Wendelstein
Solo in der "schönsten Jegelscheune der Welt"

Anne Haigis zeigt alleine mit Gitarre, warum sie einer besten Soulstimmen der Republik ist

01.10.2019 | Stand 02.12.2020, 12:56 Uhr
Sie kann es immer noch: Anne Haigis. −Foto: Unterburger

Wendelstein (ub) Sie arbeitete mit Eric Burdon, Peter Maffay und anderen internationalen Größen der Pop- und Rockmusik zusammen und sogar in der ZDF-Hitparade ist sie mal aufgetreten.

Anne Haigis ist eine der großen Soul-Stimmen in der deutschen Musik. 2017 gastierte sie zum ersten Mal in der Jegelscheune. Nun trat sie erneut hier auf und eroberte die Herzen im Sturm.

Zwei große vergoldete Kerzenleuchter standen links und rechts auf der Bühne. Doch die Kerzen durften nicht angezündet werden wegen der Brandgefahr. "Eigentlich schade", grinste Anne Haigis, "ein paar fesche Feuerwehrleute würde ich mir schon wünschen. " Erst nach der Pause wurden die Kerzen angezündet, denn Anne Haigis liebt es kuschelig. Und siehe da: Die Jegelscheune wurde nicht abgefackelt.

Erstmalig spielte Anne Haigis solo. Normalerweise begleitet sie ein Pianist namens Niklas. "Doch Niklas gebärt und streichelt den Bauch seiner Frau, deshalb ist er heute nicht dabei", erklärt sie mit trockenem Humor. Deshalb zog Anne Haigis solo ihre Bahnen durch "die schönste Jegelscheune der Welt". Allein mit ihrer akustischen Gitarre und ihrer kraftvollen Stimme begeisterte sie das Publikum in der ausverkauften Jegelscheune.

Stilistisch bewegt sich Anne Haigis zwischen Soul, Country, Folk, Blues, Gospel und US-Southern Rock. Dank ihrer hohen Bühnenpräsenz, ihren humorvollen Ansagen und ganz spezieller gefühlvoller Versionen und Interpretationen der Songs von Tom Waits ("Mathilda"), Otis Redding oder John Hiatt, um nur einige zu nennen, aber auch eigener Songs, entwickelte sich der Konzertabend zu einer nostalgischen Rückschau auf die vielen Highlights im Leben der 63-jährigen Schwäbin.

Anne Haigis wurde geprägt von der Musik der Hippie-Zeit, von Joan Baez ("Sie wurde mein Vorbild"), King Crimson, Joni Mitchell und wie sie alle heißen. 1955 im beschaulichen Rottweil am Neckar geboren, tauschte sie schon als Kind ihre Puppe gegen die Flöte ein und entdeckte die Leidenschaft zum Musizieren. Sie spielte in einem Kammerorchester, doch mit 14 erlernte sie die ersten Gitarrengriffe und sang sich ihren "Kleinstadt-Blues" und ihre ungestillte Fernweh von der Seele.

Mit 16 haute sie das erste Mal ab, kehrte jedoch immer wieder zurück. Der Wunsch und die Sehnsucht nach der weiten Ferne blieben unauslöschlich in ihr Innerstes gebrannt. Dann begegnete sie der Rockband Foggy Day, die sie überzeugte, das Singen zum Beruf zu machen. Zurück in Deutschland entwickelte sie ihren Stil und ihre unnachahmliche rockige Note. 1987 erhielt sie einen Preis in der Sparte Jazz. Dann produzierte ihr "Entdecker" und späterer Partner Wolfgang Dauner das Debut "For Here Where The Life Is".

Nach der Trennung von Dauner nahm sie Abschied vom Jazz und wandte sich der deutschen Popmusik zu. Dabei landete sie in der ZDF-Hitparade. Zuerst sträubte sie sich, dort zu singen, dann tat sie es doch. Heute sieht sie diesen "Ausrutscher" kritisch: "Das war furchtbar für mich. " Sie ist in die Charts eingestiegen, bekam körbeweise Fanpost. Einen Fan-Brief zitierte sie: "Lila Haare - muss das sein? "

"Meine allererste Platte war von Heintje: Ich bau dir ein Schloss", gestand sie dem amüsierten Publikum. Zum Gaudium der Zuhörerinnen und Zuhörer sang sie dieses Lied in einer fetzigen Rock-Version.

Später wollte sie sich nicht mehr auf ausschließlich deutsche Texte festlegen und nahm mit Tony Carey und Eric Burdon den Titel "No Man's Lord" auf. Seit 2003 ist sie auch als Dozentin in Gospel-Workshops tätig. Heute lebt sie in Bonn.

Anne Haigis bot ein außergewöhnliches Konzert. Lange hatte man von ihr nichts mehr gehört. Nun hat sich die vielseitige Künstlerin zurückgemeldet und überzeugte das Publikum, dass sie es noch immer kann.