Roth
Slalom zwischen Heimatklängen und großer Politik

Wellküren schöpfen in der Rother Kulturfabrik aus ihrem unerschöpflichen Fundus - Von Söder die Nase voll

07.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:35 Uhr
Matthias Hertlein
"Wishing well": Das Putztuch gibt es am Ende für den Klaus. −Foto: Hertlein

Roth (HK) Drei Damen aus Oberschweinbach, drei Schwestern - Moni, Bärbi und Burgi Well - zwischen Stubenmusik, triefendem, bissigem Kabarett seit 32 Jahren unterwegs.

DieWellküren haben am Samstag in der Kulturfabrik zum Auftakt ihrer Herbst-Tournee die Herzen fast aller Besucher bei der Präsentation des aktuellen Werkes "Abendlandler" erobert. Innenminister Horst Seehofer und Ministerpräsent Markus Söder wird es eher nicht gefallen, sie dürften die CD wohl nicht im Regal daheim haben. Sie sind die erklärten Feinde ders musikalischen Dreigestirns aus der Nähe von Fürstenfeldbruck.

Vorab: Es gibt an diesem Abend auch auch einen männlichen Gewinner. Klaus aus Wernfels. Er bekommt von der Moni nach dem Zugabenteil ("Kimmt schee hoamli die Nacht" - das Lieblingslied der Eltern) das Wishing Well-Putztuch geschenkt. eine Requisite, die die Moni für den rechten Durchblik benutzt. Zu Beginn hat der Klaus seine Brille zwecks Klarsicht der Moni ausgehändigt und muss einige Male am Abend ein bisschen sanften Spott ertragen. Das steckt der Klaus, in der zweiten Reihe der gut besuchten Kulturfabrik, locker weg.

Söder die vielen Kübel Kritik wohl eher nicht. Der Ministerpräsident aus Franken und Seehofer zerfleischen sich so kurz vor den Landtagswahlen öffentlichtlich ob der Sympathie-Talfahrt (33 Prozent). Die Wellküren schütten Öl ins Feuer. Polizei-Aufpassungsgetz, Bayrische Grenzpolizei, populistisches Familiengeld, die Wellküren trampeln mit Lust in Söders Fettnäpfchen herum, da geht es auch um Söders Kreuz-Zug durch bayerische Amtstuben. Dazu Bass-Ukulele oder oder Nonnentrompete (Trumscheit), ein Gequietsche verpackt in Ennio Morricones "Spiel mir das Lied vom Tod". Schaurig, köstlich, derb.

Der Herrgott hat die Nase von Söder voll. Schlechte Blutzuckerwerte, miese Umfragwerte - Söder sitzt in der bayerischen Staatskanzlei am Schreibtisch von Franz Josef Strauß, der Herrgott schreit von Himmel runter: "Jetzt langt's mer. " Die drei Ladies auf der Bühne stecken den Finger in den Mund zum Zeichen: Es ist zum Kotzen. Oder: "Es ist doch scheißegal, wer die AFD regiert, der Gauland oder der Söder. " Als Sündenbock steht Söder nicht alleine da, als Bösewicht gesellt sich auch US-Präsident Donald Trump hinzu: "Was grenzt an Dummheit? Mexiko und Kanada". Auch Alice Weigel (AFD) kriegt ihr Fett gewaltig ab: "Manche haben Haare auf den Zähnen - bei der hat jeder Zahn eine eigene Frisur! "

In Roth gründen die Wellküren - sicherlich auch anderswo - die Stugida-Bewegung (Stubenmusik gegen die Idiotisierung des Abendlandes). Im "Monilog" spricht sie vielen aus dem Herzen. Ihr Wunsch "I wui ma Ruah" ist schwer erfüllbar - der Kampf gegen das oft nervige Talkshow- und Internet-Bla Bla.

Die Wellküren tummeln sich überall herum - sanft, bescheiden, brüllend, aggressiv, wie es grad gefällt. Im "Leitkulturmarsch" heißt es das "Allahu Akbar hoaßt bei uns Griaß Gott! Uns scheene Jungfrauen gibt's bei uns schon vor dem Tod". Bitter-süß auch der Besuch in der "Maratonga Ba"", sie kalauern über die hormelle Demenz der Männer und vieles mehr. Fast unerschöpflich ist der Fundus des Zweistundenprogramms.

Die Bärbi schmeißt ein Strumpfband ins Publikum, zeigt ein wenig Bein, die Moni verbringt die Pause am Hackbrett, bastelt an den richtigen Tönen, im Foyer wird Sekt getrunken auf den gelungenen Abend, ein Mix aus Wirthaus-Diskurs, Stubenmusi und gesellschaftskritischem Amoklauf - die passende Einstimmung für das Kreuzchen bei den anstehenden Landtagswahlen. Humorvoll, selbstironisch, ein perfekter Slalomlauf zwischen Heimatklängen und großer Politik.

Matthias Hertlein