Hilpoltstein
Skype-Gespräch mit Risikoinvestor in New York

Schüler des W-Seminars diskutieren mit Unternehmer Albert Wenger über die Digitalisierung und ihre Auswirkungen

15.03.2019 | Stand 02.12.2020, 14:26 Uhr
Risikokapitalgeber Albert Wenger finanziert innovative Unternehmen und beschäftigt sich mit Zukunftsfragen. In einem Skype-Interview steht er den Schülern des W-Seminars Rede und Antwort. −Foto: Tschapka

Hilpoltstein (tis) Die Oberstufe des Hilpoltsteiner Gymnasiums hat mit einem echten Schwergewicht der US-Finanzbranche gesprochen, um Anregungen für ihr W-Seminar mit dem Thema "Das Internet ändert alles!

? " zu finden. Via Skype schalteten sie aus dem Klassenzimmer direkt nach New York zu dem deutsch-amerikanischen Unternehmer Albert Wenger, der zu den erfolgreichsten Risikoinvestoren der Vereinigten Staaten zählt. Wenger, der zum Beispiel den Messengerdienst Twitter mitfinanziert, und sich insgesamt viele Gedanken über Technik, Politik und Gesellschaft der Zukunft macht, war nicht nur der ideale Ansprechpartner für das zwölfköpfige Seminar, sondern außerdem ein alter Schulfreund von Direktorin Anja Hilbert, die das W-Seminar leitet.

"Wir haben damals gemeinsam am Gymnasium Oberasbach Abitur gemacht, anschließend ging Albert in die USA, ohne einen Cent Geld in der Tasche", erinnert sich Hilbert. Die Taschen ihres alten Schulkameraden, zu dem der Kontakt bis heute nicht abgerissen ist, dürften inzwischen ziemlich voll sein. Wenger studierte in Harvard Wirtschaft und Computerwissenschaften und promovierte anschließend am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Seitdem hat er mehrere Firmen gegründet, und neben Twitter gehören auch renommierte Namen wie Shapeways und Zynga zum Portfolio des Wahl-New Yorkers.

Im Jahr 2012 erschien ein Artikel Wengers mit dem Titel "Das Internet ändert alles", in dem er angesichts der Digitalisierung einen dramatischen Umbruch unserer Gesellschaft vorhersagte. Die Veränderungen seien so gravierend wie jene beim Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft. Diese Aussage wiederholte er auch häufiger beim lockeren Skype-Interview, bei dem er - typisch amerikanisch - die Schüler aufforderte, ihn zu duzen.

Das "Wissenschaftspropädeutische Seminar", kurz W-Seminar, soll die Schülerinnen und Schüler dazu anregen, wissenschaftlich zu arbeiten, was für ihr kommendes Studium Grundvoraussetzung ist. Im aktuellen Seminar geht es um die Frage, welchen Einfluss das World Wide Web auf unser Leben hat und welche Chancen und Herausforderungen sich auf dem Weg in die Netzgesellschaft ergeben.

Lorenz Schulze-Beerhorst behandelt zum Beispiel das Thema "Autonomes Fahren", und wollte von Wenger wissen, was er davon hält. Dieser zeigte sich skeptisch, denn bis ein Computer wirklich alle Situationen erkennen könne, mit denen ein Autofahrer konfrontiert werden kann, werde es noch lange dauern. Eher könne er sich eine Vollautomatisierung bei Zügen oder U-Bahnen vorstellen, wie es sie zum Teil jetzt schon gibt. Auch äußerte er sich eher skeptisch zur Frage von Julian Hontheim, ob die Logistikdrohnen die Postboten von morgen sein werden. Er sehe da eher Potenzial in Ländern, deren Infrastruktur weniger gut ausgebaut sei wie die der Industrienationen. So seien Logistikdrohnen bereits in manchen afrikanischen Ländern unterwegs. Max Kiebist wollte von Wenger wissen, ob Streaming-Dienste wie Netflix schon das baldige Aus des Fernsehens bedeuten könnten. "So wie das Fernsehen das Kino nicht völlig verdrängt hat, so wird das Streaming auch das Fernsehen nicht ganz verschwinden lassen", so Wenger, laut dem in den USA allerdings viele Haushalte nur noch über das Internet fernsehen und sich deswegen Kabelanschluss oder andere Empfangsmethoden sparen.

Rund eine Dreiviertelstunde dauerte das absolut ruckelfreie Skype-Interview, in dem sich Wenger ausführlich zum bedingungslosen Grundeinkommen äußerte, dem Thema von Tobias Gniech. Da langfristig die digitale Revolution unglaublich viele Arbeitsplätze vernichten werde, müsse man die Definition von Wohlstand überdenken. "Wenn wir mit dem bedingungslosen Grundeinkommen den Menschen ihre existenziellen Sorgen nehmen, können diese nach vorne blicken und sich überlegen, wo ihr Lebenszweck liege", ist Wenger überzeugt. Zwischen 800 und 1000 Dollar pro Erwachsener wären seiner Ansicht nach angemessen, um die Grundbedürfnisse eines jeden zu stillen. Projektversuche hätten gezeigt, dass sich die Mehrheit der Empfänger eines bedingungslosen Grundeinkommens nicht faul in die Hängematte legen, sondern alles daran setzen würden, ihre individuellen Ziele zu erreichen, wovon auch die Gesellschaft profitieren würde.

Zum Schluss verabschiedete sich die Direktorin von ihrem alten Schulfreund mit einem lockeren "Bye Albert! " Nach diesem Gespräch sind die Schülerinnen und Schüler gewappnet für ihr vorläufiges Exposé, welches sie als eine Art Zwischenbericht zu ihrem jeweiligen Thema nach den Osterferien abzugeben haben.