Roth
"Es ist ein Machtkampf"

Pendler in der Region haben wenig Verständnis für den einwöchigen Bahnstreik

06.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:20 Uhr
Leere Bahnsteige, leere Gleise – ein Bild, auf das man sich wahrscheinlich noch bis Sonntag einstellen muss. - Foto: Schmitt −Foto: Foto:

Roth (HK) Auf den Bahnhöfen Schwabach und Roth ist die Meinung eindeutig: 90 Prozent verurteilen den Streik der Lokführer. Zehn Prozent haben ein gewisses Verständnis.

Für die meisten hat der Ausstand keine Berechtigung, weil keine realen Forderungen damit verbunden sind: „Es ist ein Machtkampf.“ „Nervig“, ist noch die zurückhaltendste Bewertung der Folgen des Arbeitskampfes. „Ich sag’ nichts“, meint einer, „denn das wäre nicht druckreif.“ Ein anderer Fahrgast kann es aus seiner Sicht ohne Kraftausdrücke auf den Punkt bringen. „Es leiden zu viele Leute zu lange und zu oft.“ Eine junge Frau, die in Roth auf den Regionalexpress wartet, stellt sich allerdings eine andere Frage. „Die Bahn erhöht dauernd die Preise“, sagt sie, „das kommt dann offenbar nicht bei den richtigen Leuten an.“ Ganz häufig ist bei Nachfragen in Zügen und auf Bahnhöfen zwischen Schwabach und Roth das böse Wort mit „Sch . . .“ zu hören.

„Anfangs habe ich die Streiks schon verstanden“, sagt eine 18-jährige Schülerin aus Heideck. „Aber nun nützen die Lokführer ihre Stellung aus, denn es gibt Leute, die viel härter arbeiten.“ Ihr Weg in die Georgensgmünder Mittelschule wird die nächsten Tage noch mühsamer. „Ich brauch’ eine Fahrgemeinschaft, weil meine Eltern arbeiten“, sagt sie.

Ein Altenpfleger aus Georgensgmünd muss täglich nach Schwabach pendeln. „Was wäre denn, wenn wir streiken würden“, fragt er und sieht seine Schützlinge durch den Streik als bedroht an. „Wenn wir nicht rechtzeitig zur Arbeit kommen, leiden die Senioren.“ Jeder habe das Recht auf Streik, fügt er hinzu, „aber wenn solche Kettenreaktionen entstehen, dann ist es schon zweifelhaft“.

„Ich wohne in Fürth, wenn der Zug nicht fährt muss ich um vier Uhr aufstehen“, sagt eine junge Frau, die auf die S-Bahn nach Nürnberg wartet. Nur dann treffe sie mit U-Bahn und Bus rechtzeitig am Fließband einer Schwabacher Firma ein. „Ich finde den Streik nicht gut“, sagt sie.

Ein Mann aus der Nähe Hilpoltsteins kommt in Roth mit dem Regio an. Er hat besonders üble Erfahrungen mit dem Arbeitskampf der Zugchauffeure machen müssen. „Zur Beerdigung meines Vaters konnten 20 Senioren nicht anreisen, das hat mir echt weh getan“, schildert er die Folgen eines der ersten Streiks für seine Familie. „Es trifft die Falschen“, ist er fest überzeugt. „Das muss man anders aushandeln“, empfiehlt er der GdL.

So sieht es auch ein Gewerkschaftskollege der IG Metall, der sich am Rother Bahnhof für den Notfahrplan anstellt. „Ich habe grundsätzlich dafür Verständnis, denn ich habe selbst schon gestreikt“, erklärt er. Bei den Lokführern blicke er aber nicht mehr richtig durch. „Bei uns kommt es nach dem Streik zu Verhandlungen und man einigt sich, die streiken jetzt schon zum vierten Mal in einem Jahr“, sagt er. Es müsse doch möglich sein, sich an einen Tisch zu setzen und eine vernünftige Lösung zu finden. Seinen Arbeitsplatz in Sandreuth glaubt er dennoch rechtzeitig zu erreichen. „Solange noch ein gewisser Ersatz da ist, geht es doch. Man muss sich nur arrangieren.“

Eine Gruppe Security-Mitarbeiter wartet auf den Zug nach Ingolstadt. „Wir arbeiten in ganz Bayern und müssen jeden Tag anderswo sein“, erklärt einer. 70 Prozent der 140 Beschäftigten des Unternehmens seien dabei auf die Bahn angewiesen. Wenn also immer einige zu spät kämen, dann werde die Arbeit nicht leichter. „Oft sind ganze Bereiche unbesetzt“, stellt er fest. „Die Lokführer streiken zu oft, irgendwann muss es mal gut sein“, lautet seine Einschätzung.

Eine junge Frau macht sich von einem Besuch in Roth auf die Rückreise in die Bundeshauptstadt. Dort arbeitet sie im Auswärtigen Amt. „Ich bin froh, dass die Züge heute noch fahren, in Berlin bin ich immer mit dem Fahrrad unterwegs“, blickt sie gelassen auf den Streik. Den größeren Teil der Verantwortung dafür sieht sie auf Bahnseite. „Die sitzen am längeren Hebel.“

Aufgrund der Zugausfälle länger an ihrem Arbeitsplatz in Rednitzhembach bleiben muss eine Rotherin. „Nur dann kann ich mit einer Kollegin mitfahren.“ Schließlich ist die S-Bahn die einzige Verbindung zwischen der Kreisstadt und ihrem Arbeitgeber. Sie ärgert sich auch wegen ihrer Monatskarte. „Die kostet 64 Euro, jetzt fällt eine ganze Woche weg“, sagt sie. „Wenn ich den Weselsky nur sehe, stehen mir die Haare zu Berge“, sagt sie zornig.

Ein Rentner in Schwabach geht noch weiter. „Der gehört eingesperrt“, sagt er. „Diese Spinner, und der Bürger leidet.“ Weselsky, „dem geht es nicht mehr um die Sache“, fügt ein anderer Mann hinzu, „dem geht es nur um die eigene Macht, deshalb bin ich ziemlich sauer.“

Für eine Frau aus Nürnberg, die in Schwabach aussteigt, ist es ebenfalls schwer zu verstehen, „wegen der Machtfrage weniger so viele in Mitleidenschaft zu ziehen“. Dennoch gehe es ja um die Koalitionsfreiheit. „Vielleicht ist der Ausstand ja doch gerechtfertigt“, sagt sie und verweist auf Zeitungsberichte der jüngsten Zeit, die das Eintreten der GdL für das Grundrecht „als den wichtigsten Streik der Berliner Republik“ darstellen.