wird ungeheuer schwierig, Privatabnehmer zu finden." Bei denen wurden angesichts der wenig positiven Zahlen die Gesichter immer länger.

Anders sieht es dank gesetzlicher Vorschriften und Förderungen bei kommunalen Neubauten wie einer Sporthalle oder dem Mehrfamilienhaus aus. "9,5 Cent Gestehungskosten sind bei kommunalen Neubauten sehr attraktiv", rechnete der Experte vor. Auch Bürgermeister Georg Küttinger hat nachgerechnet. "Wenn man für die zentrale Lösung 1000 Euro im Jahr mehr bezahlen muss, verstehe ich die Aussage, dass sich Private hier schwertun." Die Variante D mit ausschließlich privaten Anschließern brauche man deshalb gar nicht weiter zu verfolgen. Die Kommune hingegen könne eine zentrale Lösung für ihre Liegenschaften noch weiter untersuchen lassen, weil diese Studien auch gefördert werden. Zwar würde das die Planungen für die Wohnungen am Mühlbach verzögern, "doch das sollte es uns wert sein, wenn man dann eine zufriedenstellende Lösung bekommt".

Ob es sich rentiere, wenn mehr Haushalte sich anschließen, wollte Peter Hauke (TL) wissen. Doch Brautsch musste ihn enttäuschen. "Die 7,5 Cent werden wir nie erreichen." Ein Bauherr müsse heute mit Jahresgestehungskosten von 17 bis 20 Cent rechnen, antwortete der Experte auf eine Frage von Heinz Müller (CSU). Allerdings brauche ein neues Haus auch fast keine Wärme mehr. Damit werde dann aber auch die Netzauslastung wieder schlechter. "Das Beste für Thalmässing wäre, wenn es ein ganzjähriges Bad hätte", sagte Brautsch mit Galgenhumor.

Als "sehr schade" stufte Michael Kreichauf (CSU) das Ergebnis ein, da sich die Interessenten sehr engagiert hätten. Auch aus ökologischer Sicht - die vorgestellten Heizvarianten stoßen deutlich weniger CO2 aus - sei das Ergebnis das falsche. Trotzdem tue er sich schwer, das Projekt sofort einzustampfen. "Wir sollten noch einmal das Interesse abfragen", schlug er vor. Martin Hauke (TL) brachte einen anderen Aspekt ins Spiel: "Vielleicht ist es jemanden die zwei Cent mehr wert, wenn er sich um seine Heizung nicht mehr kümmern muss." Heinz Müller suchte nach weiteren Argumenten für die Netzlösung: "Man spart einen Raum im Haus und kann auch gleich die Glasfaser mitverlegen." Solche weiche Faktoren könne er halt nicht einrechnen, gab ihm Brautsch recht. Peter Hauke (TL) gab zu bedenken, dass für eine dezentrale Lösung unterm Strich viel höhere Kosten stehen würden, wenn man nicht von einer Ölheizung, sondern von einer Stückgut- oder Pelletheizung ausgehe.

Der Marktrat plädierte einstimmig dafür, noch einmal das Interesse der Privaten abzufragen, auch wenn das Zeit koste. Zudem soll ein kleines Nahwärmenetz im Bereich des Gebiets "Am Mühlbach" untersucht werden, an das beispielsweise die Mehrfamilienhäuser, der Kindergarten und eventuell auch die Krippe angeschlossen werden. Untersucht werden soll auch, welche Energieversorgung für das geförderte Wohnprojekt "Am Mühlbach" am günstigsten ist. Die Konditionen für eine gemeinsame Heizung für Mittelschule, die neue Sporthalle und eventuell die alte Turnhalle sollen ebenfalls geprüft werden.