Nürnberg
Schüsse in der Vorstadtidylle

Mord im Taxi-Fahrer-Milieu bringt der Nürnberger Vorort Gebersdorf in die Schlagzeilen

24.11.2020 | Stand 23.09.2023, 15:37 Uhr
Schauplatz eines brutalen Verbrechens ist am Sonntag der Nürnberger Ortsteil Gebersdorf gewesen. −Foto: Karmann,spa

Nürnberg - Ein Doppel-Mord am helllichten Tag hat sich am Wochenende in Nürnberg ereignet. Ein 66-jähriger Mann soll seine Ehefrau und einen Taxi-Fahrer erschossen haben. Der mutmaßliche Schütze konnte noch am Tatort festgenommen werden und sitzt mittlerweile in U-Haft.

Szenen wie aus einem gruseligen Kriminalfilm haben sich am Wochenende im Nürnberger Westen abgespielt. Eine tote Frau liegt auf der Straße. Daneben parkt ein Taxi. Die Fahrertür steht sperrangelweit auf. Der Mann hinter dem Steuer ist offensichtlich aus nächster Nähe erschossen worden.

Anwohner hören die Schüsse am Samstagvormittag und alarmieren um kurz vor 11 Uhr die Polizei. Die rasen aus der nahen Wache zum Tatort in der Bibertstraße. Hier gleicht Nürnberg einem Dorf. Die Hecken neben den Garagen sind akkurat geschnitten. Der Rasen hinter den Häusern sauber gestutzt. Von dem Doppel-Mord bekommen die Bürger in diesem gemütlichen Vorstadtidyll kaum etwas mit.

"Durch Corona ist Gebersdorf derzeit fast wie gestorben", sagt Roman Wenzel vom SPD-Ortsverband. Selbst beim Einkaufen am Montag sei der grausame Kriminalfilm im Supermarkt nicht Tagesgespräch gewesen. "Das hat ja fast keiner mitbekommen", erklärt Wenzel die beruhigten Gemüter auf der "Insel der Glückseligen" in Gebersdorf. Warum in den Schlagzeilen von einem Mord im Taxi-Fahrer-Milieu die Rede ist, kann Wenzel nicht verstehen. "Wir haben hier kein Milieu." Der einzige Brennpunkt in und um Gebersdorf seien die gut besuchten Grillplätze im Sommer an dem malerischen Flussufer der Rednitz, die sich hier träge und gemütlich am Hainberg vorbei schlängelt. Mehr beschäftigt sich Wenzel mit der wachsenden Großstadt. Und die niedrigen Zustimmungswerte für die SPD. Im gut situierten Gebersdorf hätten "die Schwarzen" fast schon traditionell Oberwasser.

Bei den beiden Todesopfern handelt es sich tatsächlich um zwei türkische Taxi-Unternehmer, bestätigt Antje Gabriels-Gorsolke, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, am Montag auf Nachfrage. Sowohl der 62-jährige Mann als auch die 63-jährige Frau würden über türkische Papiere verfügen und hätten beruflich Personen gegen Geld mit ihrem Fahrzeug durch die Gegend gefahren. Ob der 66-jährige Schütze, der sowohl über einen deutschen als auch einen türkischen Pass verfüge und kurz nach den tödlichen Schüssen noch am Tatort widerstandslos von der Polizei festgenommen worden sei, auch im Taxi-Gewerbe tätig sei, hierüber wollte sich Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke aus ermittlungstaktischen Gründen am Montag auf Anfrage ausdrücklich bedeckt halten.

Von der Doppel-Tragödie habe Wenzel selbst als unmittelbarer Anwohner auch nur aus der Zeitung erfahren. Wundern tut sich der fränkische Sozialdemokrat nicht darüber, obwohl er selbst ganz in der Nähe wohne. "Dort stehen nur ein paar Häuser." Ansonsten gebe es dort eine große Brachfläche, die wie überall in der Gegend sicherlich bald bebaut werde. Nachverdichtung lautet das Motto in der Vorstadt.

Rund um Gebersdorf verfügt Nürnberg über seine letzten Freiflächen. In den nächsten Jahren soll in der unmittelbaren Nachbarschaft ein neuer Stadtteil mit dem treffenden Namen "Tiefes Feld" aus dem Boden gestampft werden. Der neue U-Bahnhof in Gebersdorf soll nach der Verlängerung der Linie U3 bereits 2025 im wachsenden Südwesten der Frankenmetropole eingeweiht werden. Ein paar Meter weiter wird die alte Schiffsanlegestelle beim Main-Donau-Kanal in einen Park inklusive Holzdeck zum Sonnenbaden für den rasant wachsenden Südwesten umgewandelt.

Um die Ermittlungsarbeit der Polizei nicht zu gefährden, könnten zum aktuellen Zeitpunkt keine weiteren Details zu den näheren Tatumständen genannt werden, sagte Oberstaatsanwältin Gabriels-Gorsolke am Montag. Fest stehe laut Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt bereits allerdings, dass die tote Frau und der mutmaßliche Täter verheiratet waren und bereits seit Jahren getrennt voneinander lebten. Der Beziehungsstatus zu dem erschossenen Mann am Steuer des Taxis sei dagegen noch völlig unklar.

Polizei und Staatsanwaltschaft gehen von einem Motiv im privaten Bereich aus. Ob beispielsweise Eifersucht in Frage komme, ist weder dementiert noch bestätigt worden. Am Sonntag wurde der 66-jährige Täter bereits dem Haftrichter vorgeführt. Die Staatsanwaltschaft stellte Haftantrag wegen zweifachen Mordes. Der mutmaßliche Schütze sitzt nun wegen dringenden Tatverdachts in Untersuchungshaft.

HK

Nikolas Pelke